Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

in seinem Kopfe nur einen Augenblick zweifeln konnte, daß sie 
in Gemäßheit besonderer Instruktionen gehandelt hatten." 
Die Anwendbarkeit dieses UrtheilS auf die heutige Sach- 
läge läßt sich mit Händen greifen. Wie es heißt, kommt viel- 
tscht auch der russische Generalkonsul Karzow in Belgrad in 
die Lage die Zahl der Simoniwitsch und Wikowitfch zu ver- 
mehren. 
Vermiedenes. 
*We inve rfälschung. In deck einzigen Dorfe Odeilhan 
hat ein Kaufmann auS Narbonne für 10.000 Fr. Cochenille- 
Präparate verkauft und haben die Kleinhändler in Narbonne 
ein blühendes Geschäft in Stoffen zur Färbung deS WeineS. 
Die Weinhändler oder vielmehr die Weinfabrikanten suchen 
nun ihre Industrie zu rechtfertigen, indem sie in verschiedenen 
Broschüren ihre Mittelchen als ganz unschuldig darstellen. Eine 
der merkwürdigsten dieser Publikationen führt den Titel „No 
tiz über die gänzliche Unschädlichkeit der Färbestoffe, die Fuch- 
sew zur Basis haben." Die „Gazette" sagt aber dazu: „Der 
verderbliche Gebrauch dieser Präparate kann nur den Weg noch 
erleichtern, auf welchem immer mehr und mehr feine Weine 
bei uns Eingang finden, wahrend unsere Weine immer weniger 
ins Ausland gehen, eine doppelte Thatsache, die für Frank- 
reich sehr bedauerlich ist". 
* Mäuse und Kaninchen. AuS Schottland wird 
berichtet, daß Mäuse dort in solchem Grade überhand genom- 
«en haben, daß sie der Landwirthschast ernstliche Schwierig- 
keiten und großen Schaden bereiten; namentlich auf den Wei- 
degrundstücken, wo sie durch ihre zahllosen Löcher und Gänge 
die Wurzeln der Pflanzen beschädigen. Diese Klage wurde 
bereits vor mehreren Monaten laut und mehrere große Grund- 
besitzet wiesen damals ihre Wildhüter an, im Interesse ih^er 
Pächter die Raubvögel zu schonen; bevor aber diese Maßregel 
Früchte bringen kann, müssen freilich Jahre vergehen. AuS 
Neuseeland wird übrigens gemeldet, daß die dortigen Schaf- 
züchter mit einer ähnlichen Schwierigkeit zu kämpfen haben; 
dort sind es indeß nicht Mäuse, sondern Kaninchen, welche 
den Boden unterwühlen. Man hat kürzlich dort eine Fläche 
von 15,000 AcreS, die mit Kaninchen überfüllt war, mit einer 
Mauer umgeben, um der weiteren Verbreitung derselben vor- 
zubeugen. Freilich sollte man meinen, daß da noch andere, 
weniger kostspielige Mittel zu Gebote stehen würden. 
Landwirthschastliches. 
Geschichte der Kartoffel. 
Wir lassen hier nach einer Abhandlung in Tfchudi'S land- 
wirtschaftlichem Lesebuche einige kurze geschichtliche Notizen über 
die „Kartoffel" folgen. 
An der trockenen Meeresküste deS heißen Südamerika^, 
namentlich in Chili, wächst die Kartoffel wild und gedeiht am 
üppigsten in der Nähe salzreicher Seen, in Felsenspalten und 
an lehmigsandigen Hügeln und bis hoch in den GebirgSgegen- 
den. Sie blüht weiß und bildet sehr kleine, aber schmackhafte 
Knollen. Schon seit alten Zeiten bauten die Ureinwohner 
Chilis und später auch Perus die Pflanze an, wodurch sie be- 
deutend größer und auch wohlschmeckender wurde. Sie pflanz- 
ten sie nicht durch Samen, sondern durch Knollen fort, und 
noch heute holen sie sich, wenn eS an Saatgut mangelt, ein- 
fach wilde Knollen herbei, und die Frucht wird schon im ersten 
Jahre besser, im zweiten aber unfern Kartoffeln völlig gleich. 
In Mexiko wächst sie ebenfalls wild, und zwar im Gebirge 
und in Wäldern, oft auch als Unkraut in den Maisfeldern, 
wird aber wenig beachtet. 
Vielleicht fand sie schon ColumbuS 1492 in Cuba vor. 
