Frankreich Im Spätherbst des vergangenen Jahres hat
«in englischer Berichterstatter in Rom eine trübe Schilderung
-über die Roth der armen Volksklassen in Italien gebracht,
welche wir auch s. B in unserem Blatte erwähnt haben. Heute
find wir in der Lage aus einem Pariser Blatte einen ähnlichen
Rothschrei über die Brodlostgkeit der französischen Hauptstadt
unsern Lesern mitzutheilen. ES heißt darin:
„Paris arbeitet nicht oder arbeitet sehr wenig; ein schreck-
iiches Elend droht der Arbeiterklasse. . . Fabrikvorsteher, welche
gewöhnlich 500 Arbeiter beschäftigen, haben deren nur 50 an
gestellt . .. Werkstätten, die sonst zu wenig Raum habe», sinv
heute halb verödet ... Die Fallimente werden immer zahl-
reicher."
Das Blatt dringt bei der Nationalversammlung darauf Fr.
300,000 zu kreditiren, um den Präsidenten der Republik in
den Stand zu setzen, im Elyfee einige Feste zu geben. Auch
andere Blätter sind damit einverstanden und glauben, der Bor-
schlag werde kaum ernsthafte Gegnerschaft finden, halten das
Mittel aber für ungenügend. Der „Temps" sagt, diese Feste
können zwar gewissen Zweigen der Arbeit in Paris einen Auf
schwung geben, doch werde das nur eine vorübergehende und
unausreichende Hülfe sein. Das Direktorium habe viel mehr
Feste veranstaltet, als man jetzt in Aussicht nehmen könne, ohne
daß es ihm gelungen wäre, die Geschäfte in Blüthe zu bringen,
und die Republik von 1848 habe dieses Mitte! ebenfalls an-
gewendet, ohne Glück damit zu machen. Die Rückkehr der ge-
sammten Regierung nach Paris würde nicht mehr genügen.
WaS den Unternehmungsgeist zurückhalte und die Arbeit lähme,
sei die gänzliche Vertrauenslosigkeit. Der Hanvel^unb die Ge-
werbe seien muthlos, weil sie nicht wissen, wo dle National-
Versammlung sie hinführe. Die 300,000 Fr. sind votirt.
Die Lage sei viel ernster als vor einem Jahr; die Klagen
seien viel allgemeiner und auch viel begründeter. Man sei auch
damals nicht im 'Reinen gewesen, was der folgende Tag drin-
gen werde, doch habe man sich an die bestehende Ordnung ge-
wohnt und habe man einige Hoffnung gehabt, die Republik
werde^an Kraft gewinnen und die große Mehrheit der Nation
halte sie noch jetzt für die einzig mögliche Regierungsweise.
Die monarchischen Versuche hätten daher ein unberechenbares
Uebel veranlaßt. Die Sicherheit, welche die Monarchisten den
Geschäften durch eine siebenjährige Präsidentschaft Mac Mahons
geben wollten, sei von ihnen selbst wieder dadurch zerstört wor-
den, daß es ihnen dabei sichtlich nur um den Sturz der Re-
publik zu thun sei. AuS diesem nur allzusehr durchleuchtenden
Hintergedanken entspringe der gegenwärtige schlimme Zustand.
Die französische Regierung hat mit der Exkaiserin Eugenie
eine Liquidation der napoleonischen Civilliste abgeschlossen, wo
nach die.Exkaiserin die Waffensämmlung im Schlosse Pierre-
sonds (Werth 400,000 Fr.), das chinesische Museum und als
Rechnungssaldo 2,800,000 Fr. erhält. ES ist darüber eine
Interpellation angekündigt.
Verschiedenes.
* In Wall en stadt lebt ein Mann, der von seinen Glücks-
gütern schon seit Langem zu Ehr und Nutzen seiner Heimat-
gemeinde den edelsten Gebrauch gemacht hat. ES ist dies Hr.
Faktor Fridolin Huber. Außer einer Menge kleinerer Gaben
schenkte derselbe seinerzeit 10,000 Fr. an die Realschule, er gab
17,000 Fr. an ein neueS Geläute und den Kirchthurmbau,
2000 Fr. an die geradlinige Stationsstraße. Nun hat der edle
Mann seine Mitbürger mit einem neuen Antrage überrascht.
