Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Liechtensteinische 
Vierter Jahrgang. 
Vaduz, Freitag 
x 
Nr. 33. 
den 18. August 1876. 
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — EmrückungSgebühr für die 2gespaltene Zeile b kr. —Briefe und Gelder 
werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Vaterländisches. 
Baduz, den J5 August. Heute sind Herr Graf Fünf- 
kirchen und dessen Gemahlin, welche, wie wir schon in der 
letzten Nummer unseres BlatteS bemerkt haben, für diese Woche 
erwartet wurden, hier eingetroffen. Dieselben sind im Gast- 
Hof „zur Linde" abgestiegen und beabsichtigen einige Tage in 
unsern Bergen auf Gemsen zu jagen. 
Heute Abend wurde den hohen Gästen zu Ehren von dem 
gemischten Chor und der Blechmusik von hier ein Ständchen 
gebracht. 
Baduz, den 15. Aug. Ueber die Gotthard- und Arl- 
bergbahn bringt die N. Fr. Pr. folgenden bemerkenSwerthen 
Artikel: 
„Obgleich der Bau der Gotthardbahn in Folge deS von 
ihrem neuen Baudirektor ermittelten Mehrbedarfes von 100 
Millionen Franks in ein bedenkliches Stocken gerathen ist, und 
der Bau der Arlbergbahn vom österreichischen Abgeordneten- 
Hause bis auf bessere Zeiten vertagt wurde, so unterliegt eS 
doch keinem Zweifel, daß beide Bahnen denn doch ausgebaut 
werden, weil eben die Gotthardbahn — abgesehen davon, daß 
man in der Schweiz keine Eisenbahn-Ruine wird schaffen wol- 
len — sür Deutschland und die Schweiz ein wahres Bedürf- 
niß ist, und weil der Arlbergbau gerade wegen deS BaueS der 
Gotthardbahn auf die Dauer nicht mehr zu umgehen ist 
Die Rückwirkung nun, welche die Vollendung der Gott- 
hardbahn auf die kontinentalen Handelsbeziehungen, im beson- 
deren Hinblicke auf die OesterreichS-Ungarnö, ausüben wird, 
soll im Nachstehenden einer näheren Beleuchtung unterzogen 
werden. 
Für Oesterreich-Ungarn hat der Ausbau der Gotthardbahn 
insoferne eine besondere Bedeutung, als durch dieselbe einerseits 
die Aktion der ohnedies durch die ungünstigen VerkehrS-Ver- 
Hältnisse hart betroffenen eigenen Seehäfen an der Adria noch 
mehr erschwert wird, andererseits aber die Konkurrenzfähigkeit 
unserer mächtigen Rivalen auf dem Gebiete der Bodenproduk- 
tion, nämlich der Donaufürstenthümer, Amerikas, namentlich 
aber Rußlands, wesentlich gestärkt wird, indem der Landweg 
mit seinen gegenüber dem Seetransporte größeren Frachtkosten 
zu den wichtigen Konsumplätzen der Nordschweiz und Süd- 
deutschlandS durch die Gotthardbahn beträchtlich abgekürzt wird. 
Bekanntlich hat das ungarische Getreide in der Schweiz 
seinen wichtigsten Konkurrenten an Rußland, dessen Produkte 
derzeit vi» Marseille dirigirt werden. Nun dürfte nach Fertig- 
stellung der Gotthardbahn Genua die wichtige Rolle der Ge- 
treide-VersorgungSstaüon für die Schweiz und einen Theil 
Süddeutschlands übernehmen, wozu es sowohl vermöge deS 
kürzeren Seeweges, als auch und insbesondere wegen deS kür- 
zeren Landtransportes besonders befähiget erscheint. 
DieS ist klar ersichtlich, wenn die EntfernungS, Verhältnisse 
in Betracht gezogen werden; die Distanz Marseille-Basel be- 
trägt nämlich 771 Kilom., wogegen Genua-Basel vi» St. 
Gotthard nur 520 Kilom. entfernt ist, somit eine Abkürzung 
deS Bahntransportes um 251 Kilom. eintreten wird. Nehmen 
wir nun für die Getreide den Durchschnittssatz von 6 Centimes 
per Tonne oder Kilometer, so stellt sich der Doppelzentner 
Getreide vis Genua um 1 */ 2 Fr. billiger als bisher. Oder 
wenn wir Zürich in Betracht ziehen, welcher Platz von Mar- 
stille 802 Kilom. entfernt ist, während die Entfernung Genua- 
St.-Gotthard-Zürich nur 454 Kilom. betragen wird, so ergibt 
sich zu obigen Einheitssätzen eine Frachtkürzung per Doppel- 
zentner von Fr. 2. 15. 
Diese zwei Beispiele zeigen zur Genüge, welche V^chÄrfimg, 
respektive Erschwerung der Konkurrenz kür unsere Getreide bei 
Eröffnung der Gotthardbahn auf den für uns so wichtigen 
Schweizer Plätzen eintreten wird. Diese Verhältnisse lassen 
eS demnach dringend geboten erscheinen, daß seitens Oesterreich- 
Ungarns Alles aufgeboten werde, um uns sowohl einerseits 
durch eine rationelle Verbesserung unsere Bodenproduktion 
wieder auf jene Höhe zu schwingen, welche unö befähigt, der 
sich immer mehr geltend machenden Konkurrenz anderer Länder 
erfolgreich begegnen zu können, alS andererseits ehestens in den 
Besitz aller jener Bahnverbindungen zu gelangen, welche neue 
Exportwege nach dem Auslände erschließen und welche den 
Weltverkehr so weit als möglich auf unsere Bahnen lenken. 
ES ist dies um so notwendiger, da, wenn auch die bestehenden 
VerkehrSanstalten schon im eigenen Interesse hinkünftig zweifelt* 
ohne bestrebt sein werden, durch Bemessung billigerer TranS- 
portsätze daß Ihrige zur Stärkung der Absatzfähigkeit unserer 
Produkte beizutragen, doch in dieser Hinsicht die Grenzen der 
Möglichkeit bald erreicht find. 
Wenn auch in dieser Beziehung, waS nämlich direkte Ab 
kürzung der Transportlängen anbelangt, durch den Ausbau 
der Arlbergbahn ein bedeutendes Ersparniß nur bezüglich der 
Provenienzen aus dem Süden und Südosten der Monarchie 
erzielt wird, während z. B. die Route von Wien nach Lindau 
über Simbach einerseits und vi» Landeck (Arlbergbahn) ander- 
seitS ziemlich gleich lang und der Weg von Pesth über Prager- 
Hof und den Arlberg nach Lindau sogar etwas länger ist, als 
über Wien und Simbach (996 gegen 924 Kilom.), so ist denn 
doch, namentlich nach dem Ausbau der Predilbahn, die über 
den Arlberg herzustellende direkte Verbindung Triests mit der 
Schweiz und Süddeutschlands von größtem Werthe. . 
Ihre Hauptbedeutung findet aber die Arlbergbahn immer- 
hin darin, daß die österreich-ungarischen Bahnlinien durch die- 
selbe, im Verein mit ihrer, ihrer bautechnischer Beziehung 
würdigen Rivalin, der im Vorjahre eröffneten Giselabahn, den
	        

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