Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Oebäude angesammelten Volke. Kein „Zivio" erhob sich als 
Milan, eine Cigarre rauchend, mit Oberst Protitsch den Wa 
gen bestieg, auch sonst kein Laut der Begeisterung wurde hör- 
bar als der Kürst durch die Menge fuhr; denn man halte 
bereits von einigen Abgeordneten erfahren, waS sich in -der 
Skupschtina zugetragen. Die Aufregung der Bevölkerung ist 
im steten Wachsen begriffen. Niemand vermag sich die Er- 
eignisse de< gestrigen Tages zu erklären. So viel steht in-- 
dessen fest: daß die Anstrengungen der Conservativen, die mit 
den Vertretern einiger fremden Staaten in unausgesetzter Ver- 
bindung stehen, ungeheuer gewesen sein müssen, da der Fürst 
e< wagen konnte zu solchen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen. 
Türkei. Die Pforte scheint nun doch ernstlich gewillt zu 
sein den Vorgängen in der Herzegowina auf gütlichem Wege 
ein Ende zu machen. Die massenhafte Auswanderung türki- 
scher Unterthanen auf österreichisches und montenegrinisches Ge- 
biet hat sicherlich nicht verfehlt zu der Veröffentlichung deS 
Aufrufes beizutragen den der Kommissär der Pforte Server 
Pascha aus Mostar erlassen hat un» »er, nach dalmatinischen 
Blättern folgenden Wortlaut hat: 
,An die Bevölkerung der Herzegowina! ES diene zur all- 
gemeinen Fenntniß, daß zur Erleichterung der Rückkehr der 
nach Oesterreich geflüchteten Herzegowiner Maßregeln getroffen 
werden, welche die Unterstützung der Nothleidenden, sowie deren 
baldige Anstedlung bezwecken. ES werden an bestimmten Or 
ten Kommissäre aufgestellt die für die einlangenden Flüchtlinge 
zu sorgen haben. Solche Orte sind vorläufig Crkvica, Niksic, 
Gatfchko, Bilek, Trebinje, Ljubinje, Gabela, Stolac, und Ne- 
vestnje. ES wird die Rückkehr auch jenen Mannern und Fa- 
Milien nicht verwehrt, welche sich nicht nach den bestimmten 
Orten an die bestellten Kommissäre wenden; diesen kann jedoch 
weder Unterstützung noch Schutz von Seite der türkischen Be- 
Hörden gewährt werben. 
Moftar, 25. (13) September 1875. 
Der Präsident des Großen RatheS in Konstantinopel: 
Server Pascha." 
Italien. Die „Gazzetta del Popolo" berichtet: „Nachdem 
der König alle Anordnungen für den feierlichen Empfang deS 
Kaisers von Deutschland getroffen hat-, ist er gestern wieder 
nach Valdieri zurückgekehrt. DaS Programm der Feierlichkeiten 
ist jetzt in allen einzelnen Punkten festgestellt, obgleich die Tage 
noch nicht bekannt sind, an welchen sie stattfinden werden. 
Daran ist aber nur ein Telegramm schuld, welches noch in 
letzter Stunde von Berlin eingetroffen ist, und wonach Kaiser 
Wilhelm, je' nach den wichtigen schwebenden StaatSgeschästen, 
entweder einen Tag vor oder nach dem 15. Oktober in Mai- 
land eintreffen wird. Soviel steht indessen fest: daß daS kö 
nigliche Haus für den feierlichen Empfang des hohen Gastes 
an der Mailänder Eisenbahnstation Sorge tragen wird, sowie 
auch für die offizielle Vorstellung der Spitzen der Civil- und 
Militärverwaltung im königlichen Palaste, für die Galatafel 
und den Hofball und, wenn eS daS Wetter gestattet, für die 
große Jagd im Wildparke von Monza, an welcher die fürst- 
lichen Personen und eine große Anzahl sonst eingeladener Gäste 
theilnehmen werden. WaS die Truppenschau anlangt, so hat 
der Kriegsminister, auf ausdrücklichen Befehl deS Königs, dsfür 
zu sorgen, daß sie so glänzend und großartig als möglich aus- 
fällt. Alle Militärattaches der am italienischen Hofe beglaubig- 
ten Gesandtschaften sind dazu eingeladen. Fünf Regimenter 
Bersaglieri, acht Linien-Jnfanterieregimenter, sechsunddreißig 
Schwadronen Cavallerie, achtzehn Batterien Artillerie, sechs 
Bataillone Alpenjäger und die Lehrbataillone von Asti, Sini- 
gaglia und Maddaloni sind dazu kommandirt. Für den Kai- 
ser und sein Gefolge werden in Mailand prächtige Ge- 
mächer hergerichtet, und zwar wird der Kaiser dieselben 
Räume bewohnen in welchen Napoleon III. nach der Befrei- 
ung der Lombardei logirt hat. Der Mailänder Gemeinderath 
wird nächsten Donnerstag (7. d.) zusammentreten um die vom 
Gemeindevorstand verlangten Summen zur Bestreitung der be- 
abßchtigten Festlichkeiten zu votiren. Der Ministerpräsident 
Minghetti, der Chef deS auswärtigen Amtes BiSconti-Venosta, 
der Kriegsminister Ricotti, der Marineminister Saint Bon, 
der Unterrichtsminister Bonghi und vielleicht auch der Minister 
des Innern Graf Cantelli werden dem feierlichen Empfange 
des Deutschen Kaisers in Mailand beiwohnen." 
