bisher mangelnden direkten Anschluß auf eigenem Boden an
daS schweizerische und mittelst deS letzteren an daS französische
Bahnnetz erhalten.
Die ungeheurty Verkehrs - Kalamitäten der KriegSjahre
t870/t,welche unter Andermdie Bahnverbindung deS Landes
WKrlbM mit ^ Monarchie gänzlich siftirten, haben die
Wichtigkeit einer solchen Verbindung glänzend dargethan und
die Unabhängigkeit der Verkehrswege als dringendes Bedarf-
niß hingestellt. So hätte Oesterreich in den soeben erwähnten
Kriegsjahren sehr bedeutende Summen verdienen können, wenn
damals, als Frankreich sich aus der Sch veiz zu verproviantiren
suchte, die Ärlbergbahn bereits vorhanden gewesen wäre, und
diese Situationen werden sich stets wiederholen, wenn der freie
Handelsverkehr zwischen Frankreich und dem deutschen Reiche
oder zwischen dem letzteren und Oesterreich, sei eS durch einen
Krieg, sei eS durch Zollschranken oder andere Zwischenfälle ge-
stört werden sollte.
Das politische und strategische Moment zu betonen, unter-
lassen wir, da dies an anderen Orten bereits genügend be-
leuchtet wurde und der Zweck dieser Betrachtungen vorwiegend
kommerzieller Ratur iß. Zum Schlüsse können wir jedoch nicht
umhin, namentlich im Hinblicke auf die Verhältnisse Ungarns
zu bemerken, daß die freie billige Beförderung nur ein Faktor
zur Ermöglichung der Konkurrenzfähigkeit ist, während den
wichtigeren, ergänzenden Theil die billige Erzeugung der Waare,
respektive deS Produkts bildet. Der Fortschritt in dieser Rich
tung gibt allein die Möglichkeit des UebergangeS vom Agri
kultur- zum Industriestaat, nnd daß wir als ersterer unsere
Rolle beinahe ausgespielt haben, dafür liefern die Vorkommnisse
der letzten Jahre in ihrer konsequenten Wiederholung ein be-
herzigenswertheS Beispiel; je mehr daher unsere Fürsorge
der Entwicklung einer gesunden, den Verhältnissen entsprechen-
den Industrie, aber auch der Schaffung der für dieselbe noth-
wendigen Verkehrswege, was bei unseren heutigen Verhält-
yissen nur Aufgabe deS Staates sein kann, gewidmet ist, desto
mehr werden wir uns der landwirtschaftlichen Unabhängigkeit
nähern und den allgemeinen -Wohlstand fördern.
Ausland.
Bom Kriegsschauplatz.
In Belgrad neigt man sich, wie die „Polit. Corresp." be-
richtet, nun zu der Ueberzeugung, daß die türkische Armee
concentnsch auf Belgrad vorrückt, und man hat in Folge des-
sen den Beschluß gefaßt, eine Vertheidigung Belgrads vorzu-
bereiten. Belgrad ist indessen kein Paris, und FortS lassen
stch nicht aus dem Boden zaubern, wenn man auch neuer-
dingö große Geldsummen aus Rußland erhalten hat. Nicht
weniger als 5 Millionen Rubel sollen, wie Correspondenzen
der „TimeS" und deS „Pester Lloyd" berichten, innerhalb we-
Niger Tage von dort in Belgrad eingetroffen sein. DaS In-
teressanttste an diesem Beschluß ist jedenfalls das Motiv, daS
denselben eingegeben hat. Man fürchtet also in Belgrad, daß
die serbische Armee geschlagen werde und daß die Türken wirk-
lich vor der Hauptstadt deS Landes erscheinen können. Wel-
chen Werth aber ein Widerstand Belgrads überhaupt haben
soll, wenn ein solcher auch wirklich für einige Tage oder selbst
Wochen statthaben könnte, ist nicht abzusehen. Unter demsel-
hen hätte nur die Stadt zu leiden, für daS Land erwüchse
aus demselben keinerlei Gewinn.
