sondern Tisch liegende kaiserliche Siegel, um dann in die Pro-
vinzen geschickt und überall mit unterwürfigster Ehrerbietung
empfangen zu werden. Musiker und Weihrauchträger stehen zur
Hand Wenn alles fertig ist, dann führt (oder da dießmal der
Kaiser ein dreijähriges Büblein ist, trägt) der Vorsteher des
CeremonienamteS den Kaiser auS seinen Privatgemächern (dieß-
mal vielleicht der Wiege) zu einer "goldenen Carrosse, und in
dieser fährt er, begleitet von einer Leibgarde-EScorte mit Ban-
nern, Standarten u. s. w., darunter besonders dem kaiserlich
gelben Drachenregenschirm, zum Thronsaal. Dort kündigt der
Chef des astrologischen AmteS an: der günstige Moment für
die Besteigung deS ThronS deS „Reiches großer Reinheit" sei
gekommen. Hierauf besteigt der Kaiser den Thron und nimmt
seinen Platz mit dem Gesicht südwärts ein. Weihrauch wird
nun verbrannt, Musik ertönt, jedermann verbeugt sich und ver-
richtet den Kau-Tau, d. h. schlägt neunmal zum Zeichen der
Huldigung mit der Stirne gegen den Boden, und der Sohn
des Himmels u. Viceregent über alles unter dem Himmel ist
fertig. Die Proklamation wird gesiegelt und fallen unter dem
Himmel," d. h. allen in China, bekannt gemacht Auch der
Himmel wird wie von allen wichtigen Ereignissen so auch von
der Thronbesteigung in Kenntniß gesetzt. Wie das geschieht, ob
die Chinesen, die ja alles erfunden haben sollen, schon Com-
municationSmittel mit dem Himmel erfunden haben, ist unbe-
kannt Genug, im großen Tempel deS Himmels wird Gott
durch Opfer und Weihrauch von dem Vorgang in Kenntniß
gesetzt. Auch die Ahnen deS Kaisers werden von dem freudigen
Familienerngniß benachrichtigt durch eine Ceremonie im kaiser-
lichen Ahnentempel, wie im Erdentempel die Erde, d. h die
wirkliche Erde, nicht die Erdenbewohner, durch eine andere Ce-
remonie Mittheilung erhält. Wie der Kaiser heißen wird, ist
noch nicht bekannt. Bei der Thronbesteigung nimmt nämlich
der neugeborne Sohn deS Himmels einen neuen Namen an,
den er in der Geschichte den StaatSdokum.enten u. s. w. führt
Der junge Kaiser, der heute den Drachenthron besteigt, ist der
neunte Herrscher auS der Mantschu-Dynaftie, die seit dem I.
1644, d h. seit dem Aussterben der MingS, das Reich der
Mitte regieren.
* Ein Thierquäler erfuhr dieser Tage in Uerdingen eine
harte Strafe. Dort hatte nämlich ein Fuhrmann fein Pferd
in unbarmherzigster Weise geprügelt Kaum war dasselbe
ausgeschirrt, als es wüthend auf seinen Führer zusprang, ihn
packte, zur Erde warf, wieder aufhob und eine Strecke weit
fortschleppte, sich sodann mit den Knien auf denselben setzte
und ihn zerbiß. Nur mit größter Mühe gelang eS den Her
beieilenden, den Mann dem wüthenden Thier zu entreißen.
Er hatte mehrfache Verwundungen im Gesicht, sein Arm aber
mußte amputirt werden.
* Praktisch. In Venezuela wollte man die Statue des
Präsidenten aufrichten. Da man dort häufig mit dem Präsi-
denten der Republik wechselt, verfiel man auf ein praktisches
Auskunftsmittel und setzte dem Standbilde einen Kopf auf,
der abzuschrauben ist So oft ein neuer Präsident an die
Reihe kommt, fällt der Kopf deS alten und wird der des
frischgewählten aufgesetzt; Uniform und Jnstgnien bleiben die
nämlichen.
* Ein alter Mann in Ueberlingen bewohnte sein HäuS-
chen allein mit seiner Lieblmgskatze. Als er neulich zwei
Tage lang nicht zum Vorschein kam, öffneten die besorgten
Nachbarn seine Stube und fanden ihn todt, wahrscheinlich
vom Schlage gerührt. DaS Entsetzlichste war aber, daß seine
Kaye auf seinem Kopfe saß und ihrem Herrn das halbe Ge
sicht weggefressen hatte. DaS hätte ein Hund nicht gethan.
* Einen auffälligen Beweis von Besorgniß für das Leben
seiner Mitmenschen gab dieser Tage ein Selbstmörder in Wien.
