Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Politische Rundschau. 
Deutschland Die N. A. Ztg. feierte dix Anwesenheit 
deS schwedischen KönigSpaareS in Berlin durch folgenden Leit- 
artikel: 
„In König Oscar und Königtn Sophie begrüßt unser 
Volk nicht nur daS erhabene Fürstenpaar eines stammverwand- 
ten VotkeS, sondern eS erwiedert zugleich aufrichtig deren Sym- 
pathien für Deutschland, für seinen Kaiser, sein Volk und Heer, 
seine Sprache und Literatur. Die Landung in Kiel, in Deutsch- 
landS erst feit zehn Jahren errungenem Kriegs Hafen beweist 
unserm Volke zur Genüge, daß Schweden-Norwegen eS auf- 
gegeben hat sich mißmuthig und grollend zu isoliren, und daß 
dafür eine ehrliche und freundliche Zuneigung zu dem aus ei- 
gener Kraft so mächtig emporgewachsenen Deutschland und zu 
unserm der schwedischen KönigSfamilie früher wiederholt ver 
wandtschaftlich nahe verbundenen Herrscherhaus eingetreten ist. 
ES ist kein ehrgeiziges Streben, welches den König von Schwe- 
den in die Hauptstadt deS Deutschen Reiches führt. Die po- 
litifche Bedeutung des hohen und herzlich willkommenen Besu- 
cheS gesteht in erster Linie in der Manifestirung eines aufrich 
tigen Freundschaftsverhältnisses zu Deutschland sowie in dem 
davon unzertrennlichen Beitritt zu der Politik des Drei-Kaiscr- 
BundeS, welche der unerschütterliche Schwerpunkt der politischen 
Verhältnisse in Europa geworden ist und sich als solcher, jeden 
andern Einfluß ausschließend, erst in jüngster Zeit wieder be- 
währt hat. Der Beitritt Schwedens zu diesem Friedensbunde 
soll später dnrch einen Besuch in St. Petersburg noch aus 
drücklich gekräftigt werden und er empfängt einen nicht gerin- 
gen Werth durch die freundschaftlichsten Beziehungen, welche 
Schweden-Norwegen mit Dänemark verknüpfen, und welche 
so eben in Kopenhagen ihre feierliche Bestätigung gefunden 
haben. In diesem Sinne geleitet das Volk von Schweden 
und Norwegen mit den besten Wünschen sein KönigSpaar. Sei 
denn König OSear willkommen in der Hauptstadt des stamm- 
»erwandten Deutschland, und Königin Sophie freudig begrüßt 
ia ihrer alten Heimath, der sie auf dem ehrenreichen Throne 
der nordischen Reiche in alter Liebe und Treue zugethan ge- 
blieben ist." 
Der König von Schweden hat am 2. Zuni Berlin wie 
der verlassen und ist am gleichen Tage in DreSden eingetrof- 
fen, wo er mit den üblichen Feierlichkeiten empfangen wurde. 
Der französische „Monitem" erwähnt eineS Gerüchtes, dem- 
zufolge einleitende Schritte geschehen seien behufs einer Heirath 
des Königs von Spanien mit einer dem deutschen Kaiser- 
hause nahestehenden katholischen Prinzessin. Gleichzeitig werde 
die Gräfin Girgenti (Schwester deö Königs Alfons) einen 
bairischen Prinzen helrathen. — DaS württembergische Königs- 
paar ist am 3. d. zum Besuche deS russischen Kaisers in EmS 
eingetroffen. 
Oesterreich. In Wien hat am 30. Mai die feierliche Eröff- 
nung^des Donau-Durchstichs durch den Kaiser stattgefunden. Der 
Kaiser war von den meisten Erzherzogen begleitet. Die Reichs- 
minister Graf Andrüssy, v. Holzgethan, v; Koller, fämmtliche 
Mitglieder deS österreichischen Ministerraths, viele Mitglieder 
des diplomatischen Corps, eine große Anzahl hoher Civilbeam- 
ten und Generale, der niederösterreichische Statthalter und Lan- 
deSauSschuß, der Bürgermeister Felder und die Gemeindever- 
treter der Städt Wien, sowie eine große Anzahl anderer gela« 
denen Gäste wohnten der Feier bei. Minister Lasser hob in 
seiner Ansprache an den Kaiser hervor, daß das schöpferische 
Wort des Kaisers dem Werke die Entstehung gegeben, und 
daß dieses Wort die Opferwilligkeit aller dabei Betheiligten 
hervorgerufen habe; er wies sodann auf die großen Vortheile 
hin die daS Unternehmen für das ganze Reich, besonders aber 
für Niedervsterreich wid für die Reichshauptstadt, zur Folge 
haben werde und schloß dankend mit einem enthusiastisch auf- 
genommenen dreimaligen Hoch aus den Kaiser. Der Kaiser 
erwiederte, daß er zu seiner wahren Freude daS Werk voll- 
endet sehe, dessen Beginn er erst vor verhältnißmäßig kurzer 
Zeit durch den ersten Spatenstich inaugurirt habe. Er hoffe, 
daß die vom Reich, vom Lande Niederösterreich und von der 
Statt Wien dafür gebrachten Opfer durch die in Augsicht 
stehenden Vortheile reichlich werden aufgewogen werden. 
