von der Kammer-Mehrheit an den König gerichteten Adresse
seine Entlassung eingereicht.
Oesterreich. Aus Wien meldet man den am 17. Okt.
erfolgten Schluß der Delegationen. An ihrer Stelle wird das
Abgeordnetenhaus am 19. d. M. wieder zusammentreten.
Türkei. Die Besitzer türkischer VondS stnd letzter Tage
mit einer sshr unangenehmen Ueberraschung betraut worden,
intzem die neueste türkische Finanzspekulation die^ baare Zins-
zahlung auf die Hälfte beschränkt hat und für die andere
Hälfte ein sehr zweideutiges Papier anbietet. Unser Ländchen
hat bei derartigen „Krachmanövern" auf dem europäischen
Geldmarkte den großen Vortheil, wenig schadhaft berührt zu
werden, indem unsere Leute fast nichts „in Papieren" machen,
am allerwenigsten in „türkischen Papieren." So dürfte wohl
kaum ein türkischer Bonds auf liechtensteinischem Gebiete zu
- finden sein. Der solide Gelderwerb und die solide Kapital-
anlage haben glücklicherweise noch festen Fuß in unserem Land-
chen. Und zwar zu unserem Glücke, üenn gerade die kleinen
Kapitalisten, Geschäftsleute, Handwerker u. f. w. stnd eS Haupt-
sächlich die bei jedem großartigen Geldschwindel ihr Geld dazu
hergeben und dann schließlich den Schaden zu tragen haben,
weil sie eben in die Geheimnisse nicht ganz „schwindelfreier"
Manöver der haute finance nicht eingeweiht stnd.
Den größten Schaden in Folge „des halben StaatSban-
krotteS" der Türkei erleidet England und Frankreich. An
Londoner Korrespondent der Allg. Zeitg. bringt unter Anderem
folgende interessante Notizen, die speziell die englischen Verhält-
nisse in dieser Sache behandeln Mehr als 2 / 3 der türkischen
StaatSschuldscheine stnd nach diesen Angaben mit englischem
Kapital erstanden und befinden sich in englischen Händen. Un-
ter den bisherigen Verhältnissen hatte die Türkei in runder
Summe 11 Milk. Pf. St. (1 Pf. St. gleich 25 FrS., also
275 Millionen Frcs ) jährlich nöthig um die Linsen für ihre
verschiedenen Anleihen zu decken, davon kommen etwa 7%
Mill. Pf. Sterl. nach England. Die britische Nation erleidet
also durch die neueste türkische Finanzspekulation, welche die
bare Zinszahlung auf die Hälfte beschränkt, eine Einbuße von
8,750,000 Pf. St. (gleich ca. 94 Mill. FrcS.) und zwar
jährlich. Dieß ist ein herber Verlust auch für eine so reiche
Nation wie dle englische. Im nächsten Jahre werden hier
3,750,000 Pf. St. weniger auszugeben sein und zwar stnd eS
die kleinen Leute, welche ste weniger auszugeben haben, und
welche diese Beschränkung ihres Haushaltbudgets am wenigsten
ertragen können. Die großen Kapitalisten und die haute finance
hüteten sich wohl türkische BondS in ihren Gelbküsten aufzu-
bewahren. Die Hauptvorwürfe gehen daher auch gegen die
englische Regierung selbst.
Die Pforte besaß und verdiente ja kein Vertrauen. Daß
f die Türkei insolvent war und nie solvent gewesen, wußte je-
' dermann. Auch ihr System neue Schulden zu machen um die
alten zu bezahlen, durch neue Anleihen die Zinsen für die
alten aufzubringen, welches der Divan mit großartiger Naive-
tät und rührender Bewußtlosigkeit in seinen zur Aufklärung
des Publikums veröffentlichten Aktenstücken entwickelt, war nicht
unbekannt. Dieß ist ein Finanzgeheimniß, welches die Gper-
linge auf den Dächern pfeifen und mit dem uns unsere Schwin
delgesellschaften und die Resultate der zivilisirten Gründerei nur
zu vertraut gemacht haben. Diese Methode des Schuldenzah«
lens ist jedoch, wie die Pforte offiziell versichert „unbequem"
geworden. Auch dies hat nichts verwunderliches. Wenn ste
lange bequem gewesen, so wird, ste schließlich „unbequem/und
ohne unbillig zu sein, kann man keinem Menschen zumuthen,
seine Schulden durch neue Anleihen zu liquidiren, wenn ihm
niemand mehr etwas borgen will. Alles dieß ist ebenso selbst-
verständlich als die Thatsache, daß die Türkei von ihren unter
falschen Vorspiegelungen aufgenommenen Anleihen den fchlech-
testen Gebrauch gemacht hat. Da hieß es immer, daß Eisen
bahnen und Straßen gebaut, kostspielige Reformen zu Gunsten
der verarmten Bevölkerung durchgeführt, die vernachlässigte»?
„natürlichen HülsSquellen" deS Reiches ausgebeutet und über-
Haupt die Civilisation befördert werden sollte. Es wurde nichts
: befördert als die Verschwendung und die Korruption in den re-
gierenden Kreisen. DaS Geld, welches nicht absolut zur Zins-
zahlung erforderlich war, stoß in das Serail des Sultans und-
in die Taschen seiner zahlreichen und oft wechselnden Günstlinge.
Weder Eisenbahnen noch Wege wurde« gebaut, wohl aber
Paläste, Kiosken und einige Panzerschiffe, die unter türkischen
Händen sehr bald so unnütz geworden sind, wie die Paläste,
KioSken und der den Serail-Damen mit europäischem Geld
angetaufte barbarische LuxuS. Wenn man nun noch bedenkt,
daß sich der GroßKerr, ganz abgesehen von den außerordentlichen
Windfällen der Anleihen, eine jährliche Eivilliste von 1,800,000
Pf. St. (gleich 45 Mill. FrS.) zugelegt hat, also mindestens
fünfmal so viel als die Königin Viktoria, die Beherrscherin deS
reichsten Landes der Welt, zu beanspruchen wagt; d«ß er übri-
genS so viel aus den Staatseinkünften ziehen kann als er will,
"daß alle seine Minister, Paschas und Steuerpächter nur von
einem Tag auf de» andern zu denken haben, und daher daö
Eisen der öffentlichen Kassen schmieden solang eS warm ist, daß
absolut nichts gethan wird um das Land produktiv und die
ausgebeuteten Steuerpflichtigen erwerbsfähig zu machen —
wenn man diese und ähnliche Thatsachen bedenkt, so begreift
man wohl, daß das bisher befolgte jSystem schließlich „un-
bequem" werden, die ganze Finanzwirthschaft kläglich zusam-
menstürzen mußte, und daß die Staatsgläubiger, die bei allem
ihrem Leichtsinn auf die Ressourcen und den guten Willen
der Pforte nie Vertrauen setzten, in erster Linie die britische
Regierung für ihre Verluste verantwortlich machen.
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schadler.
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Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom *5. Okt.
Der halbe Metzen
I beste
mittlere
geringe
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Korn
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40
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Roggen ....
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60
2
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Gerste
1 2
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2
50
2
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Türken ....
2
80
2
50
2
20
| Hafer
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1
60
1
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Thermometerstand nach Reaumnr in Badnz.
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7 Uhr
Mittags
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