Schweiz. Ständerath Hold, der zur Untersuchung der 
Ursachen des in Göschenen am 28. Juli erfolgten Arbeiter- 
krawallS dorthin entsandte Bundeökommissär, hat dem Bun- 
deSrath über deren Ergebniß so eben Bericht erstattet. Wie 
man vernimmt, lautet derselbe, waS die Lohnverhältnisse be- 
trifft, durchaus nicht ungünstig, der gewöhnliche Taglöhner er- 
hält 3^ Fr., der Maurer 4—5 Fr, und der Arbeiter an 
den Maschinen im Hintergrund deS Tunnels 8—10 Fr. * f 
ebenso soll für die Ventilation deS Tunnels geschehen, waS 
Menschen möglich ist. Auch seien die in dieser Beziehung im 
Verlaufe der Arbeitseinstellung aufgestellten Verlangen nicht 
von vornherein deren Zweck gewesen, so daß man für diese 
einen andern Grund suchen müsse, und da liege die Annahme 
nahe, daß der Concurrenzneid der Krämer und Speculanten, 
welche gegenüber den Favre'schen Depots nicht haben aufkom- 
men können, viel zur Aufreizung der Arbeiter gethan habe. 
Andere Gründe wären schwer aufzufinden. Ganz erbärmlich 
seien dagegen die Wohnungsverhältnisse in Göschenen; hier 
müsse schnelle Abhülfe getroffen werden, wenn man nicht wolle, 
daß Krankheiten und Seuchen sich unter den Arbeitern ver- 
breiten; aber auch hier seien die von dem Unternehmer Favre 
aufgeführten Wohngebäude weniger zu tadeln, als die zu die- 
fem Zweck benutzten Privatlocalitäten. Hier seien oft in Kam- 
mern, welche kaum für 4—5 Personen Raum bieten, deren 
20—30 zusammengepfercht, wobei dieselben mit pestilenziali- 
schen Gerüchen, die von den mit DynamitgaS geschwängerten 
Kleidungsstücken der Arbeiter herrühren, angefüllt feien. WaS 
endlich die von der Urner Regierung zur Unterdrückung des 
Krawalls angeordneten Maßregeln anbelange, so könne man 
diese derselben kaum zum Vorwurf machen. Um schnell ein- 
zuschreiten, habe man eben Leute anwerben müssen, und scharf 
geschossen habe man erst, nachdem einige der Angeworbenen 
mit Steinwürfen von den Arbeitern verwundet worden seien. 
Wie eS heißt, wird der Hold'sche Bericht gedruckt werden. 
Der Bundesrath seinerseits hat, gestützt auf ihn, an die Urner 
Regierung bereits verschiedene Weisungen erlassen; so soll die- ' 
selbe namentlich auch für Errichtung eines Polizeicommissär- 
postenö in Göschenen sorgen, welcher die Überwachung der 
dortigen Arbeiterverhältnisse speciell unter sich hat. 
Verschiedenes. 
Gewiß nur Wenige gibt eS in unserm Lande, denen es be- 
schieden ist, Stammvater einer solch' zahlreichen Nachkommen- 
schaft zu werden, wie dies bei Kirchenvogt Bernardin Dettling 
in der „Jässenen" in Jberg der Fall ist. Derselbe ist im 
Jahr 1793 geboren und hatte aus zwei Ehen 21 Kinder er 
halten, von denen 15 jetzt noch leben und wovon daS jüngste 
gegenwärtig im 20. AlterSjahre steht. Diese Kinder haben bis 
dato schon 69 Nachkommen und von diesen letztern selbst leben 
wieder 18 Kinder. Der alte Kirchenvogt Bernardin Dettling 
würde daher eine lebende Nachkommenschaft von 102 Köpfen 
um sich versammeln können. Dabei geht der nun 82jährige 
Mann noch rüstig über den mehr als 2 Stunden weiten Weg 
über lie Jberger Egg. 
* Ueber die Uebersch wemmun g en, welche der Stnrm 
der vorigen Woche an der Küste deS Staates Texas verur^ 
sachte, liegen folgende Einzelnheiten vor: 
ES war am 15. Morgens, als sich in Jndianola ein außer- 
gewöhnlich heftiger Ostwind fühlbar machte, der im Verlaufe
	        

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