Aus Belgrad, 8. Aug., geht dem „Pester Lloyd" fol-
gender interessante Bericht zu:
„Die große Neuigkeit deS Tageö ist, daß Tfchernajeff zum
Oberfeldherrn der gefammten serbischen Armee ernannt wurde;
damit ist die serbische Kriegführung in ein neues Stadium ge-
treten. So glauben wenigstens die Serben, welche die bishe
rigen Mißerfolge dem Umstände zuschreiben, daß die Leitung
der Armee keine einheitliche war, daß die Pläne ZachS und
TschernajeffS sich kreuzten, wodurch jener Zwiespalt entstand,
den die Gegner bisher so gut auszunützen verstanden. Die
Erwartung, ^daß der Krieg mit der von türkischer Seite er-
folgten Occupatio« deS Knjafchewatzer Kreises seinem Ende
nahe, scheint somit nicht jin Erfüllung gehen zu wollen, ja,
ivenn nicht alle Anzeichen trügen, wollen die Serben erst jetzt
zum entscheidenden Schlag ausholen. (!) Sie glauben mit einer
verhältnißmäßig geringen Macht die EngpässeHei Banja ver-
theidigen zu können, und wollen stch mit dem Gros der Armee
nach Bosnien werfen, um nachzuholen, was sie zum Beginne
deS Krieges versäumt haben. Ob eS den Serben gelingen
wird diesen Plan, der hier allgemein und offen besprochen
wird, durchzuführen, ist allerdings die Frage, da selbst die An-
sichten der Eingebornen über die eventuelle Vertheidigung die-
ser Engpasse auseinandergehen. Während sie von einem Theile
der Bevölkerung, die lch zu sprechen Gelegenheit hatte, als
undurchdringbar und jedenfalls als ein Terrain bezeichnet wer-
den,' das mit geringer Mannschaft gegen eine bedeutende Ueber-
macht zu halten sei, behauptet ein anderer gleichfalls der Ge-
gend kundiger Theil: daß diese „Riesenberge" und diese „im«
durchdringlichen Engpässe" einfach Uebertreibung seien, und
daß eS den Türken, mit Opfern zwar, aber doch immerhin
möglich fein werde, ins Innere des Landes einzudringen. Die
nächsten Tage werden wohl darüber Aufklärung bringen, in
welcher Weise die Türken ihre bisher gewonnenen Positionen
weiter ausnützen werden. So viel steht schon heute sest, daß
sich die hiesige Regierung durch die bisherigen KriegSerfahrun-
gen nicht niederbeugen ließ, sondern vielmehr zu größerer Ener-
gie und zu noch leidenschaftlicherem Widerstand aufgestachelt
wurde. Zumeist mag hiezu übrigens der Umstand beigetragen
haben, daß in die serbischen Knegscassen, wie ich mit aller #
Bestimmtheit erfahre, seit gestern fünf Millionen Rubel einge- *
flössen sind; weiter ist der Regierung in sichere Aussicht gestellt
worden, daß allmonatlich diese oder, wenn Bedarf eintreten
sollte, eine noch größere Summe zur Verfügung gestellt wer-
den wird. Dieser Zuschuß wird aus Privatmitteln — so heißt
eS — herbeigeschafft; eS dürfte auch schwer fallen zu unter-
suchen, ob vieseS russische Geld auS directer oder indirekter
Quelle geflossen. Genug, es ist da, und das KriegSministe-
rium^ welches bis vor einigen Tagen in Bezug auf Nachbestel-
lungen und Neulieferungen etwas zögernd vorgegangen war,
hat seit zwei Tagen Bestellungen über Hals und Kopf ge-
macht. Einige vorsichtige Lieferanten, an denen eS hier keinen
Mangel hat, haben sich bei ihrem Consul darüber Raths er
holt, ob sie diese Lieferungen effectuiren sollen, und sie erhiel-
ten die Versicherung, daß sie ohne Bedenken die größten Be-
stellungen übernehmen könnten, da man aus guter Ouelle
wisse, daß Serbien zur weiteren Kriegführung bedeutende Sub-
sidien erhalten habe. Einen nachdrücklicheren Beweis für meine
Behauptungen kann ich nicht liefern, und ich kann auch mit
dem Namen des ConsulS dienen, von dem diese Aeußerung
ausging; doch muß ich ihn aus Discretion vorläufig verschwei-
gen. An der Werbung neuer Truppen wird hier gleichfalls
über HalS und Kopf gearbeitet. Ich habe bereits erwähnt,
daß die Fürstin auf ihre Kosten eine Legion ausrüstet, die be-
reitS gut adjustirt und mit Hinterladern versehen ist. Nun ist
auch eine berittene Legion in der Bildung begriffen, deren Com-
Mandant ein hier vor kurzem angekommener amerikanischer
Oberst ist. Zahlreiche Engländer sollen sich um seine Fahne
fchaaren, und so herrscht hier in Folge dieser allgemeinen Be-
wegung und ungebeugten Kampflust statt der gedrückten, eine
freudig gehobene Stimmung. Die Gegensätze berühren ein-
ander hier in der seltsamsten Weise. Während von der einen
Seite die seltenste Opferwilligst an den Tag gelegt wird,
hört man von anderer Seite wieder, daß reiche Bürger der
Stadt alles mögliche aufbieten, um sich ihren patriotischen
Verpflichtungen zu entziehen. Ich will erst daS schönere