fyätte er auch an etwas anderes denken können, wenn, so zu
sagen, jeder Tag einen blutigen Konflikt zwischen Deutschen und
Franzosen mit sich brachte? Diese Auslösung erforderte Milli
arden; er habe ihrer 6 verlangt und man habe ihm dafür 40
geboten. Die Ruhe deren sich das Land erfreute, habe damals
ganz Europa bezaubert und Frankreich die Achtung und daS
Vertrauen des Auslandes wieder errungen. Als daS große
VefreiungSwerk vollbracht war, habe sich die Notwendigkeit
nahe gelegt ein dauerndes RegierungSsystem zu gründen. ES
sei ihm, dem Redner, nie beigefallen eme Nation die seit zwölf
Jahrhunderten in ihren Grundformen besteht, als sein per
sönliches Eigenthum zu behandeln, wie ihm seine Feinde nach-
gesagt; vielmehr habe er nur die Situation dargelegt wie sie
war und die ihm geeignet scheinenden Vorschlüge für die neue
Verfassung gemacht. Da habe sich am 24. Mai die Natio
nalversammlung von ihm losgesagt. Er habe die RegierungS-
Gewalt ohne auch nur eine Minute zu verlieren und ohne Be-
dauern seinem Nachfolger übergeben. Vielleicht sei eS für die
Republik nöthig und gut gewesen die Probe zu bestehen, daß
sie auch von den Männern vom 24. Mai nicht zu Grunde ge-
richtet werden konnte. Als man daran ging die Monarchie
Wiederherzustellen, entbrannte sogleich der Streit zwischen den
Anhängern der verschiedenen Dynastien und schließlich mußte
sich die Mehrheit selber für die Republik erklären. Diese Re-
publik vom 25. Februar gilt eS jetzt durchzuführen und zu be
festigen. Dazu muß Frankreich mannhaft und besonnen auf-
treten, die Parteien müssen nicht die Schwierigkeiten durch ihre
Spaltungen noch vermehren, da sonst daS ChaoS droht und
größeres Unglück als alles das, welches man schon bisher er-
fahren. Von den Radikalen sagt der Redner: man male sie
schwärzer alS sie wirklich sind; wenn sie ans Ruder ge-
langten, würde ihr Verhalten vielleicht ein ganz anderes sein
alS man von ihnen erwartet; auf der andern Seite müsse die
Verwaltung die bisherigen Geleise verlassen und von den Beam-
ten gereinigt werden, welche »och immer der Republik ihre
Achtung versagen; die Bevölkerungen pflegten von ihnen in
allen Dingen den Anstoß zu empfangen, und sie müßten
daher im Augenblick der allgemeinen Wahlen wissen,
mit was für einer Regierung sie eS zu thun haben. Der öf-
fentliche Unterricht müsse ein moderner und aufgeklärter sein.
An die wirtschaftliche Politik des Landes dürften demnächst
mit dem Ablauf der Handelsverträge wichtige Reformfragen
herantreten. Im allgemeinen, schließt der Redner, müsse die
Politik Frankreichs in Zukunft die der Nichtintervention sein
Die republikanische StaatSform werde Frankreich durchaus
nicht ifoliren; Europa sei in dieser Hinsicht schon von vielen
Vorurtheilen zurückgekommen; seine Sympathien seien für
Frankreich gewonnen, solange dasselbe vernünftig, friedfertig
regiert werde und sich nicht wie ehedem beständig in fremde
Angelegenheiten einmische. AuS diesem Grund habe noch die
Revolution von 1830 ganz Europa mit Mißtrauen und Kriegs-
besorgnissen erfüllt; aber jetzt sei dieß anders geworden, Frank-
reich brauche und wünsche den Frieden und begegne sich mit
allen anderen Staaten in dem Bedürfnisse ruhiger Reformen.
Die Schutz- und Trutzbündnisse von ehedem hätten daher in
heutiger Zeit gar keinen Sinn mehr. Er selbst, der Redner,
habe einen Theil seines Lebens der Verherrlichung des Kriegs-
ruhms gewidmet; aber dieser Ruhm sei kein bleibender und
glücklicher sei daS Loos derer, denen eS gelingt ihr Vaterland
im Frieden mit freiheitlichen und dauerhaften StaatSeinrichtun-
gen auszustatten. So hoffe er denn, daß die bevorstehenden
Wahlen eine verfassungstreue Mehrheit ergeben werden, der eö
beschieden sein werde die Republik nach innen und nach außen
zu befestigen."
Serbien. Die Trauung des Fürsten Milan hat am 17.
Okt. Nachmittags stattgefunden. An die Trauungsfeierlichkeit
schloß sich die Cour zur Entgegennahme der Gratulationen.
