Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Vaduz, 6. Oktober. Der „Oberländer Anzeiger" bringt 
über den am 25. September in Ragaz abgehaltenen Viehmarkt 
folgenden kurzen Bericht. Bon gutem Wetter begünstigt, fand 
am 25. September der erste diesjährige Viehmarkt statt. Ein 
belebtes Geschäft zeigte sich schon am Vorabend, indem zahl- 
reiche auswärtige Käufer sich einfanden und Nachfrage hielten 
nach schönen Mesen und Zeitkühen. 
GS wurden circa 800 Stück aufgeführt, der Handel ging 
lebhaft, rasch wurden Kaufe abgeschlossen im Betrage von 300 
bis 500 Fr., einzelne Ausnahmen, Zeitkühe von Pfäferser Ei- 
genthümern, wurden mit 700 Fr. bezahlt. 
Zur Mittagszeit war schon ein bedeutender Abtrieb bewerk- 
stelligt. Dreißig Eisenbahnwagen wurden mit Vieh beladen 
und hauptsächlich in der Richtung nach dem Rheinthal spevirt. 
Schafe und Schweine wurden ebenfalls zahlreich zugeführt, 
und fanden fette Schafe Käufer zu 20 bis 30 Fr. Junge 
Schweine galten 30 bis 50, ältere 70 bis 80 Fr. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Der deutsche Kaiser wird am l5. d. die 
so viel besprochene Reise nach Italien antreten, um in Mai- 
land mit dem Könige von Italien zusammenzutreffen. Ei» 
Korrespondent der Allg. Ztg. berichtet aus Mailand: Seit 
die Kaiserreise entschieden ist, denkt man an nichts anderes 
mehr in Mailand und, wie es scheint in der ganzen Haldinsel. 
Bis zum letzten Augenblick hat main gefürchtet, eS werde nichts 
daraus werben. Man wünschte es so sehr, und wollte doch 
nicht darum zu bitten scheinen. Man glaubte der Würde deS 
Königreichs etwas zu vergeben, wenn man sich wegen der Ver 
zögerungen empfindlich zeigte, und doch war manS. Denn trotz 
der 73 Jahre deS Kaisers wollte doch niemand an ein mög- 
licheS Unwohlsein glauben, seit man von. den munter ertrage- 
nen Strapazen der schleichen und mecklenburgischen Manöver 
so viel hörte. Jetzt, da die Herkunst sicher scheint, ist alle Mißstim- 
mung verschwunden uvd der Empfang hier wird nichts zu wün- 
schen übrig lassen, obschon er in Rom vielleicht eine größere po- 
litische Bedeutung gehabt hätte. Der hiesige Staotrath beschäf- 
tigt sich schon seit vorgestern ausschließlich mit dem Festpro- 
gramm. Schon sind die Arbeiter beschäftigt die Häuserinsel 
vor der Domfayade, ver Galien'e Viktor Emanuel gegenüber, 
welche die neugebaute linke Flanke deS großen neuen Arkaden- 
Platzes verdeckt, noch abzutragen ehe der Kaiser kommt, damit 
er den Anblick des herrlichen neuen Platzes habe — einen der 
großartigsten in Europa; und die letzten Bewohner, die noch 
eine Galgenfrist von einigen Wochen vor sich zu haben glaub- 
ten müssen über Nacht ausziehen. Der Turmer Feuerwerkkünst- 
ler, ein berühmter Mann, ist herberufen um jene architektoni- 
sche Beleuchtung herzustellen in der die Italiener von jeher 
Meister waren; kurz eS wird an nichts fehlen um die alte 
Hauptstadt der lombarvischen Liga deS Hauptes des, nun 
befreundeten, Reiches deutscher Nation würdig zu machen. 
Oesterreich. Eine große finanzielle Unternehmung von 
internationaler Bedeutung soll in den ersten Oktobertagen in's 
Leben gerufen werden; eS handelt sich um die Katholisirung 
deS Kapitals. Von Paris ging die Bewegung aus und wur 
de in Wien freudig gefördert. ES soll eine Bank gegründet 
werden, die den Zweck hat, das Kapital vor der ihm drohen- 
den Judaidisirung zu wahren. An der Spitze des Wiener 
KomiteS, das bereits die Aktien drucken läßt, steht Fürst Liech 
tenstein und Herr von Haidinger. Leyerer ist persönlicher 
Vertrauensmann des Kaisers, und eS scheint, daß. der große 
Nachlaß deS Kaisers Ferdinand dem österreichischen Hof die Be- 
theiligung an einem solch gefährlichen Geschäft gestattete. ES 
war von jeher eine LieblingSidee der österreichischen Hofkreise, 
den Staat der Geldtyrannei der Rothschild und der von jüvi- 
schen BanquierS geleiteten Kreditanstalten zu entreißen. Nun 
wird ein solcher Versuch gemacht und zwar mit Hülfe des 
französischen und schweizerischen konservativen Kapitals. Wie 
ein hiesiges Blatt meldet, werden die Subskriptionen gleichzei- 
tig in Frankreich, Oesterreich, ver Schweiz und Belgien ausge- 
legt werden, ohne daß jedoch Jedermann der Beitritt gestattet 
fein sollte. Am 20. Oktober d. IS soll der Schluß der Sub- 
skription stattfinden. 
