Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

dem Gebirge Kosava doch eine größere Anzahl von Jnsurgen- 
ten vorhanden ist als man dies vermuthen konnte. Auch fan- 
gen dieselben an etwas von „Kriegführung" zu verstehen. 
Bisher waren eS nämlich einzelne Jnsurgentetthaufen, die ganz 
ohne Plan aufs Gerathewohl sich mit den Türken schlugen. In 
den letzten Tagen haben aber die Insurgenten zu ihrer Ver- 
theidigung einige Schanzen aufgeworfen. Am 24. September 
kam eS bei Prjedor zu einem heftigen Kampfe zwischen Insur- 
genten un» Türken, und letztere waren ganz verblüfft als sie 
der von den Insurgenten aufgeworfenen Schanzen ansichtig 
wurden. In dem Kampfe bei Prjedor sollen nach Angabe der 
Insurgenten die Türken einen Verlust von 200 Tobten gehabt 
haben. Denselben Tag kam eS ebenfalls zu einem heftigen 
Kampfe längs der Unna bei Dugopolja. 700 türkische Reiter 
und 1000 Mann Infanterie griffen eine Abchetlung Insur- 
genten von 400 Mann an. Der Kampf dauerte von 2 Uhr 
Nachmittags bis Abends. Die Insurgenten schreiben sich den 
Sieg zu und eS sollen 146 Türken gefallen fein. Gestern, am 
27. September, hat bei Sieverovatz im Gebirge Kosava ein 
Kampf stattgefunden, der den ganzen Tag dauerte, aber für 
beide Theile unentschieden' blieb. — Der Ausstand in der Kra- 
jina (längs der Grenze des österreichischen Knin), von dem eS 
seit einigen Tagen ganz still war, scheint doch Fortschritte zu 
machen, denn wie aus Knin telegraphisch berichtet wird, haben 
gestern die Insurgenten einen Zusammenstoß mit den Türken 
bei Oszedci gehabt und sind Sieger geblieben. Die Türken 
sollen einen Verlust von 90 Mann gehabt haben. — AuS der 
Herzegowina wird berichtet, daß vorgestern die Znsurgenten 
zwischen Ljubinja und Stolatz aus 3 Dörfern (Zsegulja, Vlaj- 
kowitsch und Zubowitsch) die Türken vertrieben uns diese Dör- 
fer im Kampf in Brand steckten. In Folge dessen, soll der 
ganze Kadilik von Llubinja im Aufstande fem. — Von der 
bosnisch-serbischen Grenze wird berichtet, daß sich der Aufstand 
in der Gegend von Wischegrad verbreitet. Wegen dieses Auf- 
standeS ist man in Serajevo besorgt, weil man die Verbindung 
mit Moftar bedroht steht. Von der türkischen Armee bei Nisch 
hat eS bis jetzt keine einzige Abtheilung versucht über Novi, 
Vazar und Sjenitza nach Bosnien vorzudringen unv die In- 
surgentenschaaren des Pop Zsarko, der eben diese Passage inne- 
hält, anzugreifen. Von den türkischen Truppen aber die sich 
in Klek ausschifften sind nur noch spärliche Ueberreste vorhan- 
den und wäre eS nicht der mohammedanische Grundadel der 
den zähen Kampf mit den Insurgenten auShält, der Ausstand 
in der Herzegowina und in Bosnien hätte noch größere Di- 
mensionen angenommen. 
Serbien. Ueber die neuesten Vorgänge in der serbischen 
Hauptstadt Belgrad läßt sich ein Corresp. der A. A. Ztg. vom 
5. Okt. wie folgt vernehmen: 
Ich will Ihnen heute die Ereignisse deS gestrigen TageS 
skizziren. Auch werde ich mich vorderhand enthalten die Be 
deutung der neuesten Vorgänge innerhalb der Skupschtina 
irgendwie zu besprechen, da ich mir alles dieß für einen näch* 
sten Artikel aufsparen möchte, der bestimmt ist Ihre Leser über 
die augenblickliche Lage Serbiens, die eben so verwickelt als 
gefahrvoll ist, zu orientiren. Die erste Sitzung der nach Bel- 
grad verlegten National-Skupschtina sollte gestern stattfinden. 