Dadurch, daß die größte Ader des Wasserverkehres näher an 
die Reichshauptstadt gerückt worden, sei zugleich die Bedingung 
gegeben, daß Industrie, Handel und Verkehr, auf deren Ge- 
deihen er großes Gewicht lege, sich immer mehr befestigten, er- 
weiterten und aufblühten. Nachdem der Kaiser hierauf den 
Mitgliedern der Donau-RegulirungSkommisston seine volle 
Anerkennung ausgesprochen, auch den Bauunternehmern und 
Ingenieuren gedankt hatte, bestieg derselbe, von der ganzen 
Versammlung gefolgt,den festlich geschmückten Dampfer „Ariadne" 
und fuhr auf demselben, von vielen andern Dampsern beglei- 
tet, stromaufwärts durch das regulirte Stromgebiet bis nach 
Nußdorf. Die Fahrt dauerte gegen iy 2 Stunden und wäh 
rend derselben wurde der Kaiser von der aus beiden Ufern der 
Donau zusammengeströmten Bevölkerung mit enthusiastischen 
Zurufen begrüßt 
Ueber die Aussichten der Arlbergbahn schreibt der 
„Pester Lloyd": „Die Bestrebungen der galizisch-österreichisch- 
deutschen Eisenbahnen, den Getreideverkehr au6 Rußland, resp. 
Rumänien, nach den süddeutschen und schweizerischen- Absatz- 
Märkten zu ziehen, welche jüngst in einem billigen direkten Ver- 
bandtarif Ausdruck fanden, und im Kreise der heimischen Pro- 
duktion sowie deS Handels zu gerechten Besorgnissen Anlaß 
gaben, weil dadurch der Konkurrenzkampf zwischen den unga- 
hschen und russischen Brodfrüchten auf den genannten Eon- 
sumtionSplätzen verschärft wird, hat neuerdings auf die Noth- 
wendigkeit der Arlbergbahn hingewiesen. Es freut uns deß- 
halb konstatiren zu können, daß taut einer uns aus Wien zu- 
gekommenen Mitteilung die Vorarbeiten für die Arlbergbahn 
im k. k. österreichischen Handelsministerium gegenwärtig der 
Revision unterzogen werden, um die Gesetzesvorlage in der 
nächsten Session einbringen zu können. Durch die genannte 
Bahn wird die kürzeste-Verbindung Ungarns mit der Schweiz, 
sowie eineS Theiles Süddeutschlands hergestellt und über- 
dies der Krakau-Wien-Süddeutschen Route eine Konkurrenz 
geschaffen, deren Streben lediglich auf die je größere Belebung 
des Verkehrs aus Ungarn gerichtet sein muß. AuS diesen 
Gründen hat Ungarn ein lebhaftes Interesse an dem raschen 
Ausbau der Arlbergbahn, deren Realisirung, wie eS scheint, in 
nicht ferner Zeit erfolgen wird." 
Schweiz. Der schweizerische Bundesrath hat am 31. Mai 
folgenden Beschluß gefaßt: 
„Die Regierung von Bern ist eingeladen, ihren Beschluß 
vom 30. Januar 1374 betreffend die Entfernung einer An- 
zahl katholischer Geistlicher aus den jurassischen Amtsbezirken 
aufzuheben. Es wird ihr hierfür eine Frist von 2 Monaten 
vom Erlasse gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet bewilligt. 
Dieser Beschluß wird^den Betheiligten mitgetheilt." 
Letzten Mittwoch den 2. Juni ist der deutsche Feldmar- 
schall Graf Moltke ubeV Lindau- Feldkirch - BuchS kommend zu 
einer mehrwöchentlichen Cur in Ragatz eingetroffen und dort 
im „Quellenhof" abgestiegen. 
Rußland. In Balaklawa auf der Krim werden Ver- 
anstaltungen getroffen, um die unmittelbar vor dem dortigen 
Hafen während deS' Krimkrieges versenkten französischen und 
englischen Kriegsschiffe 20 an der Zahl, vom Meeresgründe, auf 
dem sie 20 Jahre liegen, heraufzuholen. Zu diesem Zwecke 
werden zwischen einem Ingenieur, der sich zur Ausführung 
dieses Unternehmens erboten hat, und der Gesellschaft, welcher 
der Balaklawaer Hafen zur Benutzung überlassen ist, bereits 
Unterhandlungen geführt, deren Abschluß täglich erwartet wird. 
Man verspricht sich von Seiten der betheiligten Personen von
	        

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