Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

greifen, werden der notwendigen Gleichmäßigkeit entbehren 
und deshalb mehr oder weniger erfolglos bleiben. Man kennt 
die Krankheit in Europa genauer feit 1865, wo sie durch 
amerikanische Reben nach Südfrankreich eingeschleppt wurde. 
Seitdem hat sie in Frankreich 200,000 Hektaren Weinboden 
devastirt und bedroht noch nach dem Ausspruche von Autori- 
taten der Pariser Akademie der Wissenschaften eine weitere 
Million Hektaren mit der gleichen Kalamität. AuS dem 
Rhonethal, welches sie in seiner ganzen Ausdehnung durchmes- 
sen hat, ist sie nach der Schweiz übergetreten und nach Oester- 
reich und Portugal verschleppt worden. In Deutschlanv hat 
sie sich erst an einigen Punkten gezeigt. In Frankreich ist die 
Ausrottung des Insekts fast unmöglich geworden, well man 
die Natur der Krankheit erst erkannt hat, nachdem eS sich em- 
gebürgert hatte, in der Schweiz dagegen hat der BundeSrath 
sofort den Kantonalregierungen den Auftrag ertheill Maßre- 
geln gegen die Krankheit zu ergreifen, und gleichzeitig eme 
Generalkommission eingesetzt, welche die Verbreitung deS In« 
fektS zu kontrolliren hat. Auch in Oesterreich hat man öou 
ge getragen den Weingarten deS KlosterS Neuburg, in welchem 
die Krankheit aufgetreten ist, zu zerstören. Durch daS Un« 
fuhrverbot von Reben allein, welches in Deutschland erlassen 
worden ist, wird der Ausbreitung der Krankheit nicht vorge- 
beugt. ÄS muß Vorsorge getroffen werden, daß sofort Die 
ersten Spuren der Krankheit erkannt werden damit bei gelten 
dagegen eingeschritten werden kann. Bisher ^ ist noch kein 
Mittel bekannt, durch welcheS^die einmal eingebürgerte Krank- 
heit mit Erfolg unterbrückt worden wäre. Die in Frankreich 
beliebte Methode der Überschwemmung vernichtet zwar das Insekt, 
richtet aber auch die Weinberge mit der Zeit zu Grunde. Wenn 
auch der deutsche Weinbau nicht mit dem französischen zu verglei- 
chen ist, so bedeckt er doch immer ein Gebiet von 200,000 Hektaren, 
und gerade die Vertheilung dieses Landes auf eine ungemein große 
cher machen. In Elsaß vertheilen sich z. B 20,000 Hektaren 
Weinberge auf 79,000 Familien, die durch daö Umsichgreifen 
der Krankheit vollkommen in ihrer Existenz ruiniit werden 
würden. Hiernach scheint mir die Nothwendigkeit meines An- 
trageS klar zu Tage zu liegen. Derselbe ist insofern präpara« 
torischer Natur alS er die Mittel an die Hand geben soll, 
welche erforderlich sind um die Existenz der Krankheit über- 
Haupt konstatiren zu können. Nur wenn man sie gleich im 
Keim erstickt, kann man ihr mit Erfolg gegenübertreten. Da- 
zu bedarf eS aber absolut einer gesetzlichen Bestimmung, denn 
eS ist zu diesem Zweck notwendig das Eigenthumsrecht des 
WinzerS zu beschränken. Ich gebe zu, baß man die Kompe- 
tenz der Versammlung zu diesem Gesetze bezweifeln kann, deß- 
halb aber möchte ich gerade daS HauS bitten mit möglichster 
Einstimmigkeit meinem Antrag zuzustimmen und damit die 
Kompetenz der ReichSgesetzgebung in dieser Sache zu begrün- 
den. Gewiß ziemt eS sich nicht auö formalen Rücksichten ei« 
nen so wichtigen Theil deS Nationalwohlstandes in Frage zu 
stellen. (Beifall.) 
Schließlich wurde der Buhl'sche Antrag mit einer unwe- 
fentlichen Veränderung des 8 3 angenommen. 
Spanien. König Alphonfo ist am 14 in Madrid an 
gekommen unv von den Mitgliedern der Regierung und den 
Civil- und Militärbehörden empfangen worden. Er stieg so- 
fort zu Pferd und begab sich nach Atocha und darauf nach 
dem königlichen Palast über den Prado, die Calle de Alealü, 
die Plaza der Puerta bei Sol und die Calle Mayor inmitten 
einer unabsehbaren Volksmenge, welche ihn mit den stürmi 
schen Rufen „Viva el Reyl" begleitete. Damen warfen ihm 
Blumen und Kränze zu DaS schönste Wetter begünstigte den 
Einzug. Der König nahm zu Pferd am Portal deS Pala- 
steS den Truppen die Revue ab. Die Stadt ist beflaggt. Heute 
Abend ist Madrid illuminirt: durch die Straßen wogen fort 
während Menschenmassen. Eben ist der König in offenem 
Wagen ausgefahren. Die Militärmusiken spielten den KönigS- 
marsch auf den öffentlichen Platzen. 
