Liechtensteinische
Aweiter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 15.
den 10. April 1874
Die liechtensteinische Wochenzeitung erscheint jeden Freitag. Sie kostet für daS Inland ganzjährig 2 fl., halbjährig 1 fl. sammt
Postversendung und Zustellung in's Haus. Mit Postversendung für Oesterreich ganzjährig 2 fl. so kr., halbjährig l fl. ss kr.; für daS
übrige Ausland ganzjährig 2 fl., halbjährig l fl. 10 kr. ohne Postversendung. — Man abonnirt für daS Zn- und Ausland bei der
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückungsgebühr für die sgefpaltene Zeile s kr. — Briefe und Gelder
werden franco erbeten an die Redaction in Vaduz.
Vaterländisches.
Baduz, 7. April. Ein Thema, daS gegenwärtig in der
Presse und im Tagesgespräch eine besondere Rolle spielt, ist
die Frage der Leichenverbrennung. Wir können eS unS nicht
versagen, unseren Lesern Einiges über diese „Neuigkeit" mi't<
zutheilen.
Bei allen christlichen Völkern ist seit dem Bestehen deS
Christenthums das Begraben üblich. ES mag dies wohl da«
her kommen, weil daS Christenthum in Judäa entsprungen ist
und die Juden ihre Todten begruben. Bei den Juden kam
daS Verbrennen meist nur als verschärfte Todesstrafe vor.
Die homerischen Griechen scheinen nur die Verbrennung ge-
kannt zu haben, wogegen später in dem holzarmen europäi
schen Griechenland der Brauch deS BegrabenS die Oberhand
gewonnen zu haben scheint. In Italien war gegen Ende der
Republik und in den ersten 3 Jahrhunderten der Kaiserperiode
der Scheiterhaufen allgemein. Unsere germanischen Altvordern,
die wälderreichen, überlieferten die Todten den Flammen. In
einem durch die Technik modernisirten Style taucht nun diese
Frage der Leichenverbrennung, nachdem diese Sitte fast 2
- Jahrtausende in Europa abhanden gekommen, Wiederaus. Die
neuen Vertheidiger dieses Gebrauches führen hauptsächlich an:
daß durch die Leichenverbrennung die Schädlichkeit der Ber-
wesung, besonders bei größeren Seuchen, auf Schlachtfeldern
K. vermieden und in ökonomischer Beziehung bedeutend an
Grund und Boden erspart werde. Weiter sei eS für die Vor-
stellung beruhigender, wenn unser Körper in Stundenfrist zu
Asche verbrenne, al6 wenn er durch einen schauerlichen Ve»
wesungSprozeß im Grabe langsam zu Staub vermodere. —
Gegen die Leichenverbrennung wird vorgebracht: daß eine
nachträgliche Forschung nach der Todesursache, besonders bei
Meuchelmorden *c unmöglich werde, daß ferner der Gebrauch
des Begräbnisses zu tief durch die Gewohnheit in daS Gemüth
des Menschen eingewurzelt sei, daß der ökonomische Vortheil
deS BodenersparnisseS besonders auf dem Lande sehr klein sei
und durch die großen Kosten bei der Verbrennung der Leichen
fast paralysirt werde, daß die technischen Schwierigkeiten noch
nicht gelöst seien u. s. w. Ein Hauptgrund, der auch gegen
die Leichenverbrennung geltend gemacht werden kann, liegt
nach unserer Ansicht in einer gewissen GemüthSwidrigkeit, die
daS Verfahren mit sich bringt. Der rasche ZerstörungSprozeß
der unS noch lieben Gestalt eines verstorbenen Angehörigen er-
greift daS Gemüth schmerzlicher, als daS langsame unS nicht
sichtbare Verwesen unter dem Grabhügel. Wenn auch ferner
vom religiösen Standpunkte prinzipiell nichts Stichhaltiges gegen
die Leichenverbrennung vorgebracht werden kann, so läßt sich
doch nicht läugnen, daß sich das religiöse Gemüth von dem
nun fqst 2000jährigen Gebrauche deS Christenthums, die Leichen
zu begraben, nur schwer und mit Widerstreben losreißen würde.
Es wird daher wohl die neu aufgetauchte Idee der Leichen-
Verbrennung nur in größeren Städten bei speziellen Liebhabern
einen fruchtbaren Boden finden, insbesondere, so lange neben
anderen Bedenken auch die technischen Schwierigkeiten noch
nicht vollkommen gelöst sind.
Bis jetzt haben sich in Leipzig, Dresden, Wien und Zürich
und noch einigen größeren Städten Leichenverbrennungsvereine
gebildet, deren Mitglieder sich alle verpflichten, ihren Leib nach
dem Tode nicht dem Schooße der Erde, sondern dem Feuer zu
überliefern.
In Wien hat nach den neuesten Nachrichten der Leichen-
verbrennungSverein „Urne" seine Statuten der Behörde vor-
gelegt und die Genehmigung derselben erhalten. Er will eine
VerbreKmngShalle nach dem projektirten Plan des Professors
Reklam in Leipzig erbauen. Da der Vorgang manchen unserer
Leser interessiren dürfte, so theilen wir kurz dessen Methode mit.
Man denke sich den Leichnam in eine passende Halle gebracht.
Der Sarg wird von dieser aus in eine Gruft gelassen, hier
gelangt der Körper mit oder ohne Sarg in einen aus fever-
festen Steinen gemauerten Behälter, eine gleich feuerfeste Decke
kommt darüber; ein hoher Schornstein führt aus dem Behälter
die Gase und Dämpfe ab. So bald der Leichnam sich in
obigem feuerfestem Räume befindet, wird ein bereits präparirter,
bis auf Weißglühhitze erhöhter heißer Luftstrom auf den Körper
geleitet. In höchstens 20 Minuten ist derselbe verzehrt und
in Gestalt von Gas und Dampf der AtmoSsphäre übergeben,
ein kleines Häufchen fast schneeweißer Asche bleibt zurück, um
nach Belieben in einer Urne gesammelt zu werden. Die Kosten
betragen 3—5 fl ; die Herstellungskosten der Verbrennungshalle
mit Einrichtung 20—25,000 fl.
Zum Schlüsse unserer heutigen kurzen Auseinandersetzung,
der LeichenverbrennungSfrage führt unS der Gedanke auch auf
einen Mißstand bei der hiesigen Sitte der Leichenbeerdigung.
Wir haben nämlich oben von GemüthSwidrigkeiten gesprochen,
und wir müssen eS auch als gemüthSwidrig bezeichnen, wenn
auf dem Friedhofe noch bei Anwesenheit der Angehörigen daS
Grab über dem Sarge zugeschüttet wird. Jeder wird zugeben,
daß ihn das Poltern und Rollen der Steine und der Erde -
über dem Sarge unangenehm im Gemüthe bewegte. An den
meisten Orten wird jetzt das Zuschütten deS Grabes erst nach-
dem sich die Angehörigen entfernt haben, vorgenommen. ES
wäre dies bei unS auch leicht nachzuahmen, und damit einer
wenn auch nicht großen, so doch immerhin unangenehmen „Ge-
müthSwidrigkeit" abgeholfen.
Baduz, den 7. April. Wie wir unsere Leser bereits in
der letzten Nummer aufmerksam gemacht haben, brachte gestern