t>i< ernstesten Besorgnisse. Die KrisiS de< JahreS 1873 war
leider keine vorübergehende EpekulationS- oder KreditkrisiS wo-
für sie die Regierung beim Beginn derselben gehalten zu haben
scheint. Gleich einer schleichenden Krankheit greift sie immer
weiter um sich. Nicht nur die großen Unternehmungen auf
dem Gebiete deS Handels und der Industrie, auch daS Klein-
gewerbe und die Landwirtschaft sind von einem Siechthum
bedroht, welches bei längerer Untätigkeit unheilbar werden
könnte. Die Ausbeutung der produktiven Arbeit im allgemei-
nen, insbesondere aber jener deS LanowirtheS und deS kleinen
GewerbSmanneS, durch einen von allen Schranken befreiten
Wucher bilvet den Gegenstand vielfältiger, leider bis jetzt er-
folgloser Klagen. Die bisherigen Maßregeln und das Verhal-
ten der Regierung gegenüber diesen Zuständen verschaffen unS
leider nicht die Beruhigung, daß dieselbe nach festen Prinzipien
und nach einem wohldurchdachten Plane vorgeht, um die wirth-
schaftliche Kraft der Bevölkerung zu stärken und ver herein-
brechenden allgemeinen Verarmung, soweit dieß durch staatliche
Maßregeln möglich ist, einen Damm entgegenzusetzen. Nament-
lich ist eS unS unmöglich in der auf Antrag der Regierung
beschlossenen Maßregel der staatlichen AuShilfSkassen, sowie in
den von der Regierung gegebenen Andeutungen über ihre künf
tige Eisenbahnpolitik, ein Anzeichen zu erblicken, daß die Re-
gierung sicher in der Wahl der zu ergreifenden Mittel mit Fe-
fiigkeit und Ausdauer dem erwünschten Ziele entgegengeht. ES
tntt nun abcrmalS ein weiterer, für die wirtschaftliche Ent
wicklung deS gesammten Reiches hochwichtiger, Moment durch
den in nächster Zukunft bevorstehenden Ablauf des mit Ungarn
bestehenden Zoll- und Han»elSbündnisseS, sowie der mit vem
Ausland abgeschlossenen Zoll- und Handelsverträge ein, und
es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die hierbei von der
Regierung eingenommene Haltung für eine lange Reihe von
Jahren über unsere wirtschaftliche Zukunft entscheiden wird.
Nicht nur der Handel und die Industrie, sondern auch das
Kleingewerbe und die Landwirthschaft verlangen dringend Auf-
klärung und Beruhigung über die Intentionen der Regierung
in dieser wichtigen Angelegenheit. Die Gefertigten erlauben
stch daher die Frage zu stellen: Ist die Regierung geneigt die
Grundzüge deS die Förderung der Volkswirtschaft bezwecken
den und inSbessndere die künftig zu beobachtende Zoll- und
Handelspolitik feststellenden PlanS ihrer Aktion dem Reichs-
rath ehestens mitzuteilen ?"
Bezüglich der seit jüngerer Zeit in den Zeitungen aufge-
tauchten Kriegsbefürchtungen, welche die neuerliche Haltung
Rußlands gegenüber der Türkei hervorgerufen hat, schreibt
die „Wiener Abendpost":
„Aus gänzlicher Unkenntrn'ß der Verhältnisse, hie und da
vielleicht in der Absicht einer Störung des Einvernehmens der
drei Mächte oder gar in der Tendenz die Börsenkurse zu drü-
cken, werden eine Audienz, welche der russische Botschafter in
Konstantinopd bei dem Sultan gehabt, ein Besuch den er vem
Großwessier gemacht/ zur Bedeutung von Ereignissen hinaufge-
schraubt, welche für den europäischen Frieden bedrohliche Aus,
sichten eröffnen sollen " Dem gegenüber erklärt Die „Wiener
Abendpost" auf Grund verläßlicher Kenntniß der Sachlage;
„daß seit Beginn der Aktion in Bezug auf den Orient Ruß-
land ebensowenig wie Oesterreich-Ungarn oder Deutschland,
Jgnatieff ebensowenig wie GrafZichy oder Frhr. v. Werther,
sei eS beim Sultan oder beim Großwessier, einen Schritt ge-
than haben, welcher nicht den gemeinsam festgestellten Jnstruk-
tionen entsprochen und auch die Zustimmung und Unterstützung
der andern Kabinete gefunden hätte."
