Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Bälde ihrer Verwirklichung entgegen. ES ist daher gewiß 
nichts natürlicher, als daß wir unS diesem wichtigen alle 
Kulturstaaten umfassenden Borgange gleichzeitig mit dem be- 
nachbarten Oesterreich willig anschließen und den endlichen 
Vollzug dieses Gesetzes, dessen Entwurf uns die fürstliche Re- 
gierung zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt hat, mit 
Freuden begrüßen. 
Da also schon nach Verlauf von einem halben Jahre diese 
Aenderung von Maß und Gewicht vor sich gehen soll , nnd 
dieser Termin nicht wobl verschiebbar ist, so muß die Vorlage 
dieses Gesetzentwurfs auch eine dringende genannt werden. 
Die Anschaffung neuer Maße und Gewichte nach gesetzlichen 
Bestimmungen muß der Außergültigkeitsetzung der bestehenden 
vorausgehen. Die Aichämter allein aber sind beauftragt 
und ermächtiget die neuen Maße und Gewichte nach gesetz- 
lichen und übereinstimmenden Vorschriften zu schaffen oder doch 
zu prüfen und durch Stempelung deren Richtigkeit ersichtlich 
zu machen, d. h. zu aichen. 
Die Errichtung solcher Aichämter und die Beischaffung der 
nöthigen Apparate und Normalmaße ist mit nicht geringen 
Kosten verbunden. Die Finanzkommission hat daher mit Ver- 
gnügen vom fürstl. RegierungSkommissär v. Hausen ersah' 
ren, daß derselbe schon die nöthigen amtlichen Schritte gethan 
habe, damit Liechtenstein kein eigenes Aichamt zu errichten 
brauch/,, sondern durch das f. k. Aichamt in Feldkirch nach all- 
gemeinen festgesetzten Tarifen seinen Bedarf decken kann. 
Die Finanzkommission, welche mich beauftragte Ihnen meine 
Herrn hierüber zu berichten, hat nach gepflogener Berathung 
beschlossen, dem h Landtage zu empfehlen: 
„Den vorliegenden, von der fürstl. Regierung ein- 
„gebrachten Gesetzentwurs, über die Einführung einer 
„neuen Maß- und GewichtSordnung nach dem me 
trischen Systeme unverändert anzunehmen " V 
Vaterländisches. 
Vaduz, den 22 Juni. Die Herste Hälfte dieses Monats 
war eine sehr gewitterreiche. AuS verschiedenen Gegenden der 
Schweiz, Deutschlands und Oesterreichs kommen Berichte über 
stattgefundene wolkenbruchartige Gewitter, Schlag- und Hagel- 
Wetter. Besonders schwer wurden die nördlichen Gestade deö 
Bodensees von dem Gewitter vom 10. Juni betroffen. DaS- 
selbe verbreitete sich nach vorliegenden Berichten über Langen- 
argen, Kreßbronn, Nonnenbach, Hemigkofen, Beznau, Langnau, 
Nonnenhorn, Wasserburg K. und richtete der Hagel gräßliche 
Verheerungen an. Die Schlössen fielen in ungeheurer Menge 
und.Größe, 4 Hagelkörner wogen zusammen 620 Gramm. 
Andern TagS noch, 18 Stunden nach dem Gewitter, fand 
man Schloffen von über Thalergröße. Der Hagelschlag bau- 
erte 27 Minuten. Die Leute, die mit der Heuernte beschäftigt 
waren, kamen mit blutigen Köpfen nach Hause. Fenster wür 
ben zu Tausenden, Ziegel zu Hunderttaufenden zertrümmert. 
Die Kirschbäume, die mit halbreifen Kirschen über und über 
beladen waren, starren wie Besen gen Himmel und sind theil- 
weise förmlich geschält; die Straßen waren mit Zweigen, Laub 
und unreifem Obst wie bcfat. DaS Getreide ist so zerschia- 
gen, daß eS nicht einmal mehr gemäht werden kann; in den 
Kartoffelfeldern erkennt man kaum mehr die Reihen, in welchen 
die Kartoffeln standen. Die Reben in Beznau und Hemig- 
kosen sind total 'abgeschlagen. Am Schloß Montsort in Lan- 
genargen hat der Hagel auf der Wetterseite die prachtvollen 
Fensterscheiben zertrümmert. 
