Liechtensteinische
Zweiter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 18.
den 1. Mai 1874
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Vaterländisches.
Baduz, 28. April. Der April hält sich dießmal über
alleS Erwarten Hut; damit er auch bis zu Ende ausharre
und den blühenden Obstbäumen, den treibenden Weinstöcken
keinen Schaden thue, wollen wir das bisher Geleistete mit
Dank anerkennen, denn eben heute Dienstags Abends, wo
diese Wetterrevue der Feder entfließt, bläst ein etwas kalter
Nordost und dazu noch der Vollmond in der nächsten Aussicht.
Hoffentlich werden diese paar kritischen Tage schadlos vorüber-
gehen, und der April auch fein Ende gut machen. ES ist in
der That die Hoffnung des Landvolkes wie der Städter in
hohem Maße auf das Gedeihen dieses JahreS gestellt, da na-
mentlich in unserem Ländchen die legten 2 Jahre Wein und
Obst selten gemacht haben, so daß bei ferneren Mißjahren ein
Aepfelwein als Rarität auf den Tisch käme und die Univer-
sttät genöthigt wäre, einen Lehrstuhl für unschädliche Wein-
bereitung zu errichten, damit wenigstens nicht so sündhaft in
der Chemie gepfuscht würde.
Nach den Berichten auS Deutschland, Oesterreich und der
Schweiz dürste man, wenn keine außerordentlichen ungünstigen
Zwischenfälle eintreten, nach dem gegenwärtigen Stand der
Feldfrüchte einem überaus gesegneten Jahre entgegensehen;
Korn und Weizen stehen üppig und prachtvoll.
Bei uns, wie auch nach den Berichten anderweitig, ent-
falten sämmtliche Obstbäume einen Blüthenreichthum, wie schon
seit vielen Jahren nicht mehr; alte Landwirthe erinnern sich
kaum eines so viel versprechenden Standes der Obstbäume.
Es ist wirklich ein wunderbarer Genuß für das Auge und für
das . Herz des Menschen, dieses vielfarbige und vielduftige
Blülhenmeer wie aus einem Füllhorn auf die grüne Erdrinde
hingezaubert zu sehen. — Ebenso stehen die Reben sehr schön,
und erfahrene Rebleute stellen auch hier, wenn Alles sich ohne
Störung entwickeln kann, einen reichen Herbst in Aussicht,
was unseren Weinpflanzern sehr zu gönnen wäre; denn die
letzten schlechten Weinjahre haben den Wohlstand der Reb-
züchter in unserer Gegend sehr beeinträchtigt, so daß ein guter
Herbst dringend nothwendig ist, um die entstandenen Lücken
wieder auszufüllen.
Hoffen wir daS Beste und wollen wir das schöne frucht-
bare Wetter, das uns der Himmel bis jetzt geschenkt, dankbarst
anerkennen.
.Zum Schlüsse unserer heutigen Wetterrevue noch einige
FruhlingSverse, die unS die letzten schönen Tage entlockten:
1. Mit Veilchendust
Weh' durch die Lust
Du lieber Frühling mein;
Dein Blüthenstaub
Und grüneS Laub
Erglänz' im Sonnenschein.
2. Du munterer Quell
Zum Bächlein schwell'
Erlöst vom kalten Bann.
Zieh' in die Welt
Durch WaldeSzelt,
Vom Frühlingsgrün ermannt.
3. Und ihr zieht ein
Ihr Lüfte fein,
Entlockt den schönsten Sang
Dem Lerchenchor,
Zum HimmelSthor
Erschall' der süße Klang.
4. Mit Harmonie
Und Melodie
Ertön' durch Wald und Flur,
Der Zauberschall
Im Wiederhall
Als Echo der Natur.
5. Vom BergeSfuß
Erschalle Gruß
Zum Firn und ThaleSgrund,
Auf daß recht bald
Durch Flur und Wald
Ertön' der Sängermund.
6. So schwing empor
Im Jubelchor
Du liederreichste Zeit;
Lock' in die Brust
DeS LenzeS Lust
Als Bild der Fröhlichkeit.
Politische Rundschau.
Deutschland. Nachdem der Reichstag im Verlauf der
letzten Woche die Berathungen über das Preßgesetz, den Gesetz-
entwms betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen und
daS Gesetz betreffend die Verhinderung der unbefugten AuS-
Übung von Kirchenämtern geschlossen und alle drei Entwürfe
mit einigen Abänderungen im Sinne der Regierungsvorlagen
angenommen hatte, wurde derselbe am 26. April durch den
Kaiser mit nachstehender Thronrede geschlossen:
„Geehrte Herren! Die Session, an deren Abschluß Sie
stehen, reiht sich durch die tiefgreifende Wichtigkeit ihrer gesetz
geberischen Ergebnisse den bedeutendsten Sessionen der früheren