Frankreich. Die französische Nationalversammlung hat
sich nach langer Debatte hinsichtlich deS neuen WahlmoduS mtt
einer Mehrheit von 31 Stimmen für die Wahlen nach Arron-
dissementS entschieden. Die republikanische Partei, welche die
Listenwahl anstrebte, hat somit eine bedeutende Niederlage er
litten. Die ,TimeS" äußert sich hierüber ganz richtig: »Wen«
es vergeblich für die Linken wäre die Bedeutung ihrer Nieder-
läge verbergen zu wollen, so mögen sie doch erwägen, daß es
überraschend gewesen wäre, wenn die jetzige Nationalversamm-
lung ein Votum abgegeben hätte, welches das Land alS der
Republik günstig hätte halten müssen Wir unsrerseits wieder-
holen die Ueberzeugung, daß das System der Wahlabstimmung
am Ende keinen großen Unterschied macht. Wünscht die Nation
aufrichtig die Republik zu gründen, so wird sie sich durch die
Schranken der ArrondissementSwahl nicht daran hindern lassen,
und die Erringung eines republikanischen Wahlsiegs gerade auf
dem von der royalistischen Partei gewählten Boden würbe daS
entscheidendste aller Resultate sein. Zst aber daS Land gleich-
gültig gegenüber der Regierungsform, fo kann es auch durch
das Listenverfahren nicht zu einer entschiedenen Erklärung ge-
trieben werden."
England« Der englische Thronfolger, der wie bekannt
vor einiger Zeit die Reise nach Ostindien angetreten hat, ist
am 8. Nov. in Bombay angekommen.
Um 8 Uhr Morgens verkündete der erste Kanonenschuß den
Bewohnern der Stadt, daß der „SerapiS" in Sicht gekom-
men sei, um 9 Uhr ^fuhr er unter dem Donner der Geschütze
durch die Doppelreihe der im Hafen vor Anker liegenden Schiffe
des fliegenden Geschwaders und ankerte nahe am Ladungsplatze
im Bassin. Nun machte stch ganz Bombay auf die Beine um
stch für den Einzug in Position zu stellen. Lange vor Mittag,
so berichten unS spaltenlange Telegramme der englischen Blät-
ter, drängte sich eine wogende Menge in den Straßen, die
Fahnen flatterten längst schon luftig im Winde, die Häuser
waren festlich geziert und da ws der Zug vorbeikommen mußte,
die Fenster von Schaulustigen besetzt. Die Civil- und Mili-
tärbehörden, eine Anzahl von Damen, die einheimischen Fürsten
und Großen, im Ganzen etwa 700 Personen, erwarteten in-
nerhalb der Werfte die Landung des Prinzen. Die indischen
Großen trugen ihre StaatSgewänder und reichen Schmuck
von Gold und kostbaren Edelsteinen. Der junge Gaikwar von
Baroda war förmlich mit Diamanten bedeckt. Um 3 Uhr
Nachmittags begab sich der Vizekönig und nach ihm der Gou-
verneur von Bombay mit einigen andern hochgestellten Beam-
ten an Bord des „ SerapiS." Alle, mit Ausnahme des
VizekönigS, kehrten ans Land zurück, nachdem sie dem Prin-
zen vorgestellt worden waren. Um 4 erneute stch der Lärm
der Kanonen. Der Prinz von Wales u. der Vizekönig verließen
den „SerapiS" und bestiegen die SrnatSbarke. Einen Augenblick
war diese vom Pulverdampf umhüllt, für die Wartenden un-
sichtbar, im nächsten legte sie am Landungsplätze an, und un
ter dem Zuruf der Versammlung der fast die Kanonen über-
tönte, stieg der Prinz ans Land. Er trug die volle Feldmar-
schallsuniform mit der Halskette deS Hosenbandordens, dem
großen Bande und Ordenszeichen, den Stern von Indien und
den schützenden Sonnenhelm mit Feder. Die EmpfangSzere-
msnien dauerten nicht allzulange. Eine etwas weitläufige
Adresse deS Stadtrates , vom Präsidenten desselben verlesen,
wurde vom Pynzen kürzer beantwortet. Der Vieekönig stellte
ihm hierauf einige der indischen Großen vor, darunter auch den
jugendlichen Gaikwar von Baroda. Der Prinz, der Vizekönig
und der General Probyn bestiegen sodann den bereitstehendem
Wagen und fuhren, gefolgt von den glänzenden, wenn auch
etwas grotesken StaatSkarossen der einheimischen Fürsten, und
begleitet von einer Eskorte der vizeköniglichen Leibwache durch
die Straße» der S.adt zum RegierungSgebäude. Der Prinz
wurde auf dem ganzen Wege von einer buntgemischten Volks-
masse mit einer Begeisterung begrüßt, über die selbst die engli
sche Blätter, die doch viel erwarteten, höchlich verwundert sind.
Türkei. Die Nachrichten vom Schauplatz des Aufstanvs flie
ßen sehr spärlich, wahrscheinlich weil das rauhe in den Bergen
Bosnien» u. der Herzegowina doppelt empfindliche Klima jeder