Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Gewitter — die Gewitter — kommen auS meiner Großmutter 
ihren Knochen." — „Wa — was?" entgegnete der Lehrer 
ganz erstaunt — auS den Knochen deiner Großmutter?" — 
„Ja wohl", antwortete der Knabe mit vieler Zuversicht, „ganz 
getviß! Denn wenn ein Gewitter gewesen ist, sagt sie alle- 
mal : DaS hat mir schon drei Tage lang in den Knochen 
gelegen. 
* Gesell: „Aber daS ist doch nich: recht, Meister, wie 
Ihr neulich dem Herrn Grafen den Mantel gemacht habt, so 
habt Ihr Euch vom Tuche 2% Elle zurückbehalten; daS könnte 
ich nicht, da machte ich mir ein Gewissen daraus." 
Meister: „Dummkopf! ein Gewissen mache ich mir 
auch nicht daraus, sondern ein Paar Hosen." 
* Man hat, wie die Berliner „Post" erzählt, in diesen 
Tagen in einem großen EiSblocke, welcher sich in. Folge deS 
ThauwetterS vom Mont-Blanc loSgelöSt hatte, ven Kör- 
per eines Amerikaners NamenS John Biackford gefunden, der 
vor drei Iahren den Versuch gemacht hatte, den Mont-Blattc 
ohne Führer zu ersteigen und von dem man seitdem nichtS 
wieder gehört hatte. Die Kleidung und die Gesichtszüge deS 
verunglückten Touristen waren vollständig gut erhalten. 
* ES bat Jemand einen Arzt, ihm doch etwas für die 
Augen semer Frau, die sehr entzündet waren, zu verschreiben. 
- Sie soll sich jeden Tag mit einem Gläschen Branntwein 
waschen, sagte der Doktor. Wenige Wochen nachher begegnete 
Letzterer dem Ehemann. „Nun, Freund, hat Ihre Frau meinen 
Rath befolgt?" fragte er. „Sie hat sich alle mögliche Mühe 
gegeben, Doktor," sagte der Gatte. „Sie hat das Glas aber 
nie höher als bis zu ihrem Munde bringen können." 
* In **** sollte ein Verbrecher gehenkt werden; eS fehlte 
aber an einem Henker. Ein Maurer verstand sich endlich dazu, 
HenkerS Stelle zu vertreten und erhielt eine ansehnliche Beloh- 
nung. DieS gefiel ihm und er ließ daher bald darauf an den 
Straßenecken eine Nachricht anschlagen, folgenden JnhaltS: 
„Ich Endesunterschriebener habe neulich den Dieb N. N., 
wie jedermänniglich bekannt sein wird, für zwei LouiSd'or mit 
vieler Geschicklichkeit gehenkl. Ich habe indessen bei den jetzigen 
geldarmen Zeiten den Preis heruntergesetzt und bin bereit, ein- 
zelne Personen für Einen LouiSd'or, Gesellschaften von 3 und 
4 Personen aber für zehn Thaler zu henken, wozu ich ein 
geehrtes Publikum hiermit ergedenst einlade. R. R." 
* Eine Brutalität, welche sich im Hofe der Pesther Karls- 
Kaserne zugetragen haben soll, wird im „Hon" von einem 
Augenzeugen geschildert. Ein Zugführer drillte nämlich daselbst 
polnische Rekruten deS Salvator-RegimentS, wobei eS geschah, 
daß auf daS plötzliche Commando: „Links um!" zwei unge- 
schicktet« Rekruten mit den Gesichtern aneinanderprallten. Hier- 
ob gerieth der Zugführer in wahre Berferkerwmb; er befahl 
dem Einen, den Mund zu öffnen, und der Andere mußte ihm 
dreimal hineinspeien, und dann umgekehrt. Die umstehenden 
Civilisten trieb der rare Unteroffizier auS seiner Nähe, um keine 
Zeugen zu haben. 
* Ein Schumacher, der viele Schulden, kein Geld, aber 
großen Hunger hatte, rief einst auS: 
Lieber Himmel, schaffe mir Credit, 
Oder nimm mir meinen Appetit! 
Der Spieler. 
AuS den Erinnerungen eines ArzteS. 
Mitgetheilt von Roderich Benedix. 
(Schluß.) 
Der Kaufmann fuhr fort: „ich entsinne mich aber genau, 
daß auch der andere Angeklagte, Friedhelm, von diesen Hemden 
gekauft hat. Er hat eine eigenthümlich lispelnde Aussprache 
der Zischlaute, die mir auffiel, als er bei mir kaufte und sehr 
genau handelte; an dieser Aussprache erkannte ich ihn vorhin 
wieder, als er sprach, und jetzt, wo ich vor ihm stehe, erinnere 
ich mich auch genau seiner Gesichtszüge. Damit ich mich aber 
nicht irre, will ich noch ein Merkmal angeben. Der Mann, 
der damals die Hemden bei mir kaufte, hat ein seltsam gestal- 
teteS, braunes Muttermal am Halse. Ich sah dasselbe, alS er 
daS HalStuch abband u. ich ihm die Hemden um den HalS an- 
paßte. Wenn der Angeklagte Friedbelm dieses Muttermal auch 
hat, so behaupte ich die Identität beider Personen auf meinen 
Eid." 
