Knjaschewatz und über die in Folge derselben in Belgrad Herr-
schende Stimmung folgendes: „Die Lage der serbischen Armee
auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz ist eine ernste. Oberst
Uzun MirkovitS zog sich auf Vratarnitza, in der Richtung
gegen Zaitschar, zurück. Horwatowitsch zog sich auf Banja,
drei Stunden von Alexinatz entfernt, zurück. Knjaschewatz, eine
kleine wohlhabende Stadt mit 5000 Einwohnern, existirt nicht
mehr. Während des fünftägigen Kampfes, der um diese Stadt
wüthete, wurde sie von den Türken total eingeäschert. (Nach
anderen Nachrichten wäre Knjaschewatz durch serbische Schuld
in Flammen aufgegangen. DR.) Wenn die türkische Armee
ihren Erfolg ausbeuten und den Vormarsch fortsetzen sollte,
würde die Straße nach Banja - Belgrad gefährdet sein. Bei
Vratarnitza müßte Tschernajess eine entscheidende Schlacht lie-
fern. Indessen deutet mehrereS darauf daß man von dieser
Seite vielleicht doch jeder entscheidenden Affaire aus dem Wege
gehen werde. Die letzte Hoffnung knüpft sich an Zaitschar und
Deligrad. Füllt aber Zaitschar, dann können die Türken Deli-
#r«d umgehen. Aus ein Vordringen der Türken bei Gramada,
ein sehr gebirgiges Terrain, ist man hier nicht gefaßt gewesen.
Man sah sich nur am unteren Timok und bei Alexinatz-Deli-
grad vor. Dieses gewöhnliche EinfallSthor nach Serbien wurde
aber von türkischer Seite nicht benützt, und viel schlechtere
Straßen sind zum Angriff auf die serbische Ostarmee gewählt
worden. Horwatowitsch hatte kaum 8000 Mann bei Dervent
und konnte dem aus 22.000 Mann Kerntruppen bestehenden
Armeekorps des Achmed Ejub Pascha auf die Länge nicht
widerstehen. Diese HiobSposten vom oberen Timok haben eine
sehr gedrückte Stimmung hervorgerufen. Man ^ibt sich über
die mißliche Lage keiner Illusion mehr hin. Vom Frieden wird
gesprochen; "doch ist es gewiß, daß man einen ehrenvollen
Frieden annehmen möchte. In Regierungskreisen ist aber bekannt
daß die türkische Negierung Serbien demüthigen will. Sollte
Zaitschar auch fallen, dann würde Ristitsch bei den Mächten
eine Mediation nachsuchen."
Dem Triester ,,Cittudino" wird aus Serbien, 30 Juli,
geschrieben:
„Der Kampf, der seit einigen Tagen östlich von Nifch und
am Timok entbrannt ist, hat bisher kein entscheidendes Ergeb-
niß geliefert — es scheint jedoch ein Vorspiel zu einer großen
Schlacht zu fein. Zn Alt-Serbien dagegen haben die serbischen
Waffen gute Erfolge erzielt. Hier hat Tfcholak Antitsch den
Befehl anstatt deS Generals Zach übernommen, welcher sich
durch ein starkes rheumatisches Leiden veranlaßt sah, um einen
längeren Urlaub, nachzusuchen. Dieser wurde ihm um so weniger
verweigert, als man mit seiner Kriegführung unzufrieden war,
und wenn er nicht schon vor drei Wochen von seinem Posten
abberufen wurde, so verdankte er eS den wesentlichen Verdien
sten, die er sich um die Organisation der serbischen Miliz
erworben hatte. Zach selbst sah wohl ein, daß er den Erwar
tungen, die man auf ihn gebaut hatte, nicht entsprach, und
kam den Wünschen deS Fürsten und anderer Befehlshaber zu-
vor, indem er einen Urlaub verlangte. Tfcholak Antitsch ist
Populär und seine Ernennung wurde von den Soldaten mit
Jubel begrüßt. Er ergriff alsbald die Offensive. Derwisch
Pascha war im Begriff nach Bosnien zu gehen, um den
Oberbefehl über die dortigen Truppen zu übernehmen, erhielt
jedoch unterwegs den Befehl, Mehemed Ali Pascha zu Hülfe
zu eilen, und marschierte mit vier Bataillonen gegen Sjenitza.
