DaS Briefchen lag vor. Es war auf hellrotheS Papier
in zierlichem Format geschrieben und enthielt die Einladung
zu einem verliebten Stelldichein, in allgemeinen Ausdrücken
abgefaßt und ohne Unterschrift. Als der Ort des Stelldich-
eins war eben jene Bank bezeichnet, wo man den Leichnam
gefunden hatte.
Der dunkle Zusammenhang deS Verbrechens ward mit dem
Vorlesen dieses Briefchens lichter. Man sah klar, hier war
mit teuflischer List und Schlauheit zu Werke gegangen} der
oder die Verbrecher hatten die schwachen Seiten ihres leichtfer
tigen Opfers gekannt u. gut benutzt, indem sie ihn mit diesem
Briefchen zu dem Orte seines Todes hingelockt.
Der Präsident rief einen neuen Zeugen auf. ES war ein
Knabe. Er sagte auS, an jenem Abende (er erinnerte sich dessen
genau, weil am Morgen darauf die Geschichte der Ermordung
in aller Leute Munde war) habe ein Herr ihm ein Stück Geld
gegeben u. ihm aufgetragen, einem, andern Herrn, den er ihm
zeigen würde, ein rotheS Briefchen zu geben. Darauf habe er
sich mit dem Unbekannten unter einen Baum, unfern der Thüre
deS Spielsaals gestellt und dort hätten sie gewartet. Endlich
sei ein Herr aus dem Spielsaale getreten — als es schon ganz
dunkel gewesen — der Unbekannte habe ihm zugeflüstert: „der
ist'S!" Er, der Knabe, hätte dem Herrn dann daS Briefchen
gegeben, worauf sich dieser dem Fenster deS erleuchteten Spiel-
saals genähert und da das Briefchen gelesen habe. Er, der
Knabe/habe sich dann nach dem Unbekannten umgesehen, allein
dieser sei verschwunden gewesen, und er sei auch davon gelau-
fen. Wo der Herr hingegangen sei, dem er daS Briefchen ge-
geben, wußte der Knabe nicht. Doch meinte er, der Herr müsse
nach dem Park gegangen fein, denn er habe auf dem Wege
nach Hause hinter sich Niemanden kommen hören.
Der Präsident forderte den Knaben auf, die beiden Ange-
klagten anzusehen u. zu sagen, ob er in einem von ihnen den
Unbekannten wieder erkenne, der ihn mit Abgabe deS BriefchenS
beauftragt habe. Der Knabe prüfte beide — erklärte dann, so
etwa wie die beiden Angeklagten habe der Unbekannte auSge-
sehen, allein er könne nichts Bestimmtes sagen.
Die Angeklagten waren beide junge Männer von oberfläch-
licher Aehnlichkeit in Gestalt und Haltung.
Der Präsident rief jetzt einige Sachverständige auf, um die
Handschrift des Briefchens zu prüfen. Sie erklärten, diese
Handschrift sei eine absichtlich verstellte, man erkenne deutlich
daS Bemühen, die Eigenthümlichkeiten einer weiblichen Hand-
schrift nachzuahmen, doch sei ste für eine solche nicht zu hal-
ten. Darauf wurden den Sachverständigen Schriftproben der
beiden Angeklagten vorgelegt und sie aufgefordert, diese mit
dem Briefchen zu vergleichen, ob sich eine Aehnlichkeit heraus-
stellte. Die Sachverständigen erklärten die Handschrift Theo-
baldS für eine 'Unleserliche, wie ste Gelehrte häufig zu haben
pflegten, dagegen die FriedhelmS für eine gewandte, auSgebil-
dete. Ein bestimmtes Urtheil ob einer der Beklagten daS
Briefchen geschrieben habe, wagten sie auS der Vergleichung
der Handschriften nicht zu fällen.
AlS letzter Belastungszeuge trat der Wirth auf, dem die
Pistole gehörte. Dr erkannte die auf dem Tische liegende
Waffe für die seinige an und erklärte, daß die Angabe Theo-
baldS, wie er zu der Pistole gekommen fei, wohl wahr sein
könne.
ES ward jetzt zur Vernehmung von Schutzzeugen geschritten.
Friedhelm hatte zu tiefem Zwecke mehrere laden lassen, welche
bekunden sollten, daß sie ihn mit dem Ermordeten hätten Ecart6
spielen sehen. Eine bestimmte Aussage war von .diesen Zeu-
gen nicht zu erlangen. Sie erinnerten sich wohl, den Beklag-
ten hier und da gesehen zu haben, einige wollten ihn auch
Ecarts haben spielen sehen und bestritten die Möglichkeit nicht,
daß er mit dem Engländer gespielt habe, allein ein unbeding
tes Zeugnis* # daß Friedhelm an dem verhängnißvollen Tage
von ihnen gesehen worden sei, legten sie nicht ah.
Theobald hatte Anfangs keine Schutzzeugen laden lassen,
indessen wider seinen Willen ^war von seinem Bertheidiger der
Kaufmann, für welchen Theobald hauptsächlich jene Erbtheil-
ungSangelegenbeit betrieben, veranlaßt worden, als Schutzzeuge
aufzutreten. Allein dieser konnte nur ein LeumundSzeugniß
abgeben und er bekundete, daß er Theobald als einen streng
rechtlichen Mann kenne, den er jedes Verbrechens für. unfähig
halte, ja daß er ihm selbst daS Vergehen WS Spiels nicht so
hoch anrechnen würde, um ihm sein Vertrauen ganz zu ent-
ziehen.
DaS Zeugenverhör war damit zu Ende. Der StaatSan-
walt begann seinen Vortrag. Nach einer allgemeinen Einlei-
tung über daS Entsetzliche deS Verbrechens suchte er die Schuld
der Angeklagten zu beweisen. Friedhelm sei ein Spieler von
Profession, was niemals ;alS ein Zeichen besonders sittlichen
Charakters angesehen werben könne. Theobald solle zwar frü-
her ein unbescholtener Mensch gewesen sein, allein nach seinem
eigenen Geständniß habe er mit ihm anvertrautem Gelde ge-
spielt und verloren, und die Erfahrung lehre, daß der auf der
Bahn deS Verbrechens furchtbar schnell fortschreite, der den
ersten Schritt einmal gethan.
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler.
Kornpretse vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 7. Mai.
Der halbe Metzen
beste
mittlere
geringe
%
kr.
st
kr.
st.
kr.
Korn
3
40
1 3
15
3
05
Roggen . . . . j
2
80
2
60
2
50
Gerste .....
2
70
2
50
2
30
Türken ....
2
80
2
50
2
20
Hafer
1
70
1
60
1
50
Thermometerstand nach Reaumur in Vaduz.
Monat
Morgens
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witterung.
Mai 5.
+10%
+*2%
+ 8'/2
trüb; Reg.
„ 6.
+ 6%
+15%
+15
hell
„ 7.
—|—10
+19
+ 11%
trüb; Reg.
„ 8.
+ 9y 4
+17 %
+ 14
fast trüb
H 9.
+ 9
+ 19
+ I8V2
hell
„ 10.
+10
+22%
+16%
fast hell,Ncht.Rg.
„ 11.
+10
+13
+13%
halb hell.
Telegrafischer Kursbericht von Wien.
12. Mai Silber 102.90
20-Frankenstücke . . 8 91 ^
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.