eintraf, so konnte die Situation welche er bei seiner Ankunft vor-
fand, kaum kritischer sein. Die deutschen Militärbehörden wa-
ren fest überzeugt daß Frankreich stch zu einem Angriff auf
das Reich rüste, zu einem Angriff der um so bedenklicher sein
mußte, als der Angreifer im Stande gewesen wäre Zeit, Vor-
wand und Gelegenheit zu wählen. Nach Anficht der militä-
ifchen Beobachter konnte kein Zweifel darüber obwalten daß
man auf einen neuen Krieg sann und daß Deutschland in der
Nothwehr daS Recht hatte dem Unvermeidlichen vorzugreifen.
Diese Ansichten wurden mit Hartnäckigkeit von Hochgestell-
ten Männern in der Armee verfochten, und die einzige Frage
war nur ob sie zur Geltung kommen sollten. Die deutsche
Regierung mag im Stande sein zu erklären daß ein feindlicher
Angriff gegen Frankreich nie amtlich beabsichtiget war; allein
noch vor wenigen Tagen lag eine ernste Gefahr vor daß krie-
gerische Rathschläge zur. Annahme gelangen würden Wenn
diese Gefahr augenblicklich überstanden ist, so verdankt man
nach der Meinung der Welt dieses Ergebniß dem Kaiser Ale-
xander. Er soll seine Meinung über den Gegenstand sehr be<
stimmt kundgegeben haben, während Fürst Gortschakoff ohne
Zweifel die Sache gründlicher und mehr im einzelnen mit dem
deutschen Kanzler verhandelte. Es wäre interessant den In-
halt der Argumente des russischen Kanzlers kennen zu lernen
und zu erfahren m wie weit dieselben für die deutsche Regie-
rung überzeugend waren; allein wir dürfen annehmen daß
ein fester, allerdings höflich ausgesprochener Entschluß, den er-
sten Staat welcher' den Frieden Europas -stören würde, a!ö
Feind zu behandeln, eine der wirksamsten Waffen unter den
Ueberzeugungsgründen Rußlands waren.
Oesterreich. Die tonangebenden Wiener Blatter beleuch-
ten ohne Ausnahme die nun beendete Reise deS Kaisers nach
Dalmatien als einen friedlichen Eroberungszug, und zollen der
Woblthätigkeit, der Versöhnlichkeit deS Kaisers, sowie dessen un-
ermüdlichen Ausdauer in der Ertragung der mit sehr erheb-
lichen körperlichen Anstrengungen verbundenen Reise durch die
unwirklichsten Theile deS Landes die gebührende Anerkennung.
Gelegentlich deS kurzen Aufenthalts den der Kaiser in Graz
nahm, sprach sich derselbe mißbilligend über die bekannten Ex-
zeffe gegen Don Alsonso aus. —
Die amtliche „Wiener Zeitung" veröffentlicht ein kaiserliches
Handschreiben betreffend die Ernennung Chlumetzky'S zum Han-
delSminister!, öeS Grafen v. Mänsfeld zum Ackerbauminister
und die Enthebung BanhanS'. Letzterer scheidet auf eigenes
Ersuchen aus Gesundheitsrücksichten aus seiner Stellung unter
voller kaiserlicher Anerkennung seiner treuen, vorzüglichen
Dienste. Er tritt in den zeitlichen Ruhestand unter Vorbehalt
seiner Wiederverwendung .im Dienste.
England. In England hielt letzter Zeit die sog. Frie-
denSgeseUschaf: ihre Jahresversammlung und faßte wieder seha
schöne und unbestreitbare Beschlüsse, die jedoch schwerlich stark
genug sein werden, um eS mit der herrschenden Kriegöbarbarei
aufzunehmen. ES wurde unter Anderem folgende Resolution
beantragt:
„Daß, nach der Ansicht ^dieser Versammlung, die ungeheu-
ren Rüstungen, mit welchen die Regierungen Europa'S die
Nationen unterdrücken, ein Frevel an der Vernunft und ein
Skandal für die Civilisation; daß sie, weit entfernt eine Si
cherheit für den Frieden zu sein, beständige Herausforderungen
zum Kriege sind."
Wer kann das läugnen, aber wer kann eö ändern?
Frankreich. Die „AmtSzeitung" zeigt an daß die Be-
vollmächtigen von 17 Staaten, darunter Deutschland, gestern
die internationale Convention, betreffend die Feststellung deS
Metermaßes, unterzeichnet haben. Den übrigen Regierungen
ist der spätere Beitritt speeiell vorbehalten.
