Liechtensteinische
Dritter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 23.
den 4. Juni 1875.
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werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz.
Vaterländisches.
Baduz, den 31. Mai. Letzten Donnerstag den 27. Mai,
als am FronleichnamStage, entstand zwischen 9 Uhr und 10
Uhr Vormittags in dem Hause deö Gottlieb Wohlwend in
Schellenberg Feuer, welches in kurzer Zeit Haus und Stallung
einäscherte. Weil daö Feuer erst spät bemerkt wurde, konnten
die nach und'nach eingetroffenen Feuerwehren der benachbarten
Gemeinden keine Hülfe mehr bringen. HauS und Stallung
des Brandbeschädigten sind erst im Jahre 1366 neu gebaut
worden und waren, wie man hört, versichert.
Baduz, den 1. Juni. Die sürstl. Regierung hat den Com-
Missionen des Landtages bereits nachfolgende Gesetzentwürfe
zur Vorberathung vorgelegt.
1. Einen Gesetzentwurf über die revidirten Statuten der
landschaftlichen Spar- und Leihkasse.
2. Einen Gesetzentwurf betreffend die Aufhebung deö Ehe-
konsenseS von Seite der landespolizeilichen Behörde und
der betreffenden Zuständigkeitsgemeinde.
3. Einen Gesetzentwurf betreffend die Einführung einer
neuen Maß- und Gewichtsordnung nach dem metrischen
System.
Die Finanzkommission hat mit ihren Berathungen dieser
Tage begonnen und beschäftigt sich gegenwärtig mit der Prü
fung der 1874er Staats- Sparkassa- und Fondörechnung.
Baduz, den 1. Juni. Wie man dem 1874er Geschäfts-
berichte des Schweiz. BundeSrathes über die Rheinkorrektion
im Kanton St. Gatten entnehmen kann, ist die vom Bunde
bewilligte Subvention von 2,800,000 Franken im gleichen
Jahre vollständig aufgebraucht worden; nichtsdestoweniger ist
die Rheinkorrektion .von der Graubündner Grenze bis Mon-
stein, für welche Strecke die genannte Subvention bewilligt
wurde, noch nicht vollendet. Immerhin haben bei den letzten
großen Hochwassern vom 31. Juli und 15. August 1874 die
gemachten KorrektionSarbeiten sich bewährt, indem der durch
jene verursachte Schaden im Ganzen nur unbedeutend ist. Die
biö jetzt für diesen Zweck ausgeworfenen Summen belaufen sich
auf Fr. 8,441,652.27, waö auf die ca. 64 Kilometer betra-
gende Strecke vertheilt per kaufenden Meter Fr. 133 ausmacht.
Diese Summe wurde wie folgt verwendet:
Neue Wuhre Fr. 6,363,418. 72
Alte Wuhre „ 910,523. 02
Hinterdämme „ 772,920. 16
Administration „ . 206,714. 72
Kommissionen „ 44,465. 23
Totale Fr. 8,441,652. 27'
gegenüber einem Kostenvoranschlag von Fr. 8,500,000. Be-
züglich der weitern Bauarbeiten, für welche der BundeSrath
die Vorlagen genehmigt hat, wünscht die Regierung von St.
Gallen, daß der Bund eine Nachtragssubvention bewillige.
Der.Bundesrath sah sich aber diesfalls noch zu keiner vor-
läufigen Aeußerung veranlaßt. Auch für die Rheinkorrektiyn
im Kanton Graubünden ist die Bundesfubvention von
350,000 Fr. vollständig aufgebraucht.
Politische Rundschau.
Deutschland. Das schwedische KönigSpaar ist Ende Mai
zum Besuche beim deutschen Kaiser in Berlin eingetroffen und
dort feierlich empfangen worden. Die Berliner Blätter messe«
diesen! Besuche eine politische Bedeutung zu. '
Der FreundschastSbund zwischen Deutschland und dem
fchwedisch-norwegischen Königreich, welcher durch die Reise deS
deutschen Kronprinzen zur Krönung deS Königs OSkar in
Dronthelm seinen Ausdruck fand, wurde jetzt von neuem be?
stätigt. Die gleichgültige, oft sogar feindliche Haltung, welche
das Stockholmer Kabinet unter König Karl gegen Deutschland
angenommen hat, sei seit der Thronbesteigung deS jetzigen Kö
nigs aufgegeben, und habe sich in offene Sympathie für das
deutsche Kaiserreich verwandelt. König Oskar fühle das Be-
dürfniß, daß Schweden aus der Jsolirung, in welcher eS lange
sich befand, heraustrete und dem Dreikaiferbündniß sich an-
schließe. Er folge in dieser Hinficht dem Beispiel, welches
König Viktor Emanuel gegeben habe. Für die drei nordischen
Kaiserreiche sei eS keine geringe Genugthuung, daß die von
ihm» inaugurirte Friedenspolitik immer größeren Anklang finde
und mächtige Staaten derselben beitreten.
Oesterreich. Ueber die Audienzen, welche eine Deputa-
tion hervorragender hochschutzzöllnerisch gesinnter Industriellen
bei dem Kaiser, dem Grafen Andrassy und dem HandelSmim-
ster Hrn. v. Chlumecky gehabt, erfährt ein Wiener Korrespon-
dent der A. A. Ztg. Folgendes:
Se. Majestät der Kaiser empfieng die Deputation in Huld-
vollster Weise, versicherte dieselbe daß eS eine seiner Haupt
sorgen sei, der wirtschaftlichen Nothlage abzuhelfen, daß eS
aber bisher von keiner Seite gelungen sei, ein geeignetes Mit-
tel ausfindig zu machen. Der Kaiser sprach den Industriellen
Muth zu, und versicherte sie: daß, was die handelspolitischen
Angelegenheiten anbelangt, seine Regierung bemüht sein werde,
den Bedürfnissen der Bevölkerung nach jeder Richtung Rech»
nung zu tragen. Graf Andrassy erkannte an, daß in allen
Staaten das Streben nach Schutz der Industrie hervortrete,
er betonte, daß den realen speziellen Verhältnissen die volle
Rücksicht geschenkt werden müsse, sprach sich aber gegen unHalt-
bare allgemeine Theorien aus. Er legte in seiner, den weit-
blickenden, vorurteilsfreien Staatmann bekundenden, Ausein
andersetzung das größte Gewicht darauf, daß bei der Lösung
der handelspolitischen Fragen die Interessen beider ReichShälf-