Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

„„Wären die vordersten unserer Leute nicht bei Dobretin zu- 
rückgewichen, so wären wir bis unter Wien gekommen. Fünf- 
unddreißig fehlen uns, diese find vielleicht schon in Betsch 
(Wien)!"* Dieser Tage traf im Lager bei Babinatz ver 
französische Major Konstantin GruszechnSki ein, ehemals in 
russischen Diensten. Derselbe wurde von den polnischen Ko- 
miteS in Paris, der Schweiz und Deutschland hieher gesandt 
um die Bewegung mit zu leiten, und die KomiteS sicherten 
Waffen und Geldunterstützung zu. So mehren sich die An, 
zeichen von allen Seiten, vaß der Aufstand nicht erlischt." 
Der in Leipzig erscheinenden „Gartenlaube" ist für Oester- 
reich her Postdebit entzogen worden. Die Ursache dieses stren- 
gen Vorgehens gegen dieses in etwa 60,000 Exemplaren in 
Oesterreich verbreitete Blatt ist in einem Aufsatz zu suchen, 
in welchem unter der Form einer Schilderung des kaiserlichen 
Lustschlosses Gödöllö die Kaisenn in gröblicher Weise verletzt 
und das Andenken an die Kaiserin Maria Theresia geschmäht 
und ihre Ehre als Frau besudelt wurde. 
Spanien. Das Ende des KarlistenkriegS ist schneller her- 
angekommen, als man erwarten konnte. Don Alfonso ist am 
2t. in Tolosa eingezogen und die ersten Generale deS Präten- 
denken haben sich nach Frankreich geflüchtet. Am 20. Februar 
gingen bereits Gerüchte in Madrid, daß Don KarloS in der 
vergangenen Nacht Spanien verlassen; die Nachricht ist in den 
zwei folgenden Tagen wenigstens noch nicht bestätigt worden. 
Äan meldet aber, daß seine Anhänger vollständig entmuthigt 
sind und zahlreiche Unterwerfungen stattfinden. Unter diesen 
Umständen wird der Prätendent jedenfalls, wenn es bis zur 
Stunde noch nicht geschehen sein sollte, seinen Generalen als- 
bald zu folgen, versuchen müssen oder sich der Gefangenneh- 
mung ausgesetzt sehen. 
Nach einem Madrider Telegramm vom 24. Februar sollen 
die Carlisten in dem AmezcuaS-Gebirge eingeschlossen und ohne 
Lebensmittel und Kanonen sein, und ferner sollen Don Carlos 
und Lizärraga, welch' letztern man schon am 22. hatte entfliehen 
lassen, auf Fluchtversuche nach Frankreich über daS Alduides, 
Gebirge denken. Ein anderes Madrider Telegramm vom 24. 
meldet dagegen, daß eine große Schlacht bevorstehe. Vielleicht 
lassen sich beide Nachrichten dahin kombiniren, daß Don Car 
los sich mit Waffengewalt den Abzug nach Westen erzwingen 
i/" will. Vielleicht auch ist er noch stärker als man gemeldet hattet 
Die Angaben über die Stellungen seiner Truppen wechseln. 
Sie sotten im Nordwesten von Tolosa bei Goizueta und dann 
wieder südöstlich bei Alsasua stehen und hinwieder noch weiter 
südlich im AmezcuaS-Gebirge eingeschlossen sein. Möglicher- 
weise stand oder steht in Goizueta eben nur eine Abtheilung. 
Vor sich haben die Karlisten in Tolosa den General Loma, 
der am 21. mit König Alfonse daselbst einmarschirt ist; ihm 
reicht MorioneS die Hand, der am 21. oder 22. in Andoain 
eingezogen ist und an diesen schließt sich M. CampoS in Her.» 
nani an. Die GebirgSgränze von Frankreich kann zufolge deS 
Marsches deS Generals M. Campos auf Irun und Henlani 
nur noch schwach besetzt sein. Vielleicht will deshalb Don 
Karlos von Goizueta auS das Alduiden-Gebirge gewinnen. 
General Primo de Rivera rückt auf Zumarraga heran. Man 
kann somit allerdings sagen, daß Don KarloS strategisch so 
gut wie eingeschlossen ist. Don Alfonso hat die Nacht vom 21. 
auf den 22. in Tolosa in dem Palaste zugebracht, den Don 
KarloS zuvor noch bewohnt hatte und ist am 22 in San 
Sebastian eingetroffen um sich daselbst einige Tage aufzuhalten. 
Während dieser Tage wird der Aufmarsch seiner Truppen ge- 
gen die letzten Stellungen der Karlisten auszuführen sein. DaS 
scheint die Lage der Dinge zu sein. 