Derselbe ließ sich in einem dortigen Lokale ein GlaS Wein
geben. Nachdem er dasselbe ausgetrunken, rief er den Wirth
zu stch und sägte ihm, indem er ihm das leere GlaS hinreichte:
„Waschen Sie eS gefälligst aus, damit kein Unglück geschieht,
eS war Eyankali darin, ich habe mich vergiftet." Nach diesen
Worten erhob sich der Fremde und eilte auf die Straße; doch
bereits nach wenigen Schritten sank er zu Boden und starb
sofort.
* Amerika. Ein entsetzliches Unglück wird aus diesem
Lande gemeldet. Die ungeheure Seebrücke über den See Ro-
land, etwa 6 Meilen von Boston, brach plötzlich unter der
Last zweier Schnellzüge zusammen. Alles versank in den Ab-
grund. Mehrere hundert ^Ellen weit hörte man einen unet-
meßlichen TodeSschrei von den Passagieren der Züge, dann
; schlugen wieder die Wellen über das Bild, und Tovtenftille
herrschte an der Stätte, als ob nichts geschehen wäre. Die
Zahl der Opfer muß sehr groß sein, da beide Züge von Rei-
senden vollgestopft waren.
Volkswirthschastliches.
Die Futternoth
(Nach einer Abhandlung von Fr. Römer.)
ES erscheint unS überflüssig, dem Landwirthe die Nach-
theile vor Augen zu legen, welche, der jetzt herrschende Futter-
mangel seiner Kasse und Wirtschaft sowohl in der Gegen-
wart als auch für die nächste Zukunft bringt; sie sind ihm
zu gut bekannt, um nicht annehmen zu dürfen, daß Jeder von
selbst alles thut, was er zur Abwendung oder Milderung vor-
zukehren weiß. Da indessen auch die Presse eine allerwärtö
lebhaft besprochene landwirthschaftliche Tagesfrage nicht igno«
riren kann, so mögen nachfolgende Winke hier Entschuldigung
finden und vielleicht manchem Leser nicht unerwünscht kommen.
DaS, waS der Landwirth in gegenwärtiger Lage zu tbun
hat, nimmt seine Thätlgkeit in vielfacher Richtung in Anspruch:
er muß die Futterernte nach Kräften zu erhöhen suchen; am
gewonnenen Futter Ersparnisse möglich machen ; den Übeln
Nachwirkungen der. Futternoth zu begegnen trachten; endlich
wird er stch mit Nutzen die Frage vorlegen, ob eS Mittel
für ihn gebe, künftig den Folgen einer ähnlichen Futternoth
so viel möglich zu begegnen.
A. Maßregeln zur Erhöhung der Futtererndte
I. In erster Linie ist der Anbau mancher Stoppelgewächse
zu empfehlen, die sonst — wenn anderes Futter in ausreichen-
der Menge vorhanden ist — an vielen Orten unbeachtet
bleiben.
Diese Stoppel-Futtergewächse müssen stch selbstverständlich
nach den Verhältnissen deS Bodens und des KlimaS richten,
und wenn man hiernach eine Reihe von Gewächsen bezeichnet,
welche durch ihren Anbau sich zur Futtervermehrung eignen,
so ist man natürlich nicht der Ansicht, daß sich jedes für Me
Oertlichkeit eignet, sondern vielmehr der Meinung, daß davon jeder
Landwirth daS für seine Verhältnisse passende selbst auswählen'
müsse.
1. Die Weißrübe. (Wasserrübe, Räbe, Stoppelrübe).
Diese Pflanze verdient vor allen andern den Vorzug unter
den für ste geeigneten Verhältnissen. Geeignet für ihren An-
bau ist ein leichterer, frischer (nicht zu trockener) Boden, ein
etwas besseres Klima, in welchem die Erndte der Vorfrüchte
früh eintritt, und wo möglich ein in guter Kraft stehendes
Land.
Wo diese Rübe längst zu Hause ist, kennt man natür-
lich auch die Bedingungen ihres Anbaus. Da aber anzuneh-
men, daß sie an manchen Orten noch nicht gebaut wird, wo die Ver-
Hältnisse für sie gleichwohl günstig sind, so f-i für solche Orte hier
bemerkt, daß man die Räbe gewöhnlich breitwürfig, zweckmä
ßiger aber auf flache Kämme, säet. Man bedarf dazu per
Juchart nur 1, höchstens 1 */ 2 Schoppen Samen Unerläßlich
für das Gedeihen der Saat ist, daß man den Acker unmittel-
bar nach der Entfernung des Getreides nicht tief, die Furchen