. Spanien. Am l3. Mai haben öie Carlisten die Beschie-
ßung Guetaria's begonnen. Ihre Artillerie besteht , aus 3
Mörsern und 8 anderen Geschützen. DaS Feuer richtete in
Guetaria ziemlich große Verwüstungen an; doch gelang eS
ihnen nicht daS Thor mittelst Dynamit zu sprengen. Das
Fort San Antonio leistete kräftigen Widerstand, und die Kriegs-
schiffe „Consuelo", „Asrica" und „Segura" griffen von der
Bay von Zarauz nachhaltig in die Vertheidigung ein. Der
„Consuelo" wurde von einer Haubitze getroffen und mußte
nach Sun Sebastian zurückkehren. Auf die Stadt sind 300
Bomben und 800 Granaten geschleudert worden, welche zwei
FeuerSbrünste veranlassten, deren man jedoch bald Herr wurde.
Die Garnison von Guetari.i ist verstärkt und ihre Artillerie
vermehrt worden. Wie Madrider Telegramme melden, Hab*«
die Carlisten bei diesem Angriff starke Verluste erlitten, die
Verteidiger nur geringe — Die „Gacetta" meldet daß^ der
General Montenegro die carlistifche Patronen und Kanonen
fabrik von Villahermosa in der Provinz Valencia zerstört hat.
Rußland. Nachfolgender öffentlicher Erlaß deS russisch.
ZustizministerS beweist, daß auch in Rußland die sozialistische
Bewegung bedeutend Wurzeln gefaßt hat. ES heißt in die-
fem Erlasse u. a. :
„In den verschiedensten Gegenden des russischen Reiches
ist die verbrecherische Propaganda hervorgetreten welche Reli
gion, Moral und Eigentumsrecht bedroht. Die Socialisten u.
Communisten werden mit der ganzen Strenge deS Gesetzes be
straft, und die Justizbehörden erfüllen ihre Pflicht indem sie
gegen diejenigen welche den Staat und die Gesellschaft bedro-
hen mit ganzer Entschiedenheit auftreten Aber daS in Rede
stehende Nebel hat so tiefe Wurzel geschlagen daß die gerichl-
liche Verfolgung allein ihm nicht zu steuern vermag, da die
verderblichen Theorien niemand finden der sie als Verbrechen
und Frevel brandmarkte. Im Gegentheil gibt eS sogar Per-
sonen deren offizieller Charakter und soziale Stellung sie von
kommunistischen und revolutionären Wühlereien fernhalten sollte,
die aber dennoch den Vorgängen im Lande nicht nur gleich-
gültig zusehen, sondern sogar keck genug sind die Regierung
wegen ihres Vorgehens gegen Die immer weitere Verbreitung
gewinnende verderbliche Propaganda zu taveln Es ist daher
nothwendig, daß, solange eS Zeit ist, alle gutgesinnten sozialen
Elemente mit vereinten Kräften nicht nur die den Schutz der
Gesammlheit und der öffentlichen Sicherheit bezweckenden Be-
strebungen der Behörden unterstützen, sondern auch im Privat-
verkehr dem Einfluß und der Verbreitung der verbrecherischen
Theorien entgegenwirken."
Verschiedenes.
* Nein, waS zu arg ist, ist zu arg — rief N., Abgeord
neter bei dem Landtag eines der kleineren thüringischen Staa-
ten und Mitglied deS Finanzausschusses, voll „sittlicher Ent-
rüstung" einem seiner Kollegen, der ihn besuchte, zu — waS
zu arg ist, ist zu arg! Heute bin ich bei der Prüfung deS
EtatS einem jahrelangen großartigen Betrug unserer StaatS-
regierung auf die Spur gekommen Denken Sie sich nur,
sechzigtausend Thaler sind, als für Orgelbälge verausgabt,
aufgeführt. , Unverschämt — in einem Ländchen von neunzehn
Quadl atmeilen sechzigtausend Thaler für Orgelbälge — man
kennt das — wahrscheinlich für die Balge der Minister. —
Sie irren stch gewiß, Herr Kollege, sagte der andere, das ist
ja nicht möglich. — Nicht möglich, eiferte Herr N.; da sehen
Sie selbst, da liegen die StaatSrechnungen; hier tausend Tha-
ter. Darauf erwiderte jener ruhig: Aber bester Kollege, da
steht ja keine Silbe von Orgelbälgen, daS heißt ja — Origi
nalbelege.
* Als neulich bei einem um diese Jahreszeit? ungewöhn-
lichen Gewitter der.Blitz in den Kirchthurm zu Hortenstein ge-
fahren war, wurde Tagö darauf ein Schulknabe von dem
Lehrer gefragt: „Kannst du wir wohl sagen, woher die Ge-
witter eigentlich kommen?" worauf derselbe antwortete: „Die