Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

für mich eine bestehende Regierung zu erschüttern, und diese 
Befürchtung war achtungSwerth. Die Lage Europas kennend, 
fürchtete ich eine unheilvolle Politik im AuSlanye, und meine 
Befürchtungen wurden leider nur zu sehr gerechtfertigt. Aber 
eS handelt ftch heute um mchtS Derartiges. Die von mir be- 
fürchteten Unglücksfälle sind eingetroffen; eS hanrelt ftch dar- 
um, sie gut zu machen. Um daS zu Stande zu bringen, kenne 
ich nur ein Mittel, nämlich die Herstellung einer vernünftigen, 
kräftigen, so viel alS möglich dauerhaften Regierung mit fetten 
Formen, damit sie in ihren Zielen fest fem könne. Mit dem 
Geist, der in den Massen der drei ftch den Thron streitig ma- 
chenden monarchischen Parteien gegenüber herrscht, halte ich 
die Monarchie für unmöglich. Meine Ansicht ist vie, daß daS 
einzig Mögliche eine weise, gerechte, Alles wieder gut machenve 
Republik ist, die, nicht auf dem Triumph irgend einer der unS 
spallenden Parteien beruhend, Allen dle einzige Befriedigung 
gewährt, welche sie in ehrlicher und anständiger Weise verlangen 
können, nämlich den Triumph deö allgemeinen Interesses über 
die Sonderinteressen der Dynastien, Klassen oder Systeme. Das 
ist meine Ueberzeugung, welche eine Erfahrung von 3 Iahren 
unerschütterlich gemacht hat. Unglücklicherweise gelingt eö der 
in zwei ganz gleiche Theile gespaltenen Nationalversammlung 
nicht, die vernünftige That zu vollbringen, welche einzig noth« 
wendig erscheint. Sie läßt, ohne eS zu wollen, das Land in 
einem Zustande der Bangigkeit, welche die Arbeit umeriMcht, 
den arbeitsamen Klassen grausame Letven berettet, die dle Reor 
ganisation Frankreichs aufhält und sein Ansehen m Europa in 
ernstliche Gefahr bringt. Bon allen Seiten fragt man, wann 
und wie wir aus diesem schmerzhaften Zustande heraustreten 
werden. Für mich gibt eS nur em Mittel. Die Wahrer müssen 
durch wohlverstandene, beständig in dem nänulHen Smne ge< 
machte Wahlen die Nationalversammlung erleuchten, ohne sie 
zu erschrecken, und ihr die Bahnen andeuten, welche das Land 
innehalten will, und die, wie gar nicht zu bezweifeln ist, die 
der konservativen Republik sind, Bahnen, auf welchen eS anstatt 
deS ihm prophezelhten neuen Unglücks die Heilung ver Unglücks- 
fälle des bedauernSweuhesten der Kriege gesunden hat. In 
einem andern Geiste vollzogene Wahlen könnten nur daS Zau 
dern der Nationalversammlung vermehren, dem Lande neue 
Bangigkeit bereiten, dem Handel neue Berlurste zufügen, Die 
Reorganisation deS Landes von Neuem hinausichieden und fem 
Ansehen noch mehr schwäche«." 
Spanien. Seit 1333 wird Spanien von einem Bür 
gerkriege heimgesucht, der in längern oder kürzern Zwischen- 
räumen immer wieder auftaucht und die Ruhe veS Landes ge 
fährdet. DieS ist der Krieg, welchen die sogenannten Carlisten 
gegen die jeweilige Regterung führen, um die Ansprüche einer 
jüngern Linie der KönigSfamilie auf den spanischen Thron 
durchzusetzen. Der Ursprung dieser Kriege ist folgender: 
König Ferdinand VII. hatte von seiner Gemalin Christine 
von Neapel nur zwei Töchter und ließ sich durch Christine be- 
stimmen, im Jahr 1830 durch eine sogen pragmatische Sank- 
tion die seither in Spanien übliche Thronfolgeordnung aufzu- 
heben und zu bestimmen, daß fortan in Ermanglung männlicher 
Rachkommen deS Königs auch dessen Töchter an die Regierung 
gelangen könnten. In Folge davon ward sein jüngerer Bru- 
der Don CarloS von der Thronfolge ausgeschlossen. Als 
Ferdinand 1833 starb und seine Tochter Isabella unter "Vor 
mundschaft ihrer herrschtüchtigen Mutter den Thron bestieg, 
erhob Don CarloS die Fahne des Aufruhrs und begann ven 
sogen. Carlistenkrieg, der bis 1840 dauerte Nach seinem Tode 
erhob sein ältester Sohn> der sog. Graf Montemolin, alS Car 
los VI seine Ansprüche und machte sie bei verschiedenen Ein- 
fällen und Schilderhebungen in Spanien geltend, starb, aber 
1861 Nun aber machte dessen Neffe Don Carlos, Herzog 
von Madrid (geb 1848) die Ansprüche an den spanischen 
Thron geltend, die den gegenwärtigen, ziemlich erfolgreichen 
Carlistenkrieg veranlaßten. Don CarloS VII. ist mit der Prüi- 
zessin Margaretha von Parma vermählt, welche ihm eine 
Tochter und einen Sohn, den Infanten Name, geboren hatte. 
