Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

dieser Seite hin, umwickelt ihn mehremale und hält sich daran 
fest. Die Ursache dieser Erscheinung muß im Bau der Ranke 
liegen, die auch von allen andern Theilen des WeinstockeS durch 
ihr Austrocknen im Herbste ohne abzufallen unterschieden ist. 
Ja eS scheint fast, als wenn die Ranken den Sinn des Gesich 
tet hätten, weil sie sich nach dem nächsten im Bereich liegenden 
festen Körper mit dem WachSthum hinzuwenden scheinen. 
Die Augen der Zweige haben alle eine gleiche Bedeutung. 
ES gibt keine ausschließliche Holz- und Fruchtaugen. Nach 
einem "schlechten kalten Borjahre zeigen die Augen im folgenden 
Frühjahre keine Blülhen, und nach einem sehr warmen Vor- 
jähr zeigen sie fast sämmtlich Blüthen. ES folgt daraus, daß 
die Blüthen eine höhere Entwickelung des AugeS andeuten, 
weil dazu größere Wärme notwendig war. Die Anlage zur 
Blüthe ist deshalb immer im vorhergehenden Jahre gebildet, 
und diese treibt im folgenden Jahre auS, mag die Witterung 
auch noch so ungünstig sein. Zur Erzielung einer reichlichen 
Traubenernte find also zwei Jahre notwendig. 
(Fortsetzung folgt.) 
Verschiedenes. 
* ErziehungSsystem in China. In der „Swiss 
limes" äußert sich ein Korrespondent auS Peking folgender- 
maßen über das Schulwesen in China: 
„In China beginnt die Schulzeit ungemein früh. Man 
trifft auf den Straßen sehr kleine Knaben, die, mit zahlreichen 
Büchern unterm Arm, den Weg nach der Schule einschlagen. 
Ihre Schultaschen für Bücher, Tafeln und andere Schul- 
geräthe bestehen auS blauem Tuch. 
Vor einigen Tagen machte ich einen Besuch in einem hiesigen 
SchulhauS (man kann dieselben ganz gut von andern Häusern 
unterscheiden an dem großen Geschrei, daS die Kinder machen) 
und fand einen alten, ergrauten Schulmeister, der fich mit 
einigen zwanzig Schülern beschäftigte. Diese fitzen nicht in 
der gleichen Weise da, wie in europaischen Schulen; im chine- 
fischen Schulzimmer befinden fich eine Anzahl von kleinen Tischchen 
und an jedem derselben sind ein oder zwei Schüler mit ihren 
Aufgaben beschäftigt. 
Ein auffallender Gegenstand traf meine Augen, es war 
dies ein großer neuer Sarg, den der Schulmeister wahrscheinlich 
zu allfälligem Gebrauch sich verschafft hatte. Der Sarg war 
mit hellrothem Papier überzogen und darüber stand das Wort: 
„Schih", welches Wort im Chinesischen als Symbol des GlückeS 
gebraucht wird. ES mag daraus entnommen werden, daß man 
m China nicht denselben Ekel und die gleichen schrecklichen 
Ideen vor dem zu dem Begräbniß gehörigen hat, wie dieS in 
Europa der Fall ist. 
Eine Schule ist in China ein großer Lärmplatz; die 
Schüler schreien alle zu gleicher Zeit so laut eS nur gehen mag 
Jeder sucht nämlich daS, waS im Buche steht, durch häufiges 
und lauteS Hersagen seinem Gedächtniß einzuprägen, und wenn 
Jeder etwaS Anderes schreit, so kann man fich einen Begriff 
machen von dem Konzerte, daS da entsteht. Hat eS ein Schüler 
mit dem Auswendiglernen glücklich zu Ende gebracht, so läuft 
er zum Schulmeister, gibt dem daS Buch ab, kehrt ihm den 
Rückm zu, damit er dasselbe in des LehrerS Hand nicht sehe, 
und fängt an, AlleS herunter zu plappern, waS er gelernt und 
noch nicht vergessen hat. CS ist daS eine Art Einpfropfung, 
bei welcher Derjenige, der das. beste Gedächtniß hat, am höchsten 
steht; und daS ist denn auch das Prinzip in China, welches 
fich durch daS ganze ErziehungSwefen wie ein rother Faden 
hindurch zieht. 
