Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

I« der Zwischen-Etage. 
Em Drama unter „kleinen Leuten." Von R. B. 
^ . (Fortsetzung.)- . 
Gelbst wenn er das Geld nur leihweise ohne jede intimere 
Bedingung von der Köchin annähme, so würde die Kette der 
Dankbarkeit, mit welcher der sehr erkenntliche Jäger an die Hul- 
debrand befestigt würde, ein stetes Hinderniß für sie, Lisette, 
bleiben. 
Niemand als die eifersüchtigen Augen der Jungfer Huldebrand 
hatten bei der stillen Lisette etwas von der Neigung zu dem Jäger 
wahrgenommen. Niemand Mo auch als die vulkanische Jungfer 
H^emerkte in den nächsten Tagen die Verstörtheit in den Zügen 
W. eifersuchtgefolterten Mädchens; die Köchin jubelte in ihrem 
Inneren darüber.^ Sie verbarg dies ihrer gehaßten Nebenbuhle- 
M keineswegs, sie benahm sich noch widerwärtiger gegen die 
Arme als sonst und behandelte sie geradezu wegwerfend. 
Ihr Triumph sollte jedoch nicht lange dauern; eine ganz un- 
geahnte Aenderung der Dinge vollzog sich. 
Die Gräfin hatte, nach ihrer abgeschlossenen, unnahbaren 
Manier ihren Dienstboten gegenüber, ohne ein Wort darüber zu 
verlieren, sich vorgenommen, den Jäger loszukaufen. Er war ihr 
ein treuer, sittsamer, zuverlässiger Diener, den sie nicht gerne 
missen mochte. Zeit, dies ihm zu sagen, wäre noch immer ge- 
nug, dachte die Gräfin- wenn die Freilassung käme. 
Etwa einen Monat vor dem Termin zählte die alte Dame 
also eines Abends das Geld ab und verschloß diese Summe bis 
zum Morgen, wo sie zu schreiben beabsichtigte, in ihrem Schreib- 
tische. Lisette, die im Nebenzimmer, dem Schlafgemach der 
Gräfin, auf ihre Herrin wartete, um diese wie gewöhnlich aus- 
zukleiden, hörte den Klang des Geldes, das Zählen, und ein 
Krampf zog Plötzlich ihr Herz zusammen, ihr Athem stockte, ein 
Blitz fuhr aus ihren stillen, beschatteten Augen und scheu und 
pnrpurroth werdend, schaute sie sich im Zimmer um. Dann saß 
sie in sich versunken auf dem Stuhle und erwartete wie erstarrt 
ihre Herrin. 
Diese kam bald. Lisette verrichtete ihren Dienst und zog sich 
Zurück, indem ihre Augen wie gebannt auf ein Schlüsseltäschchen 
gehestet blieben. — Ein Innehalten des Athems, eine geschickte 
scheinbar harmlose Handbewegung, und das Täschchen war in 
ihren Fingern und glitt in ihre Rocktasche. 
Das Mädchen verließ jetzt das Schlafgemach. Um zu ihrer 
Kammer zu gelangen, mußte sie das Zimmer passiren, wo die 
Gräfin vorhin das Geld gezählt hatte. . . . Lisette durchschritt 
dieses, öffnete die hinausführende Thüre hörbar und verschloß diese 
laut, blieb aber im Zimmer. Dann stand sie athemlos lauschend 
still, leise öffnete sie darauf den Schreibtisch und nahm das Geld. 
Etwa bis Mitternacht verharrte das Kammermädchen fast ohne 
ein Glied zu rühren noch in dem Gemache, dann öffnete sie vor- 
sichtig die Thüre des Schlafgemaches ihrer Herrin, legte lautlos 
die Schlüsseltasche an den alten Platz und schlich sodann, die 
Schuhe in der Hand, hinunter in ihr Schlafzimmer. Niemand 
war ihr begegnet, kein Laut hatte sich geregt; keine Seele konnte 
sie bemerkt haben, und das starke Athmen der Gräfin gab ihr 
die Gewißheit, daß diese fest geschlafen. 