Nach den neuesten Telegrammen auS Spanien steht die 
Sache der Republik schlecht. Dieselben berichten von einer 
schlimmen Wendung auf dem Kriegsschauplätze. Der entschei 
dende Schlag um Bilbao scheint gefallen und zwar zu Ungun 
sten deS republikanischen Generals MorioneS, der am 24 Febr. 
seine Truppen über den Nevionfluß geworfen und zwei seiner 
Bataillone auf der Straße nach St Martin aufgestellt hat. 
DaS von den Carlifteu am 21. unternommene Bombardement 
auf die Stadt Bilbao wurde am 25 wieder aufgenommen, 
woraus sich schließen laßt, daß die entscheidende Schlacht am 
Tage vorher muß stattgefunden haben. Verwundete sind zu 
Hunderten in Santander einget»offen. Weitere Nachrichten 
wollen wissen, daß auch der republikanische General Loma To- 
losa und Umgebung geräumt habe 
Gleichzeitig mit dieser Hiobspost verbreiten sich auch Ge- 
rüchte über eine ausgebrochen? M inisterkr isiS. 
Der Grund, weßhalb die Operationen des Generals Mo- 
rioneS gescheitert sind, dürfte hauptsächlich in dem schlechten 
Wetter zu finden sein Die Flotte konnte keine Hülfe bringen. 
Ferner hat man die Streitkräfte der Carlisten unterschätzt und 
namentlich nicht bedacht, daß vie Carlisten durch den 15 Mo- 
nate dauernden Krieg zu tüchtigen Soldaten geworden sind. 
Dazu kommt vie große Schwierigkeit deS TerrainS, daS nur 
ven Carlisten günstig ist. 
England. Die Eröffnung deS Parlaments hat am 5. 
d. M. in hergebrachter Form stattgefunden. 
Verschiedenes. 
* Äraubünden. Am Donnerstag Morgen zwischen 9 
und 10 Uhr gerieth die Albulapost eine halbe Stunde vor 
Weißenstein auf dem Winterweg in eine vom Föhn gelöste 
Lawine, welche zwei Schlitten eine ziemliche Strecke mit sich 
fortriß. Im ersten Schlitten befanden sich der Postillon Plang- 
ger, Tiroler, unverheiratet, und ein Reisender. Der Postillon 
wurde von der Lawine erdrückt und erst nach einer halben 
Stunde mühsamen SuchenS auS dem Schnee todt herausgegraben. 
Der Reisende kam ganz unverletzt davon, ebenso die Pferde 
und alleS Uebrige. (Fr. Rhätier.) 
• England. Landwirthschaftliche Blätter berichten über 
einen so ausgezeichneten Stand der Saaten, wle er in England 
noch selten um diese Jahreszeit beobachtet worden ist. Nach 
einem schlecht bestandenen Weizenfelde muß man suchen Die 
Landwirthe haben eben seit dem Herbst fast buchstäblich ofmt 
Unterlaß im Acker arbeiten können und jetzt, unmittelbar vor 
dem Beginn deS März, der sonst „den Pflug beim Sterz" hält 
und jeder Hand von früh bis spät Arbeit die Menge bringt, 
können sie sich gute Zeit machen und Nebenbeschäftigungen vor- 
nehmen. 
* DaS „Uracher Amtsblatt" enthält folgende Anzeige: 
„Wegen fortgesetzten Abschlags deö Fleisches im Viehhof zu 
Stuttgart sehe ich mich veranlaßt, von heute an gutes Rind 
fleisch (nicht Kuhfleisch) per Pfund zu 16 kr. auSzuhauen. 
Metzger Mußgäu " Ebendaselbst empfiehlt Metzger Karl Müller 
jungeö fettes Rindfleisch, das Pfund zu 18 kr. Es wäre sehr 
wünschenSwerth, daß auch anverwärtS die Herabsetzung der 
Fleischpreise Eingang finden möchte. 
• Ein alter Maler. Der älteste Maler der Gegenwart 
und wohl aller Zeiten, Johann Friedrich Maximilian v. Waldeck
	        

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