Rußland für die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Ordnung
der Dinge in Frankreich. Dies geht der „Köln. Ztg." zufolge
aus einem Schreiben hervor, welches Thiers über feine Unter-
redung mit dem Fürsten Gortfchakoff an einen seiner Pariser
Freunde gerichtet hat. . Der Fürst sprach sich in derselben ent-
schlössen gegen die Wiederherstellung irgend einer Monarchie in
Frankreich auS, die er, wie auch Thiers, für unmöglich hält.
Dem Fürsten zufolge muß eine monarchische Negierung als
Grundlage die Interessen und Verehrung haben, welche daS
Volk für sie hat. In Frankreich bestünden diese beiden Be-
dingungen nicht, und er (der Fürst) fei deßhalb für die Auf'
rechterhaltung deS jetzigen französischen Regimes.
Die ^Libertö" läßt sich aus der Schweiz telegraphiren,
was bei der Unterredung zwischen Thiers und dem Fürsten
Gortfchakoff in Vevey vorgegangen. Thiers, so erzählt sie,
wurde letzten Montag von dem Fürsten Gorschakoff und dessen
beiden Söhnen empfangen. Die Unterredung dauerte 3
Smnden; das Gespräch erstreckte sich über die europäischen
Angelegenheiten und die Friedens-AuSsichten. In Betreff der
orientalischen Frage wurde bemerkt, daß ihre Lösung einstwei»
len vertagt sei, daß aber aller Voraussicht nach diese Lösung
darin bestehen werde, daß Bosnien und der Herzegowina die
Autonomie zuerkannt wird (unter der Leitung des Erzherzogs
Salvator oder Server Pascha's) während Montenegro einen
Hafen am adriatifchen Meere erhalten soll.
Die Gemahlin des Marschalls Mac Mahon ist nach Pa-
ris gekommen, um in einer Versammlung des Komiteö für die
Ueberschwemmten den Vorsitz zu führen. Dasselbe hat jetzt
24 Millionen zu seiner Verfügung.
Spanien. Der neue Präsident des spanischen Ministe-
riumS, General Jovellar scheint seiner Erklärung, daß man
alleS aufbieten werde, um den Karlisten-Aufstand zu ersticken,
-wirklich die That folgen lassen zu wollen. Am 13. Sept sind
in Guipuzcoa bedeutende Verstärkungen eingetroffen, die theil-
weise schon den verschiedenen Garnisonen an der Grenze zuge-
theilt wurden. Andrerseits lassen eS die Karlisten auch nicht
an Anstrengungen fehlen.
Europäische Türkei. Endlich erhält man einige Klar-
heit über die jüngsten widerspruchsvollen Depeschen vom tüt>
tischen Kriegsschauplatz. Es kam längS der montenegrinischen
Grenze auf mehreren Seiten gleichzeitig zu heftigen Kämpfen.
Diesmal ergriffen die Insurgenten die Offensive. Die Türken
wurden in ihren theilweise verschanzten Stellungen bei Billetsche
(wohl Billeki), Zubci und auf dem Boborer Felde angegriffen.
Bei Billetsche wurden die Insurgenten sehr übel zugerichtet.
Die Türken waren daselbst in bedeutender Uebermacht und in
sehr günstigen Stellungen. Es kommen 2100 Türken auf
700 Insurgenten. Letztere scheinen ganz aufgerieben worden
zu sein. Dagegen wurden die Türken auf dem Boborer Felde
entscheidend geschlagen und aus ihren Verschanzungen vertrie-
den. / Die Insurgenten drangen nach diesem mehr als fünf-
stündigen Kampfe nach Ljubifchuja vor, wo von ihnen, ebenso
wie bei Pljvalj, türkisches Gepäck und Proviant-Kolonnen er-
beutet wurden.