Er hat drei Häuser angekauft, welche niedergerissen werden
sollen; an . ihrer Stelle errichtet er im Anschluß an sein eige-
neS Haus einen Bau, der nicht nur dem Städtchen beim Ein-
tritt vom Bahnhof her eitt sonnigeres, freundliches Ansehen ge-
ben, sondern ausschließlich gemeinnützigen öffentlichen Zwecken
gewidmet werden soll. In demselben soll zunächst eine Volks
küche für die ärmere Fabrikbevölkerung errichtet werden, um
derselben eine wohlfeile, nahrhafte und gesunde Kost zu ver-
schaffen. Ferner soll der Bau armen Wöchnerinnen auS den-
selben VolkSlreisen ein Asyl mit guter Verpflegung bieten, ebenso
Genesenden aus dem Arbeiterstande den Segen einer gesunden
Diät und Wohnung verschaffen. Endlich wird mit diesen Ein-
richtungen ein Fröbel'fcher Kindergarten verbunden.
* Durch Vertrag vom 27. Nov. ist der reiche, seltene und
merkwürdige Silberschatz der Stadt Lüneburg (in der Pro-
vinz Hanover) für die Summe von 220,000 Thaler für den
preuß. Staat erworben worden und wird demnächst dem Ge-
werbemuseum zu Berlin einverleibt werden; die Stadt Lüne-
bürg erhält außerdem eine gute galvanoplastische Nachbildung
desselben. Der Schatz rührt theilS von Patriziern (Stadt-
adeligen), die in den Rath der Stadt Lüneburg eingetreten,
und solche Gegenstände schenkten, her; theils wurde er gekauft
oder als herrenloses Gut (bei Erbschaften ze jc erworben.
Unter den vielen merkwürdigen Gegenständen befindet sich auch
ein Gefäß, an dem ein dem Patrizierstande der Stadt Lüne-
bürg angehöriger Goldschmied 26 Jahre lang gearbeitet hat.
* Ein Herr Knecht in Glarus hat ein Verfahren
entdeckt, durch welches den Tunnelbohrern Diamanthärte, ver-
bunden mit außerordentlicher Zähigkeit, gegeben werden kann.
Am Gotthardtunnel angestellte Proben haben glänzende Re-
sultate gehabt; die verwendeten Bohrer leisten das Dreifache
der bisherigen, so daß der Tunnel bedeutend früher fertig wer-
den könnte. Mit dem Knecdt'fchen Bohrer und Meißel wurde
auS einer glasharten Feile ein Stück herauSgemeißelt, ohne paß
der Meißel im Geringsten beschädigt war.
Feuilleton.
Flotte Bursche.
Humoreske von Felix Lilla.
(Fortsetzung.)
,>Was sind fünfundzwanzig Thaler?" sagte Kalmäuser lang-
sam. „Eine armselige Summe für einen so herrlichen Mops!
Mein Mops ist für mich unschätzbar. Kennen Sie die Geschichte
vom Knopf des Philosophen Kant, Herr Oppenheimer?
„Was werd ich kennen die Geschichte vom Knopf des Herrn
Philosophen Kant! Hab ich nie gehört davon ! Werd ich Ihnen
geben hundert Thaler für den Mops! Was werden Sie sagen
dazu?
„Ich sage Ihnen weiter nichts, Herr Oppenheimer, als daß
ich Sie tief verachte... Erstens verachte ich Sie, weil Sie
vie Geschichte vom Knopf des Philosophen Kant nicht kennen,
welcher Knopf eine ganz neue Aera in der Philosophie veranlaßt hat,
was jeder gebildete Mensch weiß. Zweitens verachte ich Sie,
weil Sie es wagen mir hundert Thaler für diesen Mops zu
bieten, der aller Wahrscheinlichkeit nach dazu bestimmt ist, eine
ganz neue Aera in der Medizin zu begründen."
„Dabei steht mir der Verstand still!" rief Herr Hillbrecht
lachend, während Low Oppenheimer trostlos gegen die Lehne des
Stuhles zurücksank.
„Begreifen Sie doch!" fuhr Kalmäuser unerschütterlich fort,
„begreifen Sie doch, daß dieser Mops für mich dasselbe ist, was
ein Knopf einst für den Philosophen Kant war, welcher große
Prophet an die Nichtexistenz jenes Knopfes seine erhabensten
Gedanken knüpfte, wodurch die Philosophie in ganz neue Bahnen
gerieth. Nun wohl, ich bin es gewohnt, daß mein Mops von
dort oben auf mich niederschaut; eine geheimnißvoll anregende
Kraft scheint in seinen Glasaugen zu liegen, die mich, begeistert
zu den tiefsten Blicken in die unergründlichsten Abgründe der un-
gelösten Räthsel in der medizinischen Wissenschaft. WaS'sind