Die Nachricht daß die Besatzung deS deutschen Kanonen- 
booteS „Nautilus" bei Zaranz gelandet sei und diesen Ort 
genommen habe, hat bisher noch keine Bestätigung gefunden. 
Die Carlisten haben erklärt daß sie einer Landung den äußer- 
sten Widerstand entgegensetzen würden, und stellen von neuem 
in Abrede die Brigg „Gustav" beschoffen zu haben. Gegen- 
über der in dem amtlichen Berichte deS deutschen ConsulS Lin 
dau gegebenen Darstellung deS Sachverhalts berufen sich die« 
selben auf das Dankschreiben welches von der Mannschaft 
der gestrandeten Brigg an die Earlijtischen Behörden gerichtet 
worden sei. Von «artistischer Seite wird ferner die Versiche- 
rung wiederholt daß daS Schiff ausgeliefert worden wäre 
wenn die Eigenthümer sich zur Zahlung der Douanegebühren 
hätten-verstehen wollen. 
Schweiz. Pater Basilius Oberbolzer von Utznach seither 
Statthalter »n Pfasfikon ist zum Abt deS KiosterS Einftedeln 
erwählt worden. 
Verschiedenes. 
* Die deutsche ReichSpost hat mit Neujahr eine gute Neue- 
rung eingeführt. Sie lehrt daS Publikum deutsch schreiben. 
ES tritt nämlich mit Reujahr für das Gebiet der Reichspost 
eine neue Postordnung in Kraft. Danach werden die AuS- 
drücke „rekommandirl" „relommandirte Sendungen", „Rekom- 
manvattonSgebühr" ersetzt durch die AuSvrücke „eingeschrieben", 
„Einschreibsendungen", „Einschreibgebühr"; statt „Postmandat" 
wrv „Postaustraa" gesagt, statt..Expreßbesteltung", „Expreß, 
i vic cjcipr eS „Eilbesteltilng", „Eilbot," , ftarj „ Bri-f^uvert" 
heißt eö „Briefumschlag" statt „poste restante" „postlagernd"; 
statt „Passagierbillet" „Fahrschein". 
* Auf dem Gute deS zwischen Stendal und Spandau ge- 
legenen Dorfes Neunhausen hat sich ein schreckliches Unglück 
zugetragen: 
Der Amtmann Prim auS Liepe bei Neunhausen besucht 
vor einigen Tagen den Amtmann im letztgenannten Dorfe. 
Eben angekommen, laßt er seine beiden Pferde, russische Pony- 
Hengste, in einen Stall bringen, in dem noch andere Pferde 
Dulden. Hier entstand aber in ganz kurzer Zeit ein solcher 
Spektakel, daß sich die Knechte genöthigt sahen, binzueilen und 
Ruhe zu stiften Aber in demselben Moment entspinnt sich 
eine schreckliche Scene. Wutschnaubend stürzt der eine Pony 
auf den zuerst in den Stall getretenen Knecht, erfaßt ihn, zer- 
fleischt den Unglücklichen so, daß er in wenigen Sekunden form- 
lich in seinem Blute schwimmt, und beißt sein Opfer dann 
dermaßen in die Gurgel, daß der Tod auf der Stelle erfolgte. 
Boller Entsetzen fliehen die auf MS Jammergeschrei Herbeige 
eilten , um nicht ebenfalls ein Opfer .des wüthenden ThiereS 
zu werden, und hinterbringen diese schreckliche Nachricht der 
Herrschaft. Amtmann Prim ergreift schnell ein an der Wand 
hängendes Gewehr und schießt nach dem rasenden Thier, macht 
dasselbe aber nur noch wüthender, da daS Gewehr mit feinem 
Schrot geladen war, und wie er eben dabei ist, das Gewehr 
mit einer Kugel zu laden , biegt ein harmlos deS WegS da- 
her kommender Arbeiter um die Staliecke, der von der Bestie 
ebenfalls in wenigen Sekunden zur Leiche gemacht wird. Die 
das Thier niederstreckende Kugel kam zu spät, um wenigstens 
das zweite Menschenleben zu retten. Beide Opfer hinterlassen 
Frauen und Kinder. 
* Die nördlichste Stadt der Erde ist bekanntlich 
Hammerfest in Norwegen. Sie h.ttte im letzten Sommer eine
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.