Sämmtliche fremdländische Vertreter erschienen bei derselben.—
Wie das , Amtsblatt" meldet, brachte Fürst Milan bei dem
der Hochzeitsfeierlichkeit folgenden Diner einen Toast auf den
Kaiser von Rußland aus, in welchem er des Wohlwollens
gedachte, welches der Kaiser wie seine Vorgänger für daS
Haus Obrenowitsch gehegt hätten. Der Generaladjutani deS
Kaisers von Rußland, Graf Sumarokow, gab darauf in sei-
ner Antwort den Gesinnungen der Freundschaft und des Wohl
wollens des Kaisers für den Fürsten Milan Ausdruck.
Verschiedenes.
* In Berlin ist am 10. dS. ein kaum erst fertig herge-
stellteS großes Hotel ersten Ranges , der „Kaiferhof", durch
Feuer zerstört worden. Ueber den Verlauf des Brandes ver
nimmt man Folgendes: Der „Kaiferhof" war zum erstenmale
vollständig besetzt, als gegen halb 10 Uhr Abends Feuer auS-
brach. Es dauerte nicht lange, so kam die Feuerwehr mit ihren
Apparaten sowie auch mit ihrer Dampfspritze zur Stelle, fand
aber vas Gebäude schon an allen vier Ecken in Flammen ste-
hend. DaS Zinkgeländer, die schönen Vasen, die Kaiserkrone,
die Fahne stürzten mit donnerndem Gekrache auf die Straße
herab, die beim Wachsen der Gefahr vollständig geräumt und
gegen zwei Uhr durch einen Militär«Cordon abgesperrt wurde.
Die Leitung der Löschanstalten übernahm zuerst der Ärand-Di-
rektor Geh.«Rath Scabell, der eben so wie der Prinz Hassun
aus Aegypten im Kaiserhof Wohnung genommen hatte. Letz-
terer bezahlt 6000 Thaler Miethe. Die im Parterregeschoß deS
Hotels befindliche Postexpedition bewerkstelligte ihren Auszug.
Möbel und Gerätschaften der noch unberührten untern Stock-
werke wurden durch Militärmannschast in den bereitwillig zur
Verfügung gestellten Garten deS Palais deS Prinzen Carl tranS-
portirt. Die mit Seide überzogenen kostbaren Betten wurden
beim Werfen aus den Fenstern von dem durch die FeuerSglut
aufgelösten herablriefenden Zink ein Raub der Flammen, wo-
rauf von Seite der Feuerwehr der Befehl erging, mit dieser
Art von Rettung der Mobilien aufzuhören. Glücklicherweise
steht der Kaiserhof von allen Seiten frei und es gelang, die
Dreifaltigkeitskirche und die übrigen nahestehenden Gebäude vor
dem Feuer zu schützen. Einen lmposanten Anblick bot die De-
ckung deS hölzernen Thurmes der Dreifaltigkeitskirche durch die
Feuerwehr. Menschenleben sind nicht verloren gegangen, doch
sind 8 Mann von der Feuerwehr leicht beschädigt ins Kran-
kenhauS gebracht worden. DaS Gebäude kostete 10 Millionen
Mark. Versichert ist dasselbe mit 750,000 Thaler bei der Ber-
liner Feuerversicherung und daS Mobiliar mit 150,000 Thlr.
bei der Gesellschaft Union.
* In Ungarn gab eS seit Jahrzehnten keine so ergiebige
Weinlese wie diesmal. Die Weingärtenbesitzer müssen in weite
Gegenden wandern, um sich Fässer anzuschaffen, denn die Bött-
cher können nicht genug Gebinde erzeugen, ja, ste haben nicht
einmal mehr einen hinlänglichen Vorrath an Faßdauben. In
vielen. Gärten hängt noch die Hälfte der Trauben an den
Stöcken, trotzdem alle vorräthigen Gefässe bereits überfüllt sind.
In den Umgebungen von Badarcz, Kemend, Szederkeny, Boly
und MohacS scheint sich eine unerschöpfliche Quelle von Most
zu ergießen. Alle hohlen HauSgeräthe sind bereits überfüllt
und als Leihgebühr zahlt man für fünf Eimer Gebinde einen
Eimer Wein.
* Eine Kriegslast Moltke'S im Frieden. Von
Moltke erzählt man sich eine hübsche Anekdote. Am ersten
Abend seiner Anwesenheit in Rostock, als er Vom Palais, in
welchem der Kaiser wohnte, nach Hause gehen wollte, war
er nicht im Stande seine Wohnung aufzufinden, obgleich er
sonst als ein großer Stratege sich so.leicht zu orientiren weiß.
Er wendet sich daher an einen vorbeipassirenden Rostocker
Bürger und fragt ihn in plattdeutscher Sprache: „Können Se
mi nich seggen, wo Moltke wohnt?" Der Rostocker, welcher