England. In britisch Indien haben Überschwemmungen 
große Verheerungen angerichtet. Ueberall wurden Dörfer zer- 
stört, die Ernte vernichtet, die Eisenbahndämme beschädigt und 
Menschen und Vieh gingen zu Grunde. Am schlimmsten ist 
die Umgegend von Alahabad mitgenommen worden, wo etwa 
180 Menschen und 2500 Stücke Vieh ertranken, mehr als 
10,000 Häuser zerstört wurden und die Ernte von 39,000 
Morgen Landes verloren ging. 
Nußland. Nach einer unlängst in Petersburg erschienenen 
„Berechnung der Oberfläche deS gesummten russischen Reiches 
unter der Regierung des Kaisers Alexander II. von dem Ober 
sten im k. Gener«lstab I. v. Strelbitzki" hat das europäische 
Rußland mit Inbegriff seiner Binnengewässer und des Asow- 
schen Meeres einen Ftächengehalt von 100,130 Quadratmeilen 
und mit den Inseln und Seen von 104,183 Quadratmeilen. 
Das asiatische Rußland umfaßt mit den Binnengewas- 
fern, dem Aral- und Kaspisee 300.098 Quadratmeiien und ist 
also nahezu dreimal so groß alö das europäische. Der Cjar 
herrscht somit beinahe über ein Sechstel der ganzen Fläche der 
Erde. 
Europäische Türkei. Die Krists, in welcher die orien- 
talische Angelegenheit sich gerade jetzt befindet, ist noch keines- 
wegS beendet. Zwar sind die Mächte über vas Maß der 
Zugeständnisse, welche den RajahS gewährt werden sollen, 
einig,^ überzeugt, daß durch die Gewährung und entsprechende 
Verbürgung derselben nicht bloS dem Aufstand ein Ende ge- 
macht, sondern «uch der Wiederholung desselben für die Zu- 
kunft vorgebeugt würde; allein in Konstantinopel stellen sich 
den Bemühungen der Machte noch immer Schwierigkeiten ent- 
gegen, da die Pforte nut einer fast krankhaften Eifersucht alles 
bekämpft waS nur den Schein einer Einmischung trägt, wäh- 
rend sie doch wissen muß, daß die Mächte nichts thun wollen 
was einer Überschreitung »er durch die Verträge gezogenen 
Gränzen gleichkäme. Auch für die Mahnungen zur Mäßi- 
gung in lhren militärischen Maßnahmen Serbien gegenüber 
war man in Konstantinopel bisher taub, wiewohl die Pforte 
schon die Überzeugung gewonnen haben muß, daß Serbien 
aus eigener Initiative keinen aggressiven Schritt unternehmen 
werde, und zwar nicht bloß weil es durch den Einfluß der 
Mächte hieran gehindert würde, sondern weil auch seine innern 
Verhältnisse, trotz alles Säbelgerassels dieß nicht gestatten. 
Die angeordnete serbische Mobilisirung hat nach vorliegenden 
Berichten, weit entfernt die Kriegslust zu erhöhen diese viel- 
mehr gedämpft, denn das Land ist zu arm, als daß die ge- 
sammte Bevölkerung sich ihrer Erwerbsbeschäftigung entziehen 
' und zu >en Waffen greifen könnte. WaS die Pforte anbe- 
langt, so hofft man noch immer, daß die im Zuge befindlichen 
Einzelberathungen der Consuln mit Server Pascha zu einem 
günstigen Resultat führen werden, und läßt sich auch durch 
die mehr oder minder versteckt drohende Sprache, welche Kon- 
stantinopler Korrespondenzen den Nordmächten gegenüber füh- 
ren, in dem Glauben nicht irre machen, daß uns schon die 
nächsten Tage die Nachricht von dem Zustandekommen eines 
den Frieden verbürgenden Arrangements bringen werden. 
Nach einem telegrafischen Bericht auS Konstantinopel vom 
2 Oktober hat nun auch die Pforte verordnet: daß die fried- 
liche der Arbeit, nachgehende, Ackerbau treibende Bevölkerung 
sofort von der jüngst eingeführten Steuer von einem Viertel 
deS ZehentS befreit sein soll. Ueberdieß tritt für diese Bevöl-
	        

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