Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

36 
Borkehrungen zu treffen, daß die fakultative Verbrennung der 
Leichen baldmöglichst eintrete. Die Wiener haben Gelegenheit 
gehabt, an per Ausstellung sich von den großen Vortheilen zu 
überzeugen, welche mit dieser! Methove verbunden sind. 
Die verunglückte Gemeinde Schaan fühlt sich in, erster 
Linie verpflichtet, der hieher geeilten Spritzenmannschaft von 
Büchs. Ftldkirch, Sevelen, Grabs, Gams, Revis-Burgerau, 
Baduj, Planken, Gärnpenn, Balzers, Triefen. Eschen, 
Mauren. Triesenberg und Ruggel den innigsten Dank für 
.ihre außerordentlichen Anstrengungen auszudrücken. Auch 
ebenfalls der Titl. Direktion der Vorarlberger Bahn, so- 
wie der Löbl. Stadt- und den Gemeindsbehörden, die diese 
Hülfe Ms entgegen sandten , bringen wir den Ausdruck 
unserer schuldigen Dankgefühle hiemit entgegen. — 
Die Ortsvorstehung. 
I. Wanger. 
Feuilleton. 
In der Zwischen-Etage. 
Ein Dram» unter „kleinen Leuten." Bon R. B. 
(Schluß.) 
Das heftige Weinen des geliebten Mannes mußte aber ge- 
wältig an ihrer erzwungenen Fassung rütteln, denn mit krampf- 
haster Bewegung der ; Hände hielt sich die Angeklagte an der 
Barriere aufrecht und beharrte in dieser gezwungenen Stellung 
bewegungslos wahrend der ganzen Verhandlung. 
Das Gesetz konnte nicht gebeugt werden, mit eiserner Wucht 
siel eS aus . die arme Angeklagte und trotzdem alle Mildernden Um- 
stände selbst von dem Ankläger berücksichtiget wurden, lautete das 
llrthM öei her.Höhe der Summe auf Zuchthausstrafe von einem 
jjahreDer Kall wurde aber der Gnade des Königs em- 
pfohlen. / 
Die Sache machte bedeutendes Aufsehen. Alle Kreise inter- 
essirten sich lebhaft für den Jäger, für Lisetten und diesen unter so ei- 
genthümlichen Umständen ausgeführten Diebstahl. Es war natürlich, 
daß auch in den Gesindezimmern der Gräfin sehr erregte Diskussio- 
neu stattfanden. Karl der Kutscher schimpfte über die Unruhe 
und das viele Äesahre der Gräfin, vertheidigte aber mit seinen 
sauren Mienen entschieden das arme Kammermädchen und regte 
dadurch gewaltig pie Galle der Köchin auf, welche nicht genug 
ErschwerungSgründe für die „falsche Schlange, für die Heuchlerin", 
die es nun zuletzt bis ins Zuchthaus mit ihrer Verstocktheit und 
Schleicherei gebracht habe, finden konnte Die Jungfer Hnlde- 
hrand schwelgte im Gefühl des Triumphes, als das arme Mäd- 
chen von der Polizei abgeführt wurde. Ihr Siegesjubel erlitt 
jedoch einigermaßen Eintrag durch das seltsame Benehmen des 
Jägers. Friedrich war auf den besonderen Wunsch der Gräsin 
in seinen Dienst, zu.ihr zurückgekehrt.. Allein war. der Mann 
früher schon schweigsam gewesen, so war.er jetzt stille wie das 
Grab. Jede Spur von Farbe war auS dem Gesicht verschwun- 
den. Stundenlang saß er brütend auf einem Steine im Hofe und 
flth? dann plötzlich verzweifelt mit deut AuSruf empor: „Aus 
Liebe zu mir, aus Liebe gestohlen — ins Zuchthaus ! . . ." 
5 Die Gräfin erließ ihm alle Geschäfte. Jungfer Huldebrand 
ließ in der,Form mütterlicher Besorgtheit alle Minen, chrer Ver 
führungskunst springen, um den Jäger auS seinem unheimlichen 
Brüten herauszubringen. Es half ihr jedoch Alles nichts; er 
blieb „ein kalter Kieselstein", wie die heißherzige Köchin bei sich 
sagte. 