Ich sah Friedhelm an, seine Augen funkelten wie von stil 
ler Wuth und er biß sich, auf die Unterlippe. Der Präsident 
hieß ihn sein etwas auffallend dickes HalStuch abbinden. Zö- 
gernd that er eS, und Richter und Geschworene sahen wirklich 
ein brauneS Muttermal von seltsamer Gestalt. 
Ich athmete auf. Von Anfang an hatte ich eine unerklär- 
liche Theilnahme für Theobald gefühlt Die günstige Wendung, 
die seine Angelegenheit nahm, versetzte ihn in noch größere Auf- 
regung. Wenn er vorher wenig Hoffnung auf Freisprechung 
gehabt haben mochte und eS die Angst vor dem ihn bedrohen- 
den Urteilsspruche war, die ihn bewegte, so wuchs jetzt seine 
Hoffnung auf eine Freisprechung, und damit nothwendig wur- 
den die Gefühle mächtiger, die in seiner Brust wogten. Anders 
dagegen war daS Benehmen deS andern Angeklagten. Seine 
bisherige Ruhe und Sicherheit wichen der Unruhe, seine Ge- 
sichtSzüge nahmen einen Hämischen, boshaften Zug an. Man 
sah eS klar, er nahm sich zusammen, nicht sehen ;zu lassen, 
waS in ihm vorging. 
Wahrend die Aussage deS Kaufmanns alle Zuhörer und 
auch Geschworene und Richter in Bewegung brachte und eine 
Pause in den Verhandlungen entstand, wie sie sich oft zufällig 
macht, trat der Wachtmeister der Landreiter vor und meldete, 
auch er habe eine Mitteilung zu machen. Kraft seiner diScre- 
tionären Gewalt ließ der Präsident auch diese Mittheilung zu. 
Der Wachtmeister sagte dann auS, eS sei vor drei Tagen ihm 
ein Steckbrief zugekommen, nach welchem vor Jahr und Tag 
eine großartige Fälschung durch geschicktes Nachahmen fremder 
Handschristen begangen worden, die man erst vor Kurzem ent- 
deckt habe. Als sicherer Thäter würde in dem Steckbriefe ein 
Mann, ^Namens Mühibusch, verfolgt. Daö Signalement gebe 
alS besonders auffallendes Kennzeichen ein seltsam gestaltetes 
Muttermal an dem Halse deS Verfolgten an. Wahrscheinlich 
sei der Angeklagte Friedhelm und der steckbrieflich verfolgte 
Mühlbusch eine und dieselbe Person 
Der Staatsanwalt nahm den Steckbrief aus den Händen 
deS Wachtmeisters und verglich das Signalement mit Fried- 
Helm, worauf er. dem Gerichte erklärte, der steckbrieflich ver- 
folgte Mühlbusch und der Angeklagte Friedhelm seien offenbar 
eine und dieselbe Person; im Falle einer Freisprechung deö 
Friedhelm würde er ihn verhasten und an daS Gericht aus 
liefern lassen, von dem der Steckbrief erlassen worden. Der 
Präsident fragte Friedhelm, waS.er auf Alles das zu sagen 
hätte. Dieser entgegnete trotzig und höhnisch; „nichtS! Ob ich 
jener Fälscher bin, geht nur daS Gericht in X. an, hier haben 
die Gefchwornen nur daS Urtheil über den Mord zu sprechen." 
AuS dem ganzen jetzigen Benehmen dieses Menschen «grng her 
vor, daß seine frühere ruhige und bescheidene Haltung nur 
Verstellung gewesen und daß er jetzt nicht mehr im Stande 
4var, diese Maske festzuhalten. 
Der Präsident schloß die Verhandlungen und begann sein 
Resum6. In seiner lichtvollen Darstellung der ganzen Sache 
legte er besonders Gewicht auf den Umstand mit dem rochen 
Briefchen!, welches beweise', daß das Verbrechen mit großer 
Schlauheit begangen worden und daß der Thäter nothwendig 
ein Mensch sein müsse, der in Verbrechen kein Neuling sei. 
Die Geschworenen traten ab. Vier Stunden lang wäbrte 
ihre Berathung; man sah daraus, daß sie sich nicht leicht über 
ihren Ausspruch vereinigen konnten. CS waren vier lange
	        

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