Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

glückSfall Herr Baumeister Locher jun. wölkte in der Nacht 
vom genannten Tage die Taminabrücke pafsiren, als er, wie 
man als wahrscheinlich qnnimmt, in Folge der großen Dun- 
kelheit WG D-ge WiW uG in die HqMina Mzt< Wer 
das SWW tzes WMMlücM^ tzaS WD ayDgs nW 
mWte^ WM nföl M gekW äkS KWrn div Wiche Mjun- 
gen MÄWO ckuf einer KieSbank des Rheines oberhalb der 
Balzner Äructe aufgefunden wurde. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Der deutsche ReichSrathS-Abgeordnete v. 
Unruh hat ifi der .Gegenwart" über die „volkswirthfchaftMe 
Röaktiot? ettt^ Äeihe vvtr Artikeln veröffentlicht. Sie jfri* 
gegen die, wie in Italien, Oesterreichs, Kranfreich, so auch in 
D<UtWarid gustrettnde schutzMMsich< Agitation gerichtet, 
deren nächstes praktisches Ziel d^n besohl, im Reichstag, eine 
Mehrheit für HiuauSschiebung deS- Termins der Aufhebung der 
Eisenzölle zu erlangen. Die Artikel legen besonders die Un 
möglichkeit dar, ven heilttgen Kalamitäten der Industrie auf 
diesem Wege wirksam 411 Hülfe zu kommen. Herr v. Unruh 
stqnd s^bst lange Jahre an der Spitze eines großen Etablisse 
ments, welches auf den Export. angewiesen war, so spricht er 
keineswegs als Theoretiker, sondern mitten auS der Praxis 
heraus. 
Herr p. Unruh weist nach, daß gerade nach dem Abschluß 
der die Zölle ermäßigenden Handelsverträge in den Iahren 
1862 und folgende die Industrie in Deutschland eine Höhe u. 
einen Aufschwung erreichte wie nie zuvor. Sie war bis 1870 
gesund und kräftig, warf trotz der steten Besorgnisse vor ei- 
nem Kriege mit Frankreich eine gute Rente ab und halte einen 
starken Export nach dem Auslände. Selbst der Ausbruch des 
französischen Krieges rief nur kurze Stockung hervor. Nun 
aber kamen die fünf Milliarden und der verhängnißvolle 
Schwindel, der sich an diese ungeheuren französischen Zahlun- 
gen knüpft. Die Gründungen wuchsen aus der Erde, die 
Überproduktion begann, die Löhne stiegen um 50, selbst um 
100 pCt. Die Preise der Rohstoffe gingen rapid in die 
HM, die Lebensmittel und die Wohnungen erreichten einen 
nie dagewesenen Preis, man fabrizirte so theuer, daß von einer 
Konkurrenzfähigkeit mit dem Auslande und vom Export bald 
nicht mehr die Rede sein konnte, und gleichwohl wurde, munter 
weiter impoytirt und produzirt. An einen Aufschwung der 
Industrie durch größeren Export ist nicht eher zu denken als 
bis die Industrie wieder billiger produzirt, mit dem Auslände 
konkurriren und so die verlornen Märkte wieder gewinnen kann. 
Herr v. Unruh kommt zu dem Schlüsse, dasj wenn eS der 
schutzzöllnerischen Agitation gelänge, durch Zollerhöhungen die- 
jenigen Gegenstände inländischer Konsumtion, welche in jedem 
Kulturstaate Lehenßbedürfniß geworden sind^ zu vertheuern, da- 
durch zwar daS Sparen und die Kapitalbildung im Inlande 
erschwert, aber nimmenyehr die Fähigkeit der Industrie zum 
Expqrt erhöht werden könnte. 
Europäische Türkei« Die Nachrichten aus der Herze- 
gywina lauten fast so unsicher und verworren, wie die berühm- 
ten spanischen SiegeSdepeschen. Bald find die Brieftauben 
rosenroth, bald aschgrau, bald rabenschwarz gefärbt, und eS 
ist schwer zu unterscheiden, welche von ihnen die zuverlässigsten 
Bulletins bringen. 
Räch einer Wiener Korrespondenz her „Vossischen Zeitung" 
fängt man im auswärtigen Amte an, die Verwicklungen in 
der Herzegowina sehr ernst zu nehmen. In Ungarn wie in 
Oestrich finden ganz bedeutende Truppenvorschiebungen nach 
dem Süden statt. DaS läßt sich nicht mehr in Abrede stellen, 
wenn auch der Telegraph zu dergleichen Mittheilungen nicht 
benutzt werden darf. Wvhl bekomme man auf Anfragen den 
beschwichtigenden Bescheid: von einer eigentlichen Mobilistrung 
fei noch keine Rede und eS handle sich nur um d?n Garni 
sonswechsel in Dalmatien. Allein der Korrespondent weiß 
positiv, daß man sich hier alles Ernstes darauf vorbereite, 
eine sehr aktive Rolle in der neuen Phase der orientalischen 
Frage M G.iele»; worin aber wird d&fe Uylle bestehen? Ist 
diese |i#n, welche tzitz, tzeH HziserpM« in Synstantinopel 
üben, wirklich eine einmüWge, wird sie namentlich von Ruß- 
land ohne Hintergedanken verstanden; dann ist eine Nachgie- 
bigkeit der Pforte wohl unzweifelhaft. 