Als die Spanier Peru erobert hatten, brachten sie im sechs- 
zehnten Jahrhundert auch die Kartoffel nach Europa, schickten 
ste dem Papste, und die neue Pflanze fand einigen Anbau i« 
Spanien, Italien, Burgund und den Niederlanden. Nach Eng- 
land brachte ste zuerst Walther Raleigh 1584 und dann der 
Admiral Drake 1586. Dieser schickte ste einem Freunde zur 
Anpflanzung mit der Bemerkung, die Frucht dieses Gewächses 
sei trefflich und nahrhaft, so daß eS für Europa nützlich wer- 
den dürfte. Der Freund pflanzte die Knollen wirklich. Sie 
gediehen schön, und als die Samenbeeren reif waren, fetzte er 
diese statt der Wurzelknollen als hohe Seltenheit, in Butter 
gebraten und mit Zucker und Zimmet bestreut, einer Gesellschaft 
bei Tafel vor. Begreiflich schmeckten diese Samenbeeten ab- 
scheulich, und die Versammlung meinte, sie seien in Europa 
nur nicht reif geworden. Der Gärtner riß die Stauden auS 
und verbrannte sie. Da zertrat der zufällig anwesende Herr 
eine der in der Asche gebratenen Wurzelknollen mit dem Fuße. 
Sie war schneeweiß, mehlig und duftete so lieblich, daß fie 
gekostet und sehr schmackhaft gefunden wurde. Nun war das 
neue Gewächs gerettet; aber noch hundert Jahre lang ward 
eS bloß in den Gärten der Bornehmen gebaut, und die Kö- 
nigin Anna von England bemerkte in ihrem Haushaltungs- 
buche ums Jahr 1600, daß das Pfund 2 Schillinge oder 
Franken koste. 
Von England kam es allmälig nach Holland und Frank- 
reich: aber anfänglich erschien eS bloß als kostbare Seltenheit 
auf königlichen Tafeln und als Schmuckpflanze in fürstliche» 
Zimmern. Ludwig XVI. pflegte noch eine Kartoffelblüthe i« 
Knopfloch und . seine Gemahlin einen Kartoffelblüthenstrauß als 
Haarschmuck bei Hofbällen zu tragen. Wie in vielen andere» 
Gegenden bewirkten erst Theurung und HungerSnoth eine all- 
gemeine Verbreitung. DaS Getreide war mehrere Jahre miß- 
rathen und man forschte 1771 nach einer NahrungSpflanze, 
die Aushülfe gewähren könnte. Da schlug der Apotheker Par- 
vtentier die Kartoffel vor und baute vierzig Juchart damit an. 
Der König, erfreut über die schöne Ernte, rief: „Sie habe» 
das Brod der Armen gefunden." Allein die Armen und na- 
mentlich die Bauern wollten es nicht versuchen und verachtete» 
die fremde Knolle. ^ Da griff Parmentier zu einer Lift. Er 
ließ öffentlich auSkünden, seine Kartoffeln seien nun reif; da 
sie aber so kostbar seien, habe er vom König eine Schutzver- 
ordnung erbeten, und jeder, der ihm eine Kartoffel stehle» 
würde, hätte doppelte Strafe zu gewärtigen. DaS half. Die 
Bauern kamen heimlich deS Nachts, gruben von seinen Kar- 
toffeln auS, stahlen sie und probirten die Knollen. Sie schweb 
ten ihnen wohl. Bald waren alle Aecker deS Apothekers reis 
ausgeplündert, und Hunderte von Bauern pflanzten im näch- 
sten Frühling gestohlene Kartoffeln an. 
Noch später kam die Kartoffel in Deutschland zur Verbrei- 
tung, obwohl sie schon 1533 in den botanischen Gärten ge- 
pflanzt worden war. In vielen Gegenden wurde ste nach de» 
Nothjahren deS dreißigjährigen Krieges und dann im Anfang 
deS achtzehnten Jahrhunderts gebaut und auf verschiedene 
Arten alö Speise zubereitet, als Schweinekost, zu Puder und 
Stärke verwendet. Die Knollen hießen „Grüblinge" oder 
„Erdäpfel." So oft die Getreideernten mißlangen, machte der 
Kartoffelbau wieder größere Fortschritte. Wie derselbe i» 
Preußen von der Regierung befördert wurde, erzählt der be- 
rühmte Nettelbeck in seiner LebenSgeschichte: „Ich "mochte wohl 
ein Bürschchen von fünf oder sechs Jahren sein und noch m 
meinen ersten Höschen stecken — also um daS Jahr 1743 
oder 1744 — als eS bei unS im Land weit umher eine so 
schreckliche und knappe Zeit gab, daß viele Menschen vor Hun- 
ger starben. Im nächstfolgenden Jahre erhielt die Stadt Kol- 
derg aus des großen Friedrichs vorsorgender Güte ein Geschenk, 
das damals hier zu Lande völlig unbekannt war. Ein großer 
Frachtwagen voll Kartoffeln langte auf dem Markte an, . und 
durch Trommelschlag in der Stadt und den Vorstädten erging 
die Bekanntmachung, daß jeder Gartenbesitzer sich zu einer be-
	        

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