Das neueste Telegramm von Madrid vom 27. Febr lautet: 
König Alfonso ist in Beasain (Guipuzeoa) angekommen, wird 
demnächst noch mehrere Städte besuchen um die Truppen zu 
mustern und sodann nach Madrid zurückzukehren. — Don 
KarloS hat die französische Grenze überschritten und ein Ma- 
nifest erlassen, worin er erklärt: daß er auf die Krone Spa- 
nienS großmüthig verzichte, da das Glück des spanischen Vol- 
keS sein einziger Wunsch sei. 
Frankreich. Die Neuwahlen für die französische Nalio- 
nalversammlung haben am 20. Februar stattgefunden und sind 
zu Gunsten der Republik ausgefallen. Ein sehr verläßlicher 
und stetS gut informirter Korrespondent der „Allg. Ztg. " bringt 
folgenden Bericht über diesen für Frankreich äußerst wichtigen 
Vorgang , welchen wir in seinen wesentlichen Punkten wie 
folgt, mittheilen. 
Der Ausfall der Wahlen hat alle Erwartungen übertroffen 
und — enttäuscht. Der Sieg gehört den Republikanern; die 
Konservativen und Monarchisten sind entschieden geschlagen, 
und das Land hat durch sein Votum vom Sonntag erklärt: 
daß eS weder Königthum noch Kaiserreich will, sondern viel- 
mehr die Republik einfach und nett. Die Republikaner gebie 
ten jetzt über eine solche Mehrheit in Kammer und Senat 
daß alle RevisionSgevanken, alle Versuche der monarchischen 
Fraktionen, die auf eine legale Beseitigung der Republik hin- 
zielen, von vornherein unmöglich und undenkbar erscheinen. 
Für die bis heute unter dem Namen der „konservativen Union" 
kämpfenden politischen Parteien ist der Schlag um so fühlbarer 
und verhängnisvoller geworden durch die vierfache Niederlage 
deS Ministerpräsidenten Hrn. Büffet. In den SenatSwahlen 
durchgefallen sollte ihm auch ein gleiches Schicksal bei den De- 
putirtenwahlen nicht vorenthalten bleiben. Die republikanischen 
Journale jubeln über diesen Ausgang; der Schlag ist nicht 
nur e n direkt gegen Hrn. Büffet geführter, er gilt auch der 
ganzen von ihm vertretenen inneren Politik und gewissermaßen 
der Regierung selbst. Herr Büffet hatte sein Programm auf 
eine zu enge Basis gestellt, er wollte den Wahlkampf gleichsam 
in die kränzen der sozialen Frage einschließen, wohingegen die 
Republikaner die Parole auf die Form der Regierung selbst 
stellten, und Hrn. Büffet als den Feind der Republik und alS 
Anhänger des Kaiserreichs bekämpften. Vielleicht irrten sich 
die Republikaner mit dieser Auffassung; aber der stolze und 
eigensinnige Ministerpräsident wollte keine Erklärungen geben/ 
wollte keine Konzessionen machen, und wollte nicht von seiner 
Ansicht abgehen: daß der Wahlkampf zwischen den Fteunden 
und den Feinden der bestehenden sozialen Ordnung auözufechten 
sei. Der vor einem Jahre von der Mehrheit des 25. Febr. 
mit Freuden und Vertrauen aufgenommene Mann erlitt eine 
Niederlage, wie sie schwerer kaum zu denken ist; er hat jetzt 
nur noch seine Entlassung zu geben. Wie man auS den be- 
sten Quellen erfahrt, hat er eS gethan, der Marschall-Präsident 
jedoch bis jetzt noch keine Entscheidung über die Annahme der- 
selben gefaßt. Es mag dem so streng konservativen Marschall 
schwer werden, sich von seinem ersten Minister zu trennen, mit 
dem er in so vielen Punkten die gleiche Ueberzeugung hat. 
Man erzählt, daß der Marschall-Präsident sich über den Aus- 
fall der Wahlen fast gar nicht ausläßt WaS vor dem 20. 
gebruar in manchen Kreisen gehofft, erwartet und geplant sein 
mag, eS ist zunächst wie ein Kartenhaus zusammengestürzt vor 
dem durchweg republikanischen Zug, der die Wahlen durchweht 
hat. Die Bonapartisten allein sind höchst zufrieden «ftd sie 
haben immerhin einen gewissen Grund dazu. In Bordeaux 
1871 kaum 4—5, wurden sie in der Nationalversammlung 
ziemlich 30 Mitglieder stark und treten jetzt in der neuen Kam- 
mer mit etwa 70—-80 der Ihrigen auf. Die Unparteilichkeit 
wird zugeben, daß dies ein Fortschritt ist, wenn man bedenkt, 
daß sie an vielen Orten offen das Banner des Kaiserreichs 
entfaltet haben, und daß sie zu kämpfen hatten nicht nur gegen 
die Republikaner, sondern auch gegen die Verwaltung und die 
Präfekten — daS Gegentheil zu behaupten ist entschieden nicht 
ganz richtig. Da außerdem nun die andern Parteien, die Or- 
leanisten unv Legitimisten, nur bedeutend geringer an Zahl
	        

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