Ader selbst für den Fall, daß die drei Kaiserreiche wirklich 
einig sind die Pforte daher nachgibt, will man sich nicht 
Wieoer mit ähnlichen leeren Versprechungen begnügen^ wie sie 
vor drei und zwei Jahrzehnten im Hattischerif von Gülhane, 
im Tansimat und im Hathumayum gegeben, lyorhen sind. GS 
würde jedenfalls zur Bildung eines neuen SchutzstaaleS kom 
men und dieser sog bosnische Schutzstaat würde, gleichzeitig 
mit Serbien und Rumänien, in Bezug auf Handelspolitik und 
ähnliche Dinge, eine viel Weiler gehende Selbstständigkeit er- 
langen, als Milan und Chrok sie heute besitzen. Kürz, eS 
würde, ohne daß eine direkte Annexon stattfände, doch dieses 
neue, auS dem Leibe der Türkei herausgeschnittene Fürstenthum, 
das aus Stücken Bosniens und yfy Herzegowina bestände, in 
ein direktes Schutzverhäitmß zu den Mächten gebracht werden, 
die Oesterreich mit der Einrichtung der neuen Verhaltnisse- zu 
betrauen dächten. Das ist, wie gesagt, die einfache Entwicke- 
iulig der Dinge, wenn kein Zwischenfall die Eintracht der 
diel Mächte bis zum Schlüsse der diesmaligen Aktion stören 
sollte, was denn doch keineswegs sicher lst. Im antern Falle 
hätten wir den europäischen Krieg. Die Militärpartei ist mit 
dieser Alternative und namentlich mit der ersteren Wendung 
als Genugthuung für so manche frühere Demüthigung nicht 
unzufrieden. 
Diese Ausführungen des Berliner FortschrittSorganeS rie- 
chen scharf nach Pulver, aber ein Korrespondent ver „Augsb. 
Postztg." halt bereits die Lunte an die Zündpsanne, wenn er 
schreibt : 
AuS zuverlässigster Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß 
sowohl der LandeSkommandirende von Kroatien, Feldzeugmeister 
Mollinary, als auch der Statthalter von Dalmatien, General 
Rodicö, sich im Besitze von Vollmachten befinden, um gegebe- 
nen Falles sofort in Bosnien und die Herzegowina einzurücken. 
Ebenso positiv kann ich Sie versichern, daß sich unter den 
Aufständischen zahlreiche aktive österreichische Offiziere befinden, 
und daß der Waffe ntranSp ort sowohl über die kroatische als 
auch über die dalmatinische Grenze, soweit nur immer möglich, 
amtlich erleichtert wird. Insbesondere wird mir von kompe- 
tentester Seite mitgetheilt, daß hie aufständischen Bewegungen, 
welche in den letzten Tagen in den nödlichen Gegenden von 
BoSnien, wo die Bevölkerung dazu nicht recht vorbereitet war, 
zumeist österreichischen und setbischen Emissären zu verdanken 
ist; Da ich, wie Sie wissen, nicht zu unsern innern Türken 
gehöre, welche für Aufrechterhaltung der Herrschaft deS Halb 
mondes schwärmen, so find diese Mittheilungen offenbar nicht 
dazu bestimmt, eine Anklage gegen die österreichische Regierung 
zu Hilden, vielmehr sollen sie Ihre Leser auf die ohne Zweifel 
schon in den nächsten Tagen erfolgende österreichische Okku» 
pation von Bosnien und der Herzegowina vorberei- 
ten. Ob sich daraus ein neuer souveräner Slaat der Pforte 
unter österreichischem Einfluß, oder die Annexion von Oester- 
reich vorbereiten wird, muß heute noch dahingestellt bleiben. 
Indessen unterliegt nach meinen Informationen auS diplo- 
malischen Kreisen gar keinem Zweifel, daß die österreichische 
Regierung in dieser Frage von Berlin auS nachdrücklich 
unterstützt wird, und daß die Campagne mit einer Einschrän- 
kung deS russischen Einflusses auf der Balkanhalbinsel enden 
dürfte. Der Zwiespalt zwischen der deutschen und der rufst- 
schen Politik, welcher sich bereits in einigen Fragen markirt 
hat, würde dadurch in ein neues, bedeutsames Stadium treten.
	        

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