Während wir solche Nachrichten aus anderen Gegenden 
hören, ist diese gefährliche Gewitterzeit IgefahrloS an uns vor- 
übergegangen, so daß der Stand der Feldfrüchte und der 
Trauben nicht nur zu den schönsten Aussichten berechtigt, son- 
dem für die jetzige Jahreszeit wie kaum einmal in der Ent- 
Wickelung vorangerückt ist 
Badnz, den 22. Juni. Ueber die am 14. Juni ftattge- 
fundene Eröffnung der Tschavoll - Anlage in Feldkirch schreibt 
dte Feldkircher Zeitung: Gestern Abends boten die neuen 
„städtischen Anlagen in der Au", oder wie die Bevölkerung 
dieselben nach ihrem hochherzigen Erbauer und Stifter benennt, 
die „Tschavoll-Anlage" einen ganz Ungewohnten Anblick. So 
zu sagen die ganze Bewohnerschaft von Feldkirch, die nicht ge- 
rade durch dringende Geschäfte abgehalten war, hatte sich in 
dem mit entschiedenem Geschmack angelegten und prächtig aus- 
gestatteten Haine, der bei weitem nicht die ganze Volksmenge 
zu fassen vermochte, eingefunden, um der „feierlichen" Eröff 
nung refp. Uebergabe desselben an daS Publikum beizuwohnen. 
Schlag ^7 Uhr zog die gut geschulte bürgerliche Blechhar- 
monie mit ihrer Fahne unter klingendem Spiele in den mit 
Flaggen geschmückten wunderhübschen Pavillon ein und begann 
alSdald von demselben herunter ihre lustigen, weithin klingen- 
den Weisen zu spielen, zu sichtlicher Freude von Jung und 
Alt. Die zahlreichen Bänke und die um den Pavillon herum 
aufgestellten niedlichen eisernen Tische .waren vom immer stär- 
ker herbeiströmenden Publikum, daS sich an Bier und Wein 
erquickte, dicht besetzt und eS herrschte bis in die Nacht hinein 
ein heiteres Gewoge und Treiben, wie es Felokirch vielleicht 
noch nie gesehen hatte. 
Dem mit seiner Familie anwesenden Herrn Bürgermeister 
v. Tschavoll mag die Befriedigung und ftreude, die sich 
auf allen Gesichtern über sein herrliches Werk, das auch jeder 
größern Stadt zur Zierde gereichen würde, abspiegelte, als 
dankbare Anerkennung gelten für das, was er seiner Bater- 
staot gethan. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Letzten Dienstag begann vor dem Kammer- 
gericht in Berlin der Prozeß Arn«m. Der Angeklagte ist we- 
gen Krankheit am Erscheinen verhindert. Der Gerichtshof be- 
schloß, KontumazialverHandlung stattfinden zu lassen. Der 
Strafantrag des Staatsanwaltes Luck gebt auf 2% Jahre 
Gefüngniß, die Verteidigung beantragt Freisprechung. ES folgte 
dann die Verlesung der bereits bekannten Schriftstücke. 
Am 15. d. wurde der preußische Landtag durch den Vize- 
Präsidenten deS StaatSministeriumS geschloffen. Die Abgeord- 
neten brachten ein dreifaches Hoch auf den König auS. 
Oesterreich. Einer Deputation aus der Bukowina, welche 
letzthin nach Wien gekommen war. um den Kaiser zur Feier 
der IWjährigen Vereinigung dieseS KronlandS mit Oesterreich . 
einzuladen, erwiederte der Monarch folgende goldene Worte: 
„ES war mein aufrichtigster Wunsch. daS Land Bukowina 
Heuer zu besuchen, allein die eben unternommene Reise nach 
Dalmatien hat die Geldmittel so erschöpft, daß ich auf mejnen 
Wunsch verzichten muß. Ich kann und darf mein Budget 
nicht überschreiten und bei der jetzigen Lage der Dinge will ich 
um keinen Nachtragskredit einschreiten, aber meine erste Reise, 
welche im nächsten Jahre erfolgen wird, wird nach der Buko- 
wina sein." 
Ein kleiner Beitrag zu den ungarischen Zuständen und zu- 
gleichen Wink für fremde Kapitalisten mag folgendes sein: 
In St. Endre findet (stehe daS ungarische Amtsblatt) am 
28. Juni die exekutive Feilbiethung eines auf 2 fl. geschätzten 
Hauses statt eventuell auch unter dem Schätzungswerts. In- 
dessen die Lizitirenden mögen sich vorsehen. Sie haben ein 
Reugeld von 10 Proc. — macht zwanzig Kreuzer — zu er 
legen, und falls sie den Kaufpreis etwa im Laufe von sechs 
Monaten Ratenweise entrichten wollen — macht monatlich 
332/z Kreuzer — das aushaftende „Kapital" mit 6 Prozent 
zu verzinsen. 
Italien. Die Kammerverhandlungen über das vom ita- 
lienifchen Ministerium eingebrachte außerordentliche Sicherheit^ 
gesetz haben einen ungemein stürmischen Charakter angenommen.
	        

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