— Unmittelbar an den Sultan — vor dessen Au
gen eS übrigens schwerlich gelangen dürste — ist ein boSni-
sches Kriegsmanifest gerichtet, dessen Wortlaut wir deßwegen
mittheilen, weil es zur Charakteristrung der Volksstimmung in
Bosnien immerhin beitragen ^kann. DaS merkwürdige Doku-
ment lautet nach der „Zastava" wie folgt:
„Manifest der nackten bosnischen Rajah an den Sultan,
den türkischen Kaiser, der in Stambul thront und 500 Jahre
mit seinen Großen, mit ven Agas und SpahijaS die boSni-
schen Serben plündert und Drückt. Wir erklären Dir Krieg,
mächtiger Sultan, Dir und allen Deinen Großen, die ihr euch
fanatisch daS Versprechen gegeben eurer eigenmächtigen Herr-
schaft auf dem Genicke der armen Rajah kein Ende zu machen
und durch eure unerhörten Gewaltthaten und übermäßigen
Abgaben sie aufzureiben. Krieg auf Leben und Tod! Hun-
derte von bosnischen Helden erheben Heute ihre AataganS die
Ketten zu sprengen, mit denen Du und Deine Blutsauger ihre
Freiheit gefesselt; Hunderte von Helden greisen nach Waffen,
die Tyrannen und Blutsauger in Deinem Staate zu Vernich-
ten, und wenn Du auch einer von diesen bist, so sei versichert,
daß daS serbische Rohr auch Dich jnkcht verfehlen wird, auch
Deine SarajS werden erschüttert, „denn Jung und Alt greift
zu den Waffen!" Unsere Reihen zählen nicht nach Tausenden,
sondern nach Hunderten, aber wisse, daß sie so stark sind, daß
all Deine wilde und barbarische Macht an ihnen scheitern wird;
denn jeder von unfern Kämpfern zieht in den Kampf mit der
festen Ueberzeugung, daß er siegen muß. Bedenke, Sultan, wie
wir nach Dir und den Deinigen dürsten, ;wte wir uns sehnen
nach Blut und Krieg, nach jenem Krieg, in dem Blut ver- #
gössen wird, nicht aus Rache, sondern für Ehre, Wohlstand'
und Freiheit, die ihr zertreten, den Wohlstand, den ihr ver-
schlungen, grausame Asiaten. Bedenke nur, Du größter der
Tyrannen, wie oft Du unser Weinen und Wehklagen gehört
hast, wie oft Bitten und Beschwerden 'zu Deinem Tyrannen-
throne gedrungen sind, und all das gebar in Dir noch einen
größeren Haß gegen uns, und Dein Zorn wüthete über unS
gewaltiger und gewaltiger. Tausendmal hast Du gleichgültig
zuzusehen vermocht, wie sich der Serbe im Blute badet, un-
schuldig und treu dem Rechte - gerichtet von Deinem barba-
rischen Gerichte oder aus Muthwillen getödtet von einem MoS-
lem, und es rührte Dich gar nicht; eS erweckte in Dir kein
Mitleid, eS löste nicht die gelähmte Zunge zur Sprache:
„Genug war ich Tyrann mit den Vorfahren; ich bin der Ty-
rannei satt, jetzt will ich für meine gequälten Unterthanen ein-
mal Recht und Freiheit suchen und ihnen verleihen." Und
glaubst Du, Kaiser, Du Kaiser der Tyrannei und Verschwen-
dung, daß Du auch fernerhin unser genannt werden kannst;
denkst Du uns mit Gewalt zu nöthigen, Deine treuen Sklaven
auch in Zukunft zu bleiben', daß wir Dich erhalten, wiewohl
Hände und Kraft nicht mehr im Stande stndj, den Abgrund
Deiner Verschwendung zu füllen; glaubst Du wirklich, daß
Schwert und Gewehr Dir genügen werden, uns wieder in
das alte Joch zu zwingen? O va täuschest Du Dich furcht-
bar, Tyrannenkaiser! Die Waffen, mit denen Du unS zu be-
zwingen gedenkst, werden Deinen eigenen morschen Staat ver-
nichten, und beschämt wirst Du erst dann einsehen, daß die
Rajahs seit jeher Recht hatten, indem sie Dich baten mit ihnen
väterlich umzugehen. Wir haben genügend Gründe angeführt,
die uns bestimmen, den Kampf aufzunehmeu, und wenn Du
Dich nicht schämst dem auszuweichen, so schwinge die Faust
und den krummen Säbel, auf daß wir nach Kosovo-Art das
zurückerhalten, was wir verloren, „denn der Boden trieft von
Blut, und eS ist Zeit den Kampf tzu beginnen." So grüßen
wir Dich, wir Bosnier, und erklären Dir, daß die Stunde
geschlagen, daß sich die Serben durch Schwert und Blut eini-
gen und vereinigen. Ziehe also in den Kampf mit was im-
mer für einer Macht, hier hast Du die Brust und hier die
Helden^, die schon Deine Tyrannei mit Füßen treten, und die
bemüht find, Frieden und Ordnung, Freiheit und Einheit im
Staate herzustellen, die Du mit den Deinigen entfesselt und
vernichtet hast. Komme wie eS Dir gefällt; unterlasse keinen
Augenblick. Der Boden soll unter jenem weichen, der Dir
weicht; rufe auch Du, waS wir zuerst auS vollem Halse tha-
ten: „Hier hast Du den Krieg, alter Blutsauger, Du Feind
deS SerbenthumS, unser Padifchah." Im September 1875.
DaS serbische Volk auS allen Theilen Bosniens."
Verschiedenes.
Das Krachjahr statistisch dargestellt. W i e n, 3. Sept.
DaS heute ausgegebene „Statistische Jahrbuch für das Jahr