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Bevölkerung von 2057 Menschen. Unter diesen befanden sich
außer Norwegern meist Lappländer und Finnlander. DaS
Hauptgeschäft der Stadt ist Fischerei und der Handel mit Le-
derthran, und der Geruch deSLetztern macht für Fremde den
Aufenthalt in der Stadt anfangs ziemlich unangenehm. Renn»
thiere und Ziegen gibt es in Fülle, aber Pferde befanden sich
im letzten Sommer nur 6 in der Stadt. Kinderlosigkeit ist
da die größte Seltenheit Für kinderlose Ehepaare dürste eine
Saison in Hammerfest von Vortheil und Erfolg sein. Die
Sonne geht am 18. November zum letzten Male unter und
am 18. Januar zeigt sie sich wieder zum ersten Male. Unge
fähr sechs Wochen hindurch gehen die. Kinder mit Laternen in
die Schule und der Unterricht findet bei Beleuchtung statt
Im Sommer geht die Sonne vom 1. Juni bis zum 28. Zuli
nicht unter, und man kann sich bei der Mitternachtssonne
photographiren lassen. Lappländer bringen auS den größten
Entfernungen ihre Kinder zur Taufe und Firmung nach Ham
merfest Der fröhlichste Tag ist der 23. Juni (St. Han'S Tag
genannt», an dessen Abend greudenfeuer auf den Bergen an-
gezündet werden. In einem dortigen Hotel ist die Kost sehr
einfach. Man hat Fisch und Rennthierfleisch zum Frühstück,
und Rennthier und Fisch zum Diner, und endlich zum Souper
wieder Fisch und Nenmhier zu erhalten. In der Stadt be
findet sich ein Granitpfeiler, überragt von einem Globuö von
Bronce und auf zwei Seiten deS Pfeilers ist ihre geographische
Lage in lateinischer und norwegischer Sprache verzeichnet
* Wien hat niemals so viele Selbstmorde gesehen als im
Zahre 1874. ES sind ihrer 216 konstatirt. Wie eS dem
Krach-Jahr zukommt, ist ihre Mehrzahl auf „zerrüttete Ver-
mögenSverhäUnisse" zurückzuführen, dann kommen die „häuSli-
chen Zerwürfnisse" und weiter fast lauter Doppelfelbstmorde,
„unglückliche Liebe."
* Der Berkauf von Frauen nach der Türkei scheint
eine Spezialität Odessa'S werden zu wollen. NeuerdingS kam
eS vor, daß ein Vater seine Tochter, ein Bruder seine Schwe-
ster als Sklavin verkaufte.
* Glück muß man haben. In Chemnitz ereignete sich
vor Kurzem folgende kuriose Geschichte. Ein früherer Schau-
spieler, der durchweine'Erbschaft in den Stand gesetzt ist, en
behagliches Leben zu führen, befand sich in dem Gasthause,
daS er gewöhnlich besucht, als die neueste Gewinnliste gebracht
wurde AuS derselben ersah er, daß seine Nummer 82,566
i0,000 Thaler gewonnen habe. Erfreut hierüder gab er ei-
nen Korb Sect zum Besten. Als er am andern Tage sich
wieder in demselben Lokale befand und wiederum daS neue
Blatt gebracht wurde, laS einer der Anwesenden eine darin
enthaltene Berichtigung vor, nach welcher nicht 82,566, son-
bern 88,569 10,000 Thlr. gewonnen hafte, und Alle bebau-
erten den getäuschten Gewinner vom Tage vorher. Der aber
rief lachend: „Äoch einen Korb Sect, Herr Wirth — die
Nummer Hab' ich auch!"
* Eine nicht sehr verlockende Belohnung von bedeutender
Höhe hat der Pächter einer Eisbahn in der Blumenstraße zu
Berlin ausgesetzt. An dem Eingange zur Kasse befindet sich
ein großes Plakat, auf welchem neben den auf Preis und
Zeit für die Benutzung bezüglichen Anzeigen in handhohen
Buchstaben wörtlich zu lesen ist: 1000 Thaler Belohnung
demjenigen, der auf meiner gefahrlosen Eisbahn einbricht und
— ertrinkt!"
Die schwarze Dame.
Novel let te
von
Rosenthal-Bonin.
(Fortsetzung.)
