Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Frankreich Im Spätherbst des vergangenen Jahres hat 
«in englischer Berichterstatter in Rom eine trübe Schilderung 
-über die Roth der armen Volksklassen in Italien gebracht, 
welche wir auch s. B in unserem Blatte erwähnt haben. Heute 
find wir in der Lage aus einem Pariser Blatte einen ähnlichen 
Rothschrei über die Brodlostgkeit der französischen Hauptstadt 
unsern Lesern mitzutheilen. ES heißt darin: 
„Paris arbeitet nicht oder arbeitet sehr wenig; ein schreck- 
iiches Elend droht der Arbeiterklasse. . . Fabrikvorsteher, welche 
gewöhnlich 500 Arbeiter beschäftigen, haben deren nur 50 an 
gestellt . .. Werkstätten, die sonst zu wenig Raum habe», sinv 
heute halb verödet ... Die Fallimente werden immer zahl- 
reicher." 
Das Blatt dringt bei der Nationalversammlung darauf Fr. 
300,000 zu kreditiren, um den Präsidenten der Republik in 
den Stand zu setzen, im Elyfee einige Feste zu geben. Auch 
andere Blätter sind damit einverstanden und glauben, der Bor- 
schlag werde kaum ernsthafte Gegnerschaft finden, halten das 
Mittel aber für ungenügend. Der „Temps" sagt, diese Feste 
können zwar gewissen Zweigen der Arbeit in Paris einen Auf 
schwung geben, doch werde das nur eine vorübergehende und 
unausreichende Hülfe sein. Das Direktorium habe viel mehr 
Feste veranstaltet, als man jetzt in Aussicht nehmen könne, ohne 
daß es ihm gelungen wäre, die Geschäfte in Blüthe zu bringen, 
und die Republik von 1848 habe dieses Mitte! ebenfalls an- 
gewendet, ohne Glück damit zu machen. Die Rückkehr der ge- 
sammten Regierung nach Paris würde nicht mehr genügen. 
WaS den Unternehmungsgeist zurückhalte und die Arbeit lähme, 
sei die gänzliche Vertrauenslosigkeit. Der Hanvel^unb die Ge- 
werbe seien muthlos, weil sie nicht wissen, wo dle National- 
Versammlung sie hinführe. Die 300,000 Fr. sind votirt. 
Die Lage sei viel ernster als vor einem Jahr; die Klagen 
seien viel allgemeiner und auch viel begründeter. Man sei auch 
damals nicht im 'Reinen gewesen, was der folgende Tag drin- 
gen werde, doch habe man sich an die bestehende Ordnung ge- 
wohnt und habe man einige Hoffnung gehabt, die Republik 
werde^an Kraft gewinnen und die große Mehrheit der Nation 
halte sie noch jetzt für die einzig mögliche Regierungsweise. 
Die monarchischen Versuche hätten daher ein unberechenbares 
Uebel veranlaßt. Die Sicherheit, welche die Monarchisten den 
Geschäften durch eine siebenjährige Präsidentschaft Mac Mahons 
geben wollten, sei von ihnen selbst wieder dadurch zerstört wor- 
den, daß es ihnen dabei sichtlich nur um den Sturz der Re- 
publik zu thun sei. AuS diesem nur allzusehr durchleuchtenden 
Hintergedanken entspringe der gegenwärtige schlimme Zustand. 
Die französische Regierung hat mit der Exkaiserin Eugenie 
eine Liquidation der napoleonischen Civilliste abgeschlossen, wo 
nach die.Exkaiserin die Waffensämmlung im Schlosse Pierre- 
sonds (Werth 400,000 Fr.), das chinesische Museum und als 
Rechnungssaldo 2,800,000 Fr. erhält. ES ist darüber eine 
Interpellation angekündigt. 
Verschiedenes. 
* In Wall en stadt lebt ein Mann, der von seinen Glücks- 
gütern schon seit Langem zu Ehr und Nutzen seiner Heimat- 
gemeinde den edelsten Gebrauch gemacht hat. ES ist dies Hr. 
Faktor Fridolin Huber. Außer einer Menge kleinerer Gaben 
schenkte derselbe seinerzeit 10,000 Fr. an die Realschule, er gab 
17,000 Fr. an ein neueS Geläute und den Kirchthurmbau, 
2000 Fr. an die geradlinige Stationsstraße. Nun hat der edle 
Mann seine Mitbürger mit einem neuen Antrage überrascht. 