Um 9% Uhr hatten sich bereits alle Abgeordneten im Si- 
tzungSsaal eingefunden. Auf den Ministerbänken saßen die 
Minister Gruitsch (Inneres), Milojkowitsch (Justiz), Kosta 
Jovanowitsch (Finanzen), Oberst Nikolitsch (Krieg) und Aiim- 
pije Wasstlijewitsch (CultuS und Unterricht). Der Minister 
deS Aeußern Ristitsch, sowie ver Ministerpräsident Stevtscha, 
befanden sich zum Beginn der Sitzung noch nicht in ver 
Skupschtina. Nach Eröffnung der Sitzung durch den Skupsch- 
tina-Präsidenten Kaljewitsch leisteten die drei neueingetretenen 
Abgeordneten Mirkowitsch, Radalowitsch und Markowitsch die 
Angelobung und hierauf wurde zu Verlesung dreier Jnterpella- 
tionen geschritten, die inSgesammt an den Ministerpräsidenten 
gerichtet waren. Unter diesen Interpellationen befand sich auch 
eine, in welcher die Verlegung der Skupschtina von Kraguje- 
vatz nach Belgrad besprochen und der Ministerpräsident ersucht 
wird, der Skupschtina in dieser Beziehung die nöthigen Auf- 
klärungen zu geben. Hierauf ging die Skupschtina auf die 
an der Tagesordnung stehenden Gegenstände über; vor allem 
wurde die Lesung der Gesetzesvorlage betreffend die Erweite- 
rung der Gemeinde-Autonomie fortgesetzt. Indessen war der 
Minister des Aueßern, Jovan Ristitsch, in den Sitzungssaal ge- 
treten. Plötzlich erhob sich der Skupschtt'na-Präsident Hr. Kal- 
jewitsch, un» theilte der Skupschtina mit, daß die Lesung der 
Gesetzesvorlage betreffend die Erweiterung der Gemeinde-Auto- 
nomie, sowie der Ausschußberichte, morgen in einer öffentlichen 
Sitzung werde fortgesetzt werden, und daß er bemüssigt sei die 
öffentliche Sitzung nunmehr in eine geheime zu verwandeln, 
da die Regierung der Skupschtina eine wichtige Mittheilung 
zu machen habe. Während nun alles dieß in der Skupschtina 
vorging und der Abgeordneten sich eine ungewöhnlich gesteigerte 
Aufregung bemächtigte, hatte sich Fürst Milan von seinem 
Konak (Palast) in einer gewöhnlichen zweispännigen Equipage 
und nur von seinem Adjutanten, Obersten Protitsch (ein Con- 
servativer vom reinsten Wasser, überdieß ein vertrauter Freund 
deS Fürsten) begleitet, zum Skupschtin«-Palast in Bewegung 
gesetzt. Ungeheure Aufregung entstand unter der vor dem 
Skupschtina Hause versammelten Menschenmenge als man deS 
Fürsten ansichtig wurde. Im Skupschtina Gebäude angelängt, 
begab sich der Fürst in das Mim-sterzimmer, in welchem sich 
sämmtliche Minister eingefunden hatten. Zwischen den Mini 
ster« und dem Fürsten entspann sich ein Wortwechsel, da der 
Fürst allein in die Skupschtina gehen wollte, während sich die 
Minister diesem Ansinnen widersetzten. Der Fürst gab endlich 
nach. Er betrat den Skupschtinasaal; die Minister folgten 
ihm. Die Skupschtina erhob sich. Tiefe Stille herrschte im 
Saale, denn alles sah mit größter Spannunq den Dingen 
die da kommen sollten entgegen. / Als der Fürst seinen Platz 
eingenommen und die Minister sich zu ihren Sitzeu begeben 
hatten, erhob sich Fürst Milan und sprach folgende Worte: 
„Die Minister haben mir gestern ihre Entlassung eingereicht, 
und ich habe mich bewogen gefunden ihnen dieselbe zu gewäh- 
ren." Von dieser Gewährung wußten die Minister bis zu 
jenem Augenblick nichts, und es ist klar, daß Milan, indem 
er den Eingebungen seiner konservativen Vertrauten folgte, 
seine Minister um jeden Preis unmöglich und sie in der 
Skupschtina selbst zum Falle bringen wollte. Als der Fürst 
5aher jene Worte ausgesprochen hatte, erhoben sich sämmtliche 
Minister und verließen, ohne auch nur ein Wort zum Abschied 
gesprochen zu haben, den Saal. Kaum war dieß geschehen, 
als sich auch schon Milan zum zweitenmal erhoben hatte und 
zu der Skupschtina gewendet folgendes sprach: „($8 ist dieß 
jedenfalls ein unerhörter Fall, daß der Regent ohne seine Re- 
gierung vor die Skupschtina tritt; doch läßt sich derselbe mit 
Rücksicht auf die heutigen außerordentlichen Verhältnisse er- 
klären und rechtfertigen. Ich finde mich bewogen an euch 
folgende Fragen zu richten, erstens: „Habt ihr Vertrauen zu 
mir?" Die Skupschtina, die sich von ihrem Erstaunen kaum 
noch erholt hatte, bejahte die an sie unter so eigenartigen Ver- 
Hältnissen gestellte Frage. Hierauf fragte der Fürst: „Seid 
ihr für den. Krieg?" Die Abgeordneten antworteten mit einem 
lauten einstimmigen: „Ja, wir sind eS!" Der Fürst erklärte 
nun, daß er nicht für den Krieg sei, indem er gleichzeitig die 
Gründe auseinander legte weßhalb er keinen Krieg wolle. 
„DaS hat uns schon Ristitsch in Kragujevatz gesagt!" schallte 
eS dem Fürsten entgegen, als er seine Rede beendet hatte und 
den Sitzungssaal der Skupschtina verließ. Die Abgeordneten 
verließen gleichfalls den Saal. Die größte Aufregung herrschte 
unter denselben, sowie auch unter dem vor dem Skupschtina-
	        

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