„Kaufe für mich daS HauS und Du sollst darin wohnen,
so lanqe Du willst, als wenn eS Dein Eigenthum wäre "
„Und mein unbesoldetes Assessorenthum —?"
„Laß eS zum Teufel gehen. Du wirft dann drüben mein
Hausverwalter"
„Höre mal, Laver, wenn ich Dich jetzt beim Wort nähme?"
„Hier meine Hand, daß ich in wahrhaftem, wirklichem
Ernst rede." —
Wunderliche Gedanken durchzogen meinen Kopf. Ich hatte
eine Vision, als sähe ich mein unbesoldetes Assessorenihum leib
haftig in den Abgrund der Hölle taumeln. „Topp, ich schlage
ein," rief ich dann; „morgen werde .ich mit der schwarzen
Dame die Unterhandlungen beginnen."
Der nächste Morgen fand mich in diplomatischster Haltung
vor dem Kammerkätzchen im Hause vis-s-vis. Ich ward ge-
meldet und fand die junge Wittwe, dem Aussehen nach ein
neunzehnjähriges Mädchen in tiefer Trauer, an einem Stick-
rahmen. Nach einigen einleitenden Worten, die schüchtern an-
gehört und erwiedert wurden, rückte ich mit meinem Gesuch
heraus« Der lebhafte Ausblick der Augen zeigte mir, daß mein
Antrag auf keine Dornen gefallen war. Sie würde gern —
sagte sie — sobald wie möglich das HauS verkaufen, denn eS
wäre ihre einzige Hilfsquelle, die ihr augenblicklich gar nichts
einbrächte. Die Vermögensverhältnisse ihres seligen ManneS
— diese letzten drei Worte wurden kaum hörbar ausgesprochen
— seien viel ungünstiger gewesen, alS sie einst anzunehmen be
rechtigt war. Trotz der liebevollsten Aufopferung sei er nur im
Stande gewesen, dieses HauS für sie zu erhalten Sie sei über-
dieß^in einen Prozeß irnt den übrigen Erben verwickelt; ihren
gerichtlichen Vormund habe sie im Verdacht, daß er zur Par-
tei ihrer Gegner halte. Sie wünschte deshalb, bis die Sache
zum Abschluß fertig sei, nur mit mir und dem Käufer zu un-
terhandeln.
„Der Käufer" — flocht ich ein — „ist mein Freund, der
Herr Laver Bronner hier gegenüber."
Em sehr lebhafter Ausblick der graublauen Augen hieß mich
einen Moment innehalten. — „Sie würden, verehrte Frau,"
fuhr ich dann fort, „die Unterhandlungen sehr wesentlich ver-
einfachen und erleichtern, wenn Sie eS möglich machten, per
sönlich mit meinem Freunde daS Geschäft in'S Reine zu brin-
$en." — Ein sehr schamhaftes Niederschlagen der Augen und
ersichtliches Rothwerden störte mich nicht weiter. — „ES ist
jedoch eine sonderbare Eigenthümlichkeit des Herrn Bronner,
daß er nie mit Jemanden verkehrt, der in Trauer ist Zu die-
fem Zweck würde ich Sie also ersuchen, verehrte Frau, vielleicht
nur für Einen Tag dies düstere Gewand abzulegen. Ich habe
die feste Zuversicht, daß das Geschäft zu Stande kommt und
vollständig zu Ihrer Zufriedenheit ausfällt, wenn Sie in die-
fem Einen Punkt meiner Bitte ^)ehör geben." — Ein großer
unsicherer Ausblick ihrer Augen und bedeutende Verlegenheit.
„Ich habe die Absicht" —nahm ste zögernd das Wort—
„dieses Gewand nie mehr abzulegen, auch nicht auf einen Tag.
Wer eS weiß, wie mein verstorbener Mann mich auS den
Händen habgieriger Pflegeeltern errettet und, mehr als wie ein
Vater für sein liebstes Kmd thun würde, für mich gestrebt u.
gesorgt hat, der würde meine Gefühle gerechtfertigt finden und
eS begreifen, wenn ich ihnen für immer auch in meiner Tracht
diesen Ausdruck gebe."
„Ich begreife und verehre Ihre Gefühle; in diesem Fall
aber, geehrte Frau, wo Sie das unvollendete Werk Ihres ver-
blicheneu Gatten vollführen könnten, darf nicht daS Zeichen der