Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

"Ermordeten Frauen waren. Auch ist zu fürchten daß einige 
1>er reicheren Bauern grausamen Qualen unterworfen wurden 
vor der Ermordung, in der Hoffnung daß sie verborgene 
-Schätze enthüllen würden. So wurden Petro TriandaphylloS 
und der Pope Recio geröstet, dem Stoyan Stoychoff wurden 
Ohren, Nase, Hände und Füße abgeschnitten. Ich glaube, eS 
ist genug gesagt worden um zu zeigen daß Achmet Agha und 
-feinen Leuten die Auszeichnung gebührt das scheußlichste Ver- 
brechen daS die Geschichte unseres Jahrhunderts befleckt hat 
begangen zu. haben. Rena Sahib allein, möchte ich sagen, bat 
*S ihren Thaten gleich gethan. Waö die Zahl der Getödteten 
betrifft, so habe ich vorher erklärt daß eS nach meiner Schä 
tzung 5000 waren. Ich weiß paß andere sie höher schützen; 
aber wie dem sein mag, ob die Erschlagenen nach Hunderten 
oder Taufenden zählen, eS verringert nicht im geringsten die 
Ruchlosigkeit der Mörder. Die Absicht war alle auszurotten, 
ausgenommen jene wenigen Mädchen (wahrscheinlich 80) welche 
He fortschleppten um ihren Lüften zu fröhnen. Die entflohen, 
verdankten ihre Sicherheit ihrem eigenen guten Glück, und nicht 
Hem zarten Erbarmen ihrer Nachbarn. 
Kür disfe That hat Achmed Agha den Medfchidie-Orden 
erhalten 
Ich bin jedoch bis zu einer gewissen Grenze zu glauben 
bereit, haß die türkischen Behörden, ehe ich Batak besuchte, die 
Schrecknisse die dort begangen waren nickt kannten. Der Platz 
liegt in den Bergen, acht Stunden von Bazardschik, ist etwas 
schwer zugänglich, und vor mir war keiner dorthin gegangen 
der den Behörden wahrscheinlich getreuen Bericht über das Ge- 
fchehene geben konnte. Hätten sie wirklich gewußt, daß der 
Platz eine Masse faulender Leichen war, würden sie nicht Maß- 
regeln zur Wegschaffung getroffen haben ehe ich den Ort er- 
reichte? Ein Türke der mich von Bazardschik an begleitete und 
unterwegs laut auf vis Rebellen loSgezogen hatte, änderte fei- 
nen Ton vollständig als er wirklich sah waS feine Landsleute 
gethan hatten, und war nicht weniger schreckbetäubt alö ich. 
Edib Effendi'S Bericht über Batak ist einer Kritik nicht wfo 
dig. Ich höre daß er niemals dorthin ging. Ich möchte ihm 
nur zwei Fragen stellen: 1) Ward das ganze zumeist auS 
Stein gebaute Dorf durch einige wenige „Misses «n bois," 
die nahe der Kirche in Brand geriethen, verbrannt ? 2) Wur- 
den die außerhalb des Dorfes enthaupteten Weiber, um deren 
Gebeine die Hunde stritten, als ich sie sah, in dem „combat 
tern'ble," der stattgefunden haben soll, getödtet? 
Batak war ein blühendes Dorf und betrieb einen lebhasten 
Holzhandel. Die Sägemühlen sind alle verbrannt worden, 
und 30,000 „OkaS" Eisen sind fortgeschleppt oder vernichtet. 
Der Verlust an Vieh ist auch groß — t000 Joch Ochsen, 
2000 Kühe, 5000 Schaafe und Ziegen, 800 Pferde sind ge- 
stöhlen worden. Die überlebenden Einwohner leben in Holz- 
Hütten außerhalb deS Dorfes in großem Elend; sie find von 
dem Unheil betäubt und versuchen nicht einmal ihre Todten 
zu begraben. Einige der Frauen sah ich auf den Ruinen ihrer 
Häuser fitzen und die fchwermüthigste Art Trauergesang singen; 
andere wanderten auf dem Kirchhof unter den Leichen umher, 
Während andere mehr als besinnungslos schienen, umherstürzten, 
ihr Haar ausrauften, ihre Stirnen schlugen und durchbohrende 
Schreie ausstießen. 
Die Thatsachen dieses Trauerspiels sind jetzt im Besitz der 
türkischen Regierung, uad es ist ihre Pflicht an Achmed Agha 
und Mohammed Agha ein Exempel zu statuiren, und der Welt 
zu beweisen, daß sie daS schändliche Betragen jener Männer 
mißbilligt. 