Ehe er jedoch diese Ortschaft erreichte, wurde er hei Duga
Poliana von Tscholak Antitsch angegriffen und derart ge-
schlagen, daß kaum die Hälfte feiner Leute gegen Hyvi Baros
entfliehen könnte. Antitsch benützte unverwellt den errungenen
Erfolg. Er marschirte durch das Thal deö Flüßchenö Unaz
nach Sjenitza, wo er am 26. Juli anlangte, und begann die
Belagerung des OrtS, der bereits in seine Hände gefallen
wäre wenn er einen BelagerungSpark bei sich hätte. Er hat
zwar einige GebirgSkanonen, deren Kaliber jedoch zu klein ist
um eine wirksame Beschießung zu ermöglichen. ES ist Übrigens
unmöglich schwere Geschütze über diese Höhen zu befördern,
wo eS nicht einmal Reitstege gibt. In der letzten heute hier
angelangten Depesche meldet Antitsch: er hoffe, allen Schwie
rigkeiten zu Trotz Sjenitza zu nehmen. In allen serbischen
Kreisen hört man Klagen über die serbischen Walachen. Es
heißt nicht nur daß die walachischen Regimenter vor dem
Feinde nicht Stand halten, man beschuldigt sie auch, daß sie es
sind, welche den Türken Spionirdienste leisten. ES find gegen 30
Spione verhaftet worden, die bis auf einen, alle Walachett
waren. In Pozareva ist ein Kriegsgericht zusammengetreten^
welches die Untersuchung führt. Bisher sind etwa 27 TodeS-
urtheile vollstreckt worden. Wenn man diese Spione nach
Pozarevatz tranSportiren steht, fo begreift man nicht wo sie
den Muth hernehmen in ihrem schändlichen Handwerk zu ver-
harren. In der Regel werden sie auf Karren befördert, die
von Bauern reqmrirt werden, weil ihre Beine derart zittern,
daß sie nicht gehen können. Ihre Gesichter sind leichenblaß,
ihre Augen starr — eS scheint beinahe, daß die Arbeit d^
HenkerS überflüssig ist. Mehrere Zeitungen hören nicht auf
von der gefährlichen Agitation zu sprechen welche der Fürst
Peter Karageorgewitsch leitet, um auf den serbischen Thron zU
gelangen. Sie hat jedoch keinen Erfolg. Vor Kurzem hat
er eine Proklamation veröffentlicht, vorgestern einen Protest
gegen die Beschuldigung daß er eS mit den Türken halte; er'
fügte die Versicherung hinzu: er wolle die Serben zu einem
freien und glücklichen Volke machen.
In Belgrad fürchtet man diese Agitation nicht. Die Par-
tei dieses Prätendenten ist so gering, daß er sich nur lächerlich
macht. ES gibt junge Leute, welche den Thron Milans fchwan-
ken machen — allein dies geschieht gewiß nicht zu Gunsten
deS Fürsten Karageorgewitsch, der nur durch fremden Beistand
. seinen Zweck erreichen könnte. Die Serben werden ihm gewiß
nicht dazu verhelfen. Vor kurzem sprach man hier von der
Bildung einer Fremdenlegion. Ristitsch opponirte von Anfang
an gegen dieses Projekt, indem er behauptete : er finde unter
den Serben Leute, die fähig sind den Kampf fortzuführen; er
brauche nur Geld — allein die Umstände haben sich geändert
— und eine große Zahl fremder Offiziere hat ihre Dienst?
angetragen, die man ihrer Kenntnisse wegen nicht zurückweisen
möchte. Allein die Mehrzahl dieser Offiziere spricht nicht ser-
bisch, und eS ist unmöglich, daß sie sich den serbischen Solda-
ten verständlich machen; sie finden daher in der serbischen Ar-
mee keine Verwendung — und eS wird eine Fremdenlegion
gebildet. Dreißig gewesene deutsche Offiziere haben schriftlich
oder auf telegraphischem Weg ihre Dienste angetragen. Auch
französische, italienische, dänische und a^rische Offiziere he-
werben sich um Verwendung. Doch liefert Rußland das größte
Eontingent."
Türkei. Den wahren Sachverhalt über den Zustand des
Sultans der Türkei meldet die „Allg. Ztg." in Folgendem:
Ueber die am 11. Mai d. 2 ausgeführte Demonstration der
SoftaS waren schon vorher dem Sultan Abdul Aziz unbe-
stimmte Gerüchte zu Ohren gekommen, und derselbe befahl, den
Prinzen Murad (sowie dessen Brüder) einzuspertell. Fünfund-
zwanzig Tage dauerte diese strenge Einzelhaft, während wel
cher Zeit Murad unter beständiger Todesfurcht fast gar nicht
schlief und durch übermäßigen Genuß alkoholischer Getränke
seine Angst zu verscheuchen suchte. Unmittelbar darauf fand
der Thronwechsel statt, und diesem folgte eben so rasch der
Briefwechsel mit seinem Oheim und der Selbstmord (t) des
letztern, sowie wenige Tage später der Mord der beiden Mi-
nister. Diese Schlag auf Schlag erfolgenden Katastrophen
Übten einen nachtheiligen Einfluß auf da? Gemüth deS Hul-
tanS aus, und namentlich erschütterte ihn der Selbstmord sei-
neS OheimS, denn er fühlte sofort heraus, daß man ihn für