Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Liechtensteinische 
Vierter Jahrgang« 
Babuz, Freitag 
Nr. 13. 
den 31. März 1876. 
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückungsgebühr für die zgespattene Zeile s kr. —Briefe und Gelder 
«erden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Unser Steuerwefe» 
(Fortsetzung und Schluß.) 
Wie wir bei Besprechung der Grundsteuerrevision in der 
vorigen Nummer dieses Blattes Hauptsächlich betonten, wird 
das Grundsteuerkapital zum geringsten Theile vom Lande, als 
vielmehr größtentheilS von der Gemeinde resp. der Rbeinge« 
meinde belastet. Es erklärt sich hieraus sehr leicht, daß der 
Gemeindehaushalt dadurch eine besonders große Bedeutung und 
Wichtigkeit erhalten hat. DaS Budget einzelner Rheingemein- 
den hat in den letzten Jahren annähernd dasjenige des Lan- 
deS erreicht und zum Theil übertroffen. Zudem wurden den 
einzelnen Gemeinden, abgesehen von den großen Umlagen für 
den Rheinbau utch die sonstigen Gemeindebedürfnisse, auch ne- 
benbei von Seite deS Landes sehr beträchtliche Subventionen 
zuerkannt. Die ganz enorm gesteigerten Anforderungen, welche 
in den letzten Iahren die Gemeinden resp. die Rheingemeinden 
trafen, haben diese Thatsache zur Folge gehabt Da sich un 
sere Gemeinden in ihren neuen autonomen Verhältnissen erst 
entwickeln, so erscheint eS begreiflich, daß manche Störungen 
und Unregelmäßigkeiten im Gemeindehaushalte mitunterlaufen. 
Solange die Rheinbauauslagen gering waren, hatten diese 
Mängel nicht die große volkswirtschaftliche Bedeutung, wie 
jetzt. Die gegenwärtigen Zustände bedingen jedoch ohne Zwei- 
fel im Interesse der Gemeinde- und Landeswohlfahrt die Noth- 
wendigkeit, geeignete gesetzliche Maßregeln zur Verbesserung 
und Regulirung dieser Verhältnisse zu treffen. Ohne der ver» 
fassungSmäßigen Selbständigkeit der Gemeinden zu nahe zu 
treten, käme eS nach unserem Dafürhalten auch dem Landtage 
zu, die Kontrole über daS finanzielle Gebahren der einzelnen 
Gemeinden zu führen. Die Berechtigung hiezu wäre dem 
Landtage gesetzlich zuzuerkennen. Der Landtag sowohl als auch 
die Gemeinden selbst wüiden davon Nutzen erhalten. Gerade 
die Einsicht in den finanziellen und volkswirtschaftlichen Zu 
stand der einzelnen Gemeinden ist eS, die unseren Landtags- 
abgeordneten sehr mangelt. Unser kleines Ländchen ist sozu- 
sagen nur eine große Gemeinde. Eine gründliche Kenntniß 
der verschiedenen Verhältnisse ist dem Abgeordneten durchaus 
notwendig. Soll der Abgeordnete ein wohlüberlegtes und 
sichere« Votum abgeben, so muß er vorerst den Zustand der 
einzelnen Gemeinden kennen. ES muß ihm Gelegenheit resp. 
das Material geboten werden, daß er weiß. wie der Vermo- 
genSzustand, das Steuerkapital, die Leistungen, das finanzielle 
Gebaren jeder einzelnen Gemeinde annähernd beschaffen tst, er 
ttiuß mit einem Worte über die einfachsten statistischen Notizen 
der Gemeinden unterrichtet sein. Ist dieS einmal der Fall und 
hat der Landtag zudem die Kontrole über die Gemeindebudgets, 
so tritt der Landtag damit auS seiner mehr passiven Stellung 
heraus und ergreift zuweilen auch selbst die Initiative, um 
für daS Land und die Gemeinden wohlthätige Institutionen 
ins Leben zu rufen. Solange die Entwicklung unseres Land- 
tageS nicht in diese Bahnen geleitet wird, fehlt die erste An- 
forderunq: ein gründliches Verständniß, und die Thätigkelt des 
Landtages bleibt auf die formelle Zusage zur Bewilligung deS 
Landesbudget und allenfallsiger gesetzlicher Bestimmungen be- 
schränkt. Fragen wie die Münzfrage und die Zollvertrags- 
frage find als außerordentliche zu betrachten, die nicht alljähr- 
lich wieverkehren Die Besprechung der so wichtigen Rhein- 
bauangelegenheit, resp. der Landessubventionen an die einzelnen 
Rheingememven kann von den Abgeordneten nur dann gründ- 
lich und ersprießlich gepflogen werden, wenn die gehörige Ein- 
ficht in daS ganze Gemeindegebaren vorhanden ist. Sonst 
kommt es eben vor, daß manche Abgeordnete nur über die 
Verhältnisse der eigenen Gemeinde die annähernd nöthige Kennt- 
niß haben, sich auf diese Weise quasi als Gemeindeabgeordnete 
fühlen, unv hauptsächlich nur für daS stimmen, waS ihrer ei- 
genen Gemeinde zu Nutzen kommt. So ist es schon öfters 
vorgekommen, daß die Abgeordneten aus Nichtrheingemeinden 
gegen LandeSfubventionen für Rheinbauzwecke stimmten, weil 
diese Subventionen eben nicht ihrer Gemeinde zu direktem Nuz» 
zen kam; oder, was noch bezeichnender ist, daß Abgeordnete 
auS Rheingemeinden, die nicht von der Rüfe bedroht sind, 
wohl mit Ja stimmten, solange eS für ihren Rhein ging, dann 
aber wieder mit Nein, wenn die Rüfe an die Reihe kommen 
sollte u s. w. Wir wollen mit diesen Beispielen die Noth- 
wendigkeit betonen, daß der LandeSabgeordnete über die Ver 
hältnisse aller Gemeinden deS Landes, und nicht nur der eige- 
genen Gemeinde unterrichtet sein muß. will er seine Pflichten 
als Landtagsabgeordneter erfüllen, sonst verdient er diesen Ti« 
tel nicht, sondern ist nur ein „Gemeindeabgeordneter". Ein 
sehr richtiger und wichtiger Schritt zur Einleitung in bessere 
Bahnen wäre, wie wir oben vorgeschlagen haben, die Kontrole 
über die Gemeindebu^getS von Seite des Landtages und die 
Schaffung des MaterialeS, um auch die sonstigen Vermögens- 
und volkswirtschaftlichen Verhältnisse jeder einzelnen Gemeinde 
kennen zu lernen. Die Gemeinde selbst kann dabei nur Bor- 
theil ziehen und auch lernen. Denn erstens hat der Umstand, 
daß der Landtag genaue Emsicht in das ganze Gemeindegebaren 
erhält, zur Folge, daß bei Behandlung von Gemeindesubventi- 
onen u. s. w. die wirklichen Bedürfnisse der Gemeinde genauer 
und gründlicher überdacht werden und denselben damit gerechter 
und nützlicher entsprochen wird. Zweitens werden auf diese 
Weise am besten Hindernisse geboten, um willkürlich Gemeinde- 
steuern umzulegen, die oft, wie dieS in den letzten Jahren sich 
erprobt hat, die Steuerkraft der OrtSbürger weit übersteigen 
und manche Familien, die noch über wenig Arbeitskräfte ver-
	        

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