Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Neuerung einer abenteuerlichen Politik einmüthig entgegenzu- 
treten, angesichts einer Finanzlage, die dringend Schonung und 
Sparsamkeit gebietet, sein Kriegsbudget um 26*4 Millionen 
erhöht. Namentlich muß es auffallen, daß die Mitglieder Der 
Nationalversammlung in ihren Bewilligungen die Anforderungen 
der Regierung fast noch überbieten; daß der Finanzminister 
dringend bitten muß, das Gleichgewicht des Budgets nicht zu 
gefähroen, ja daß der Kriegsminister selbst sich gegen die Auf- 
nöthigung von Krediten wehren muß, für die er gar keine Ver- 
Wendung hat. Vergeblich sucht man in der Geschichte aller 
Parlamente nach einem PracedenS für diesen allem konstituti- 
onellen Herkommen zuwiderlaufenden Eifer, Geld für Armee- 
zwecke zu bewilligen, welches die Armee nicht einmal brauchen 
kann; Geld, welches keineswegs überflüssig vorhanden ist, 
sondern durch allerlei Steuerzuschläge und Creirung neuer Steu- 
ern beschafft werden muß." 
Ein Korrespondent der „Köln. Ztg." berichtet aus Paris 
folgende sonderbare Erzählung, welche nicht in die 
großen Blätter gedrungen ist. Der Herzog Audiffret-Pasquier 
befand sich in der vorigen Woche mit drei andern Führern deS 
rechten CentrumS in einem Coupe des Verfailler ZugeS. Ein 
fünfter Fahrgast stand am Fenster. Die vier Herren unterhiel- 
ten sich lebhaft^ über auswärtige Politik, namentlich Italien 
gegenüber, und der Herzog Audiffret resümirte seine Aussicht 
schließlich dahin, daß binnen zwei Jahren der Krieg zwischen 
Frankreich und Italien unvermeidlich fei. Die Anderen stimm« 
ten mit diesem Urtheil überein; der unfreiwillige Zuhörer aber 
war — der italienische Geschäftsträger. Der Vertreter Jtali- 
enS habe in Folge dessen eine Besprechung mit dem französischen 
Minister deS Aeußern gehabt. 
Bazaine hat am ersten Weihnachtsfeiertage, um 4 Uhr Nach 
mittags, Trianon verlassen. Ein Wagen führte ihn nach Ville- 
Neuve-Saint-Georges, der ersten Station der Lyon-Bahn wo 
der gewöhnliche Marseiller Schnellzug des Abends den Gefan 
genen aufnahm. Ex wird heute Nachmittags gegen 5 Uhr 
in Antibes eintreffen und dort ein Dampfschiff besteigen, daS 
ihn in einer halben Stunde nach der St. MargarethM'Jnfel 
bringen wird. In der Begleitung des ExmarschallS befanden 
sich sein ältestes Söhnchen, seine beiden Neffen, die noch immer 
der Armee angehören, und der Oberst Villette. Die EScorte 
deS Staatsgefangenen ist keine besonders starke; sie wird von 
einem Gendarmerieoberst befehligt. Auch ein Direktor der Ab- 
theilung für Gefangenanstalten im Ministerium deS Innern, 
welcher die Jnstallirung BazaineS in dem Fort der Insel über- 
wachen soll, befindet, stch bei dem Zuge. 
Italien. Der Papst hat im geheimen Konsistorium vom 
22. d. folgende Kardinäle ernannt: der Patriarch von Lissabon, 
NuScimento, die Erzbischöfe von Paris, Guibert, von Eam- 
bray, Regnier, von Gran, Simor, von Salzburg, Tarnoczy, 
von Valenzia, Bardo, die Nuntien Chigi, Falcinelli, Franchi, 
Oreglia, der Pater Tarquini (Jesuit) und der Pater Marti- 
nelli (Augustiner.) 
Spanien. Die „A. A. Ztg " schreibt über MorioneS: 
Der SiegeSzug des Generals MorioneS hat ein rasches Ende 
gefunden. Nachdem er durch glückliches Zusammenwirken mit 
dem von San Sebastian her operirenden General Loma in 
einem dreitägigen Gefecht bei Belabieta die Karlisten vor To- 
losa geschlagen, gelang eS ihm am 9. der schwer bedrängten 
Stadt Lebensmittel zuzuführen, aber einen entscheidenden Sieg 
über die Karlisten konnte er sich nicht zuschreiben. Er hatte nicht 
einmal gewagt, sein Hauptquartier nach Tolosa zu verlegen, 
sondern blieb mit seinen Truppen in Andoain, erst am 16. d. 
machte er in Begleitung deS Generals Loma, der Stadt einen 
kurzen Besuche Die Karlisten blieben fortwährend im Besitze 
der benachbarten Höhen, ihre Vorposten standen bis dicht vor 
den Thoren von Tolosa, und häusig schlugen ihre Kugeln selbst 
auf der Brücke von Navarra unmittelbar vor Tolosa ein; ihre 
Hauptmacht aber, General Elio mit 14,000 Many, stand 
nur zwei Kilometer weit entfernt im Süden der Stadt, so daß 
man beständig ihre Lager sehen konnte. 