Einige Wochen vergingen. Plötzlich — eS mochte gerade 
die Zeit sein, als daS Erkenntniß gegen Lisette vom Könige zu 
rückerwartet wurde — fehlte der Jäger. Man vermuthete nichts 
Gutes ; es wurde Anzeige bei der Polizei gemacht und endlich 
fand man ihn, mit einer lebensgefährlichen Schnßwunve in der 
Brust, im nahen Forste Das Terzerol lag neben ihm und ein 
Zettelchen befand sich in seinem Notizbuch, das folgende Worte 
enthielt: „An Lisette. Ich konnte es nicht ertragen, daß du 
meinetwegen im Zuchthause bist. Ich kann nicht mehr leben!" 
— Der Unglückliche wurde in das Spital gebracht. 
Die königliche Gnade konnte das Urtheil mildern, die Strafe 
jedoch nicht ausheben; bevor noch der dritte Monat verging starb 
die Gefangene an der Auszehrung 
Friedrich dagegen wurde geheilt. Der Hof hatte sich sehr 
für den unglücklichen Mann interessirt; man machte ihm sehr 
günstige Anerbietungen, er schlug sie jedoch alle aus und erhielt 
auf seinen Wunsch eine Forstaufsehersstelle inmitten der Kiefern- 
Waldung, die meilenweit sich eintönig von der Hauptstadt aus- 
streckt, fernab von allen Menschen 
Dort konnte man noch vor wenigen Iahren den bleichen, 
schweigsamen, kränklichen Mann oft sitzen sehen, hinabschauend 
auf die Baumkronenwellen der Fichten, die einen kleinen Landsee 
einschließend, endlos in die Ferne sich auszudehnen scheinen. 
Manchmal sprang er plötzlich auf und murmelte: „Aus Liebe im 
Zuchthaus — gestohlen im Zuchtbaus gestorben! „ — — 
Jungfer Huldebrand schien alle ihre Mühe doch nicht ver- 
geblich gemacht haben zu wolle», sie heirathete einen jugendlichen 
Kellner, kaufte den lang ersehnten Gasthof —> und in fünf Iah- 
ren hatte ihr Herr Gemahl und Herzensgebieter ihr Geld sowohl 
als den Gasthof bis auf den letzten Pfennig durchgebracht, ^war 
dann selbst verschwunden, und die Strohwittwe ist jetzt in ihren 
alten Tagen wieder Köchin wie früher. Die Erfahrungen in 
ihrem Ehestande scheinen jedoch durchaus nicht zur Besänftigung 
ihrer Seele beigetragen zu haben, denn die jetzige Kellnersstroh- 
wittwe, Frau Roloff, ist noch heftiger und vulkanischer von Ge- 
müthsart, wenn dies möglich, als früher. 
So hatte denn unser kleines Drama aus der ZwischenMage 
sein Ende erreicht Unsere Helden schritten nicht in Sammt und 
Seide einher, fesselten uns nicht durch besondere Begabung nmd 
außergewöhnliches Streben, sie gehörten nicht einmal zu dem 
„besseren Bürgerstande"; dennoch könnten wir, wollten w-r der 
Sache rieser auf den Krnnd gehen, bei diesen von dem Schick- 
sal in den Schatten gestellten Personen, an denen wir hundert- 
mal achtlos vorübergehen, ohne sie eines Blickes in ihr Fuhlen 
und Denken für Werth zu halten, oft eine Aufopferungsfähigkeit, 
eine Tiefe und einen Schwung der Seele finden, Charaktere, 
Thaten und Sch'cksalßfügnngen entdecken, die des größten Dich- 
ters und einer vollendeteren Kunst, als der meinen, wüchitz 
wären. 
. * , , ■ 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schädler. 
Thermometerstand nach Reaumur in Baduz. 
Monat 
Morqeiio 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witter u n g. 
gebr. 18 
„ 19- 
. 20. 
. 21. 
. 22. 
» 23. 
.. 24. 
4" 
- Vi 
+ '/4 
- 3 V 4 
- % 
-Vh 
- % 
+ 6'/4 
+ 3 
+ 3 
+ 2 
+ 3% 
+ »% 
+ 
+ ! 
+ % 
""K* 
- %. 
— i 
+1% 
+ 2-/2 
trüb; Abv. Schnee 
trüb; schneit 
trüb 
halb hell 
V tf 
hell 
kaum halb hell. 
25. Februar Silber . 
20-ssrankenstücke ... . . . 
Druck von Heinrich Graff in Feldtirch. 
1 05.25 
891 %
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.