Noch in derselben Nacht suchte Lisette ein Schriftchen aus 
ihrer Komode hervor, schrieb nach einem Formular in demselben 
einen Brief, legte ihn zu dem Geld, verschnürte und versiegelte 
dies und fügte nach einem Zettelchen die Adresse bei. Bevor 
noch irgend Jemand im Hause erwacht war, hatte Lisette dies schon 
verlassen. Zn der Vorstadt kannte sie eine fast stumpfsinnige Wasch- 
fran, der übergab sie das Päckchen nebst Porto und Trinkgeld 
mit der Anweisung, es heimlich sobald als möglich zur Post zu 
tragen und die Quittung darüber aufzubewahren, ebenfalls ohne 
Jemanden davon etwas zu sagen, bis sie dieselbe abverlange» 
würde. Unbemerkt kam das Mädchen wieder in das Haus. 
Besuche verhinderten die Gräfin, an diesem und dem nächsten 
Tage ims Geld abzusenden; als die alte Dame aber an dem 
zweitfolgenden sich ihres Vorhabens erinnerte und den Schreibtisch 
öffnete, fehlte das Geld 
Nicht sowohl des Verlustes wegen, als weil sie auf eine- so 
unbegreifliche Äeise bestohleu worden war, erschrack die Gräfin 
heftig Die ganze Dienerschaft wurde zusa;nmenberusen. Sämmt- 
liche Bedienstete boten sofort eine Durchsuchung ihrer Effekten an, 
welche ein herbeigerufener Polizeikommissär auch ausführte. Es 
fand sich natürlich nichts. Die alte Dame hatte auf Niemanden 
Verdacht ; auf die Frage des Polizeibeamten, wer am bewußten 
Abende zuletzt um sie gewesen und möglicher Weise Kenntniß vqn 
dem Verschließen des Geldes gehabt haben konnte, gab die Grä 
fin das Kammermädchen an. Es Hot sich aber dem. Kommissär 
nicht 'die geringste Handhabe, gegen Lisetse einzuschreiten. , - 
Ein sehr unheimlicher gedrückter Ton gegenseitigen Mißtrauens 
herrschte jetzt in der Zwischen-Etage; die alte Gräfin zeigte ein 
sehr mürrisches, verdrießliches Gesicht, 
Ein derartiger Ausfall war für die Gräfin jedoch nicht so 
bedeutend, als daß sie ihr Vorhaben deswegen aufgegeben hätte. 
Die alte Dame schickte nach einigen Tagen neue fünfzehnhundert 
Gulden nach Innsbruck und war etwas überrascht von der 
Schnelligkeit, mit welcher die Angelegenheit des Jägers expedirt 
worden zu sein schien, denn kaum konnte nach ihrer Berechnung 
das Geld angekommen sein, da mußte man sich auch sofort hin- 
gesetzt, den Freilassungsschein des Jägers geschrieben und abgesendet 
haben. Mit freudestrahlendem Gesicht brachte Friedrich der Grä- 
fin das unter seiner Adresse angekommene Schreiben aus Inns- 
brück, welches seine Freilassung enthielt; jetzt ward ihm auch mit- 
getheilt, daß die Gräfin ihn losgekauft habe. Seinen Dank lehnte 
eine Stillschweigen gebietende Handbewegung der Herrin ab. 
(Fortsetzung folgt ) 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber : vr. Rudolf Schädler. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 30. Jänn. 
Der halbe Metzen 
beste 
mittlere 
geringe 
fl. 
kr. 
fl. 
kr. 
fl. 
kr. 
Korn ..... 
4 
50 
4 
40 
4 
30 
Roggen .... 
3 
50 
3 
40 
3 
30 
Gerste 
2 
90 
2 
80 
2 
70 
Türken . . . . 
1 3 
— 
2 
90 
2 
80 
Hafer | 
1 
80 
1 
70 
1 
60 
Thermometerstand nach Reaumnr in Vaduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Jänn. 28 
2 
+ 1 
— 2 
fast ganz trüb; Sch 
29. 
— 5 
+ 1 
- 1 
fast trüb. 
v 30. 
— 4*/ 2 
- % 
- 154 
hell. 
„ 31. 
— 1 
+ 2% 
+ v 2 
J / 4 hell; Schnee 
Februar 1. 
0 
+ 3 
+ 1 
bedeckt; schneit 
O 
n "" 
- % 
+ 3 
+ 1 
halb hell. 
„ 3. 
- Vi 
+ 3 
+ 1 
trüb. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
4. Februar Silber 107.10 
20-Frankenstücke 9.04 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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