Auch Lizarraga und Radiea sollen mit ihren Truppen bei 
Elio gestanden sein. So blieben die Dinge mehrere Tage. 
Am 20., nachdem die Verproviantirung von Tolosa vollendet 
war, brachen MorioneS und Loma mit ihren 15,000 Mann 
aus der Umgegend von Tolosa auf, um der Küste entlang nach 
Vizcaya (Hauptstadt Bilbao) zu ziehen. MorioneS zog in 
dem engen Thal der Oria, und vermuthlich sind die Carlisten, 
die in überlegener Zahl unter der trefflichen Führung deS Ge- 
neralS Elio südlich von Tolosa standen und im Besitze der 
Höhen waren, ihm seitwärts gefolgt, und haben, da sie den 
kürzeren Weg hatten, ihm bei San Sebastian jeden AuSweg 
nach Westen verlegt, so daß ihm nichts übrig blieb, alS in 
San Sebastian sich einzuschiffen. 
Asten. Vom Kriegsschauplätze der holländischen Expedition 
gegen den Sultan von Atschin in Asien meldet eine Regierungs- 
depesche aus Penang, daß die holländischen Truppen im Be- 
sitze deS Atschin-Flusses sind, und die auf beiden Ufern ge- 
legenen Festungswerke Tanj Kökali's mit geringen Verlusten 
erreicht haben; der Feind scheine durch die erlittenen Nieder- 
lagen und die Beschießung mit schwerem Marinegeschütz ent- 
muthigt. Van Swieten sei bestrebt, Verhandlungen mit dem 
Sultan von. Atschin anzuknüpfen, der zur Uebergabe geneigt 
scheine. Die Vorbereitungen zur Operation gegen den Kraton 
(Residenz deS Sultans) werden gleichwohl fortgesetzt. DaS. 
Wetter ist günstig und der Gesundheitszustand hat sich gebessert. 
Noch neueren Nachrichten auS Penang zufolge halten die 
holländischen Marinetruppen mit schwerem Geschütz den Kraton 
deS Sultans von Atschin eingeschlossen. Van Swieten for- 
derte nochmals die bedingungslose Uebergabe. 
Verschiedenes. 
* In Eschenbach (Luzern) wollte ein Bäckergeselle Krähen 
schießen Da kommt eine 60jahrige Frau um die HauSecke 
herum und läuft ihm in den Schuß. Mit einem lauten Schrei 
fällt sie zu Boden, steht aber wieder auf mit den Worten: „Ei, 
wie bin ich auch erschrocken!" Da taumelt sie abermals und 
fällt, um nicht wieder aufzustehen. Der Schuß hatte sie tödt- 
lich in die Schläfe getroffen. 
Feuilleton. 
Flotte Bursche. 
' Humoreske von Felix Lilla. 
(Fortsetzung.) 
„Wie können Sie mich mit einer Stecknadel vergleichen?" 
fragte Kalmäuser würdevoll entrüstet. „Legen Sie überhaupt so 
viel Werth auf eine Stecknadel, daß Sie sechs Wochen nach einer 
solchen suchen können? O, Sie müssen sehr viel Zeit übrig ha- 
ben, mein Herr, und sie muß Ihnen nicht kostbar sein. Unsere 
aber ist sehr kostbar!" 
„Ich bitte um Vergebung, wenn ich mich schlecht ausgedrückt," 
stammelte Herr Hillbrecht verwirrt. „Aber wirklich ! ich habe Sie 
gesucht wie — wie — wie —" 
„Genug! Sie haben mich also gesucht und nun gefunden. 
Was wünschen Sie von mir?" 
„Auf der Auktion über den Nachlaß der seligen Sarah Op* 
penheimer haben Sie einen ausgestopften Mops gekaust, nicht 
wahr, mein Herr? O, ich erinnere mich genau! Sie haben 
ihn gekauft!" 
„Ich erinnere mich auch genau. Ich habe ihn in der That 
gekauft."
	        

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