Er hat drei Häuser angekauft, welche niedergerissen werden 
sollen; an . ihrer Stelle errichtet er im Anschluß an sein eige- 
neS Haus einen Bau, der nicht nur dem Städtchen beim Ein- 
tritt vom Bahnhof her eitt sonnigeres, freundliches Ansehen ge- 
ben, sondern ausschließlich gemeinnützigen öffentlichen Zwecken 
gewidmet werden soll. In demselben soll zunächst eine Volks 
küche für die ärmere Fabrikbevölkerung errichtet werden, um 
derselben eine wohlfeile, nahrhafte und gesunde Kost zu ver- 
schaffen. Ferner soll der Bau armen Wöchnerinnen auS den- 
selben VolkSlreisen ein Asyl mit guter Verpflegung bieten, ebenso 
Genesenden aus dem Arbeiterstande den Segen einer gesunden 
Diät und Wohnung verschaffen. Endlich wird mit diesen Ein- 
richtungen ein Fröbel'fcher Kindergarten verbunden. 
* Durch Vertrag vom 27. Nov. ist der reiche, seltene und 
merkwürdige Silberschatz der Stadt Lüneburg (in der Pro- 
vinz Hanover) für die Summe von 220,000 Thaler für den 
preuß. Staat erworben worden und wird demnächst dem Ge- 
werbemuseum zu Berlin einverleibt werden; die Stadt Lüne- 
bürg erhält außerdem eine gute galvanoplastische Nachbildung 
desselben. Der Schatz rührt theilS von Patriziern (Stadt- 
adeligen), die in den Rath der Stadt Lüneburg eingetreten, 
und solche Gegenstände schenkten, her; theils wurde er gekauft 
oder als herrenloses Gut (bei Erbschaften ze jc erworben. 
Unter den vielen merkwürdigen Gegenständen befindet sich auch 
ein Gefäß, an dem ein dem Patrizierstande der Stadt Lüne- 
bürg angehöriger Goldschmied 26 Jahre lang gearbeitet hat. 
* Ein Herr Knecht in Glarus hat ein Verfahren 
entdeckt, durch welches den Tunnelbohrern Diamanthärte, ver- 
bunden mit außerordentlicher Zähigkeit, gegeben werden kann. 
Am Gotthardtunnel angestellte Proben haben glänzende Re- 
sultate gehabt; die verwendeten Bohrer leisten das Dreifache 
der bisherigen, so daß der Tunnel bedeutend früher fertig wer- 
den könnte. Mit dem Knecdt'fchen Bohrer und Meißel wurde 
auS einer glasharten Feile ein Stück herauSgemeißelt, ohne paß 
der Meißel im Geringsten beschädigt war. 
Feuilleton. 
Flotte Bursche. 
Humoreske von Felix Lilla. 
(Fortsetzung.) 
,>Was sind fünfundzwanzig Thaler?" sagte Kalmäuser lang- 
sam. „Eine armselige Summe für einen so herrlichen Mops! 
Mein Mops ist für mich unschätzbar. Kennen Sie die Geschichte 
vom Knopf des Philosophen Kant, Herr Oppenheimer? 
„Was werd ich kennen die Geschichte vom Knopf des Herrn 
Philosophen Kant! Hab ich nie gehört davon ! Werd ich Ihnen 
geben hundert Thaler für den Mops! Was werden Sie sagen 
dazu? 
„Ich sage Ihnen weiter nichts, Herr Oppenheimer, als daß 
ich Sie tief verachte... Erstens verachte ich Sie, weil Sie 
vie Geschichte vom Knopf des Philosophen Kant nicht kennen, 
welcher Knopf eine ganz neue Aera in der Philosophie veranlaßt hat, 
was jeder gebildete Mensch weiß. Zweitens verachte ich Sie, 
weil Sie es wagen mir hundert Thaler für diesen Mops zu 
bieten, der aller Wahrscheinlichkeit nach dazu bestimmt ist, eine 
ganz neue Aera in der Medizin zu begründen." 
„Dabei steht mir der Verstand still!" rief Herr Hillbrecht 
lachend, während Low Oppenheimer trostlos gegen die Lehne des 
Stuhles zurücksank. 
„Begreifen Sie doch!" fuhr Kalmäuser unerschütterlich fort, 
„begreifen Sie doch, daß dieser Mops für mich dasselbe ist, was 
ein Knopf einst für den Philosophen Kant war, welcher große 
Prophet an die Nichtexistenz jenes Knopfes seine erhabensten 
Gedanken knüpfte, wodurch die Philosophie in ganz neue Bahnen 
gerieth. Nun wohl, ich bin es gewohnt, daß mein Mops von 
dort oben auf mich niederschaut; eine geheimnißvoll anregende 
Kraft scheint in seinen Glasaugen zu liegen, die mich, begeistert 
zu den tiefsten Blicken in die unergründlichsten Abgründe der un- 
gelösten Räthsel in der medizinischen Wissenschaft. WaS'sind
	        

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