Ich habe mich sehr verwundert über die Kleinen, wie ste, 
anstatt noch mit den ABC-Büchern sich abzuquälen, schon den 
chinesischen Klassiker lesen konnten. So z. B. wurde während 
mßiner Anwesenheit einer der Knaben aufgerufen, mir den 
MeneiuS vorzutragen. Wer am meisten auswendig gelernt hat, 
ist der beste Schüler und steht der Schule oben an. 
Stelle man sich in Europa einmal vor, kleine Buben in 
einer Dorfschule sollten schon den Plato, Göthe oder Milton 
lesen und wörtlich ganz auswendig herunterleiern, und man 
hat ein getreues Bild davon, was man in China unter Er- 
ziehung und Schulbildung versteht. Alles dies wird in derselben 
Weise fortgetrieben bis zum öffentlichen Examen, das in China 
eine so große Rolle spielt, eine so ungewöhnliche Rolle, daß 
man eS den Kern des politischen und sozialen LebenS nennen 
könnte. 
* Professor Billroth in Wien hat einem Manne den durch 
Wucherungen zerstörten Kehlkopf ganz herausgenommen — die 
erste Operation dieser Art Um dem Operirten die Sprache 
wieder zu geben, beschäftigte sich der Professor mit der Kon- 
struirung einer Vorrichtung die jenem den Kehlkopf ersetzen und ihm 
so die Sprache wieder geben sollte. Billroth hat nun, wie 
man der „D Ztg." berichtet, durch eine Zungenpfeife auS 
Silber sein Ziel vollständig erreicht, und als die Mitglieder des 
ärztlichen Vereines, welchen der Patient vorgestellt wurde, den 
Operirten sprechen hörten, konnten sie sich lauten Beifalls wegen 
deS guten Erfolges der Bemühungen BillrothS nicht enthalten. 
* B e r l i n. Die Petition eines ehemaligen fchleSwig-holstein- 
fchen Offiziers erregte die besondere Heiterkeit der Kommission. 
Er will der Erfinder von Luftballons fein, mit welchen die 
Zukunftskriege der Welt geführt werden sollen und verlangt 
dafür bloS 100 Millionen. DaS Geheimniß der Erfindung 
war in einem versiegelten Briefe enthalten, für dessen Eröff- 
nung er die Kleinigkeit von vier Millionen Franken beansprucht. 
Die Kommission ging selbstverständlich zur TageSorduung über. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schädler. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 24. April. 
Der halbe Metzen 
beste 
mittlere 
geringe 
fl. 
kr. | 
fl. 
kr. 
fl. 
kr. 

4 
50 
4 
25 
4 
— 
Roggen .... 
3 
50 
3 
25 
3 
— 
Gerste 
3 
20 
3 
10 
2 
80 
Türken .... 
2 
80 
1 
50 
2 
20 
Hafer | 
1 
85 1 
2 
75 
1 
70 
Thermometerstand nach Reanmnr in Badnz. 
Monat 
Morqens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
April 22 
+ 83/ 4 
+18 
+ 10y 4 
h-ll 
„ 23. 
+ sy 2 
+17% 
+ 15 3 / 4 
» 
.. 24. 
+ 8 % 
+ 173/4 
+ 1 * 9 /t 
halb hell 
25. 
+ 8^4 
+18 
+16 
hell 
.. 26. 
+ 11 
+ 18 
+15 
halb hell 
n 27. 
+ 9 
+19 
+ 15 
fasthell; Ncht.Gwrg. 
.. 28. 
+ 9% 
+ 8fc 
+ 7% 
bedeckt. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
29. April Silber 106.— 
20-Frankenstücke 8.98 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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