Auf meinem Wege nach Batak kam ich durch daS ver- 
brannte Dorf Ratilovo daS aus 177 Häusern besteht. Hier 
waren 25 Männer und Frauen getödtet, 150 Joch Ochsen, 
20 Pferde und 3000 Schafe weggeführt. Durch die Vermitt- 
hing der Behörden hatten die Bauern 30 Joch Ochsen und 
350 Schafe wieder erlangt. Einige ihrer Thiere, das wußte» 
sie, waren in Tfchanabdji, als sie dieselben aber wieder forder- 
ten, weben die Türken sie mit Pistolenschüssen zurück." 
Gegen Ende seines Berichts kommt Mr. Baring auf de« 
Beginn der Unruhen zurück, und sucht darzulegen , daß die 
Muselmänner provoeirt worden. DaS Endergebniß seiner Un- 
terfuchungen saßt er dann in folgenden Worten zusammen: 
„Zweifellos fand ein Ausstand statt, der durch die Waffen- 
gewalt unterdrückt werden mußte. 
Eine kleine Minderheit der Bevölkerung beging strafwürdige 
Gewaltthaten. 
DaS Ministerium Mahmud Pafcha'S ist wegen Anwendung 
von Bafchi-BozukS zu tadeln, denn wenn eS früher reguläre 
Truppen abgesandt hätte, würden die verhängnißvollen Maß- 
regeln niemals nothwendig geworden sein. 
ES ist auch zu tadeln, daß eS Revolutionsagenten unter 
seinen eigenen Augen Umtriebe gestattete, ohne Maßregeln zur 
Unschädlichkeit ihrer verderblichen Lehren zu ergreifen. 
Die Weife in der die Erhebung unterdrückt wurde, war 
unmenschlich im höchsten Grade, indem je 50 Unschuldige für 
einen Schuldigen litten. 
Die Blutthaten von denen ich gesprochen habe, und daS 
Elend das ich sah, müssen gerechte Entrüstung in jeder Brust 
erwecken ; aber daS ruchlose Benehmen jener Agitatoren, welche, 
-um den selbstischen Zwecken von Staaten zu dienen deren ein- 
zigeS Ziel territoriale Vergrößerung ist, nicht davor zurück- 
schrecken arme unwissende Bauern zur Empörung zu verleiten, 
und die so tausende von Heimathstätten der Verödung über- 
lieferten und eine schöne reiche Provinz zu einem Thal deS 
JammerS machten, sollten nicht ohne einen Antheil an der all- 
gemeinen Verwünschung davonkommen." 
~ Ausland. 
Ueber die Lage im Orient melden zuverlässige Nach- 
richten, daß eine 6tägige Verlängerung deS Waffenstillstandes 
also bis 2. Oktober von Seite der Türkei zugestanden wurde. 
Ueber die FriedenSauSsichten wagt bis jetzt Niemand ein be- 
ftimmteS Urtheil zu sällen, da man der doppelzüngigen Politff 
Rußlands nicht mehr traut. Während die Waffen ruhten, 
schäftigte sich die geschlagene Armee TschernajeffS damit, den 
Fürsten Milan zum König von Serbien auszurufen. Ei» 
diesbezügliches Telegramm meldet hierüber folgendes: Die Pro- 
klamirung Milans zum König von Serbien erfolgte durch 
sämmtliche Corps der Armee TschernajeffS. Alle dienstfreie» 
Officiere und die gesammte Geistlichkeit ver Umgegend erschie- 
nen persönlich uud schwuren zu kämpfen bis auf den letzte« 
Mann, damit auf deS Fürsten Haupt die Krone der unäbhän- 
gigen serbischen Könige glänze. Schließlich ward ein feierliches 
Tedeum gesungen und die gesammte Armee schwur dem König 
Milan Obrenowitsch den HuldigungSeid. 
Oesterreich. Die Ministereonferenzen bezüglich des öfter» 
reichifch-ungariichen Ausgleichs sind nunmehr beendet. Von 
der Ueberzeugung geleitet, daß sämmtliche auf den Ausgleich 
bezüglichen Gesetze gleichzeitig vorgelegt werden sollen, waS ge- 
genwärtig noch nicht möglich gewesen wäre, haben sich die 
Regierungen geeinigt, die Gefammtheit der Vorlagen im Ja- 
nuar 1877 vor die BertretungSkörper zu bringen, letzteren der- 
art die Gelegenheit bietend sich über den ganzen Ausgleich ein 
klares vollständiges Bild machen zu können. Um die Ver- 
Handlungen der Nationalbank über das künftige Bankstatut 
sofort einleiten zu können, find die Regierungen, da beide 
Theile an ihrem Standpunkte bezüglich der 80-Millionen- 
Schuld festhalten, übereingekommen den Vertretungskörpern eine 
Gesetzvorlage zu machen, wonach diese Frage Deputationen der 
Vertretungskörper vorgelegt und, falls auf diesem Weg eine 
übereinstimmende Lösung fich nicht herbeiführen ließen ein eigens 
konstituirteS Schiedsgericht berufen werden soll.
	        

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