I« der Zwischen-Etage.
Em Drama unter „kleinen Leuten." Von R. B.
^ . (Fortsetzung.)- .
Gelbst wenn er das Geld nur leihweise ohne jede intimere
Bedingung von der Köchin annähme, so würde die Kette der
Dankbarkeit, mit welcher der sehr erkenntliche Jäger an die Hul-
debrand befestigt würde, ein stetes Hinderniß für sie, Lisette,
bleiben.
Niemand als die eifersüchtigen Augen der Jungfer Huldebrand
hatten bei der stillen Lisette etwas von der Neigung zu dem Jäger
wahrgenommen. Niemand Mo auch als die vulkanische Jungfer
H^emerkte in den nächsten Tagen die Verstörtheit in den Zügen
W. eifersuchtgefolterten Mädchens; die Köchin jubelte in ihrem
Inneren darüber.^ Sie verbarg dies ihrer gehaßten Nebenbuhle-
M keineswegs, sie benahm sich noch widerwärtiger gegen die
Arme als sonst und behandelte sie geradezu wegwerfend.
Ihr Triumph sollte jedoch nicht lange dauern; eine ganz un-
geahnte Aenderung der Dinge vollzog sich.
Die Gräfin hatte, nach ihrer abgeschlossenen, unnahbaren
Manier ihren Dienstboten gegenüber, ohne ein Wort darüber zu
verlieren, sich vorgenommen, den Jäger loszukaufen. Er war ihr
ein treuer, sittsamer, zuverlässiger Diener, den sie nicht gerne
missen mochte. Zeit, dies ihm zu sagen, wäre noch immer ge-
nug, dachte die Gräfin- wenn die Freilassung käme.
Etwa einen Monat vor dem Termin zählte die alte Dame
also eines Abends das Geld ab und verschloß diese Summe bis
zum Morgen, wo sie zu schreiben beabsichtigte, in ihrem Schreib-
tische. Lisette, die im Nebenzimmer, dem Schlafgemach der
Gräfin, auf ihre Herrin wartete, um diese wie gewöhnlich aus-
zukleiden, hörte den Klang des Geldes, das Zählen, und ein
Krampf zog Plötzlich ihr Herz zusammen, ihr Athem stockte, ein
Blitz fuhr aus ihren stillen, beschatteten Augen und scheu und
pnrpurroth werdend, schaute sie sich im Zimmer um. Dann saß
sie in sich versunken auf dem Stuhle und erwartete wie erstarrt
ihre Herrin.
Diese kam bald. Lisette verrichtete ihren Dienst und zog sich
Zurück, indem ihre Augen wie gebannt auf ein Schlüsseltäschchen
gehestet blieben. — Ein Innehalten des Athems, eine geschickte
scheinbar harmlose Handbewegung, und das Täschchen war in
ihren Fingern und glitt in ihre Rocktasche.
Das Mädchen verließ jetzt das Schlafgemach. Um zu ihrer
Kammer zu gelangen, mußte sie das Zimmer passiren, wo die
Gräfin vorhin das Geld gezählt hatte. . . . Lisette durchschritt
dieses, öffnete die hinausführende Thüre hörbar und verschloß diese
laut, blieb aber im Zimmer. Dann stand sie athemlos lauschend
still, leise öffnete sie darauf den Schreibtisch und nahm das Geld.
Etwa bis Mitternacht verharrte das Kammermädchen fast ohne
ein Glied zu rühren noch in dem Gemache, dann öffnete sie vor-
sichtig die Thüre des Schlafgemaches ihrer Herrin, legte lautlos
die Schlüsseltasche an den alten Platz und schlich sodann, die
Schuhe in der Hand, hinunter in ihr Schlafzimmer. Niemand
war ihr begegnet, kein Laut hatte sich geregt; keine Seele konnte
sie bemerkt haben, und das starke Athmen der Gräfin gab ihr
die Gewißheit, daß diese fest geschlafen.
Noch in derselben Nacht suchte Lisette ein Schriftchen aus
ihrer Komode hervor, schrieb nach einem Formular in demselben
einen Brief, legte ihn zu dem Geld, verschnürte und versiegelte
dies und fügte nach einem Zettelchen die Adresse bei. Bevor
noch irgend Jemand im Hause erwacht war, hatte Lisette dies schon
verlassen. Zn der Vorstadt kannte sie eine fast stumpfsinnige Wasch-
fran, der übergab sie das Päckchen nebst Porto und Trinkgeld
mit der Anweisung, es heimlich sobald als möglich zur Post zu
tragen und die Quittung darüber aufzubewahren, ebenfalls ohne
Jemanden davon etwas zu sagen, bis sie dieselbe abverlange»
würde. Unbemerkt kam das Mädchen wieder in das Haus.
Besuche verhinderten die Gräfin, an diesem und dem nächsten
Tage ims Geld abzusenden; als die alte Dame aber an dem
zweitfolgenden sich ihres Vorhabens erinnerte und den Schreibtisch
öffnete, fehlte das Geld
Nicht sowohl des Verlustes wegen, als weil sie auf eine- so
unbegreifliche Äeise bestohleu worden war, erschrack die Gräfin
heftig Die ganze Dienerschaft wurde zusa;nmenberusen. Sämmt-
liche Bedienstete boten sofort eine Durchsuchung ihrer Effekten an,
welche ein herbeigerufener Polizeikommissär auch ausführte. Es
fand sich natürlich nichts. Die alte Dame hatte auf Niemanden
Verdacht ; auf die Frage des Polizeibeamten, wer am bewußten
Abende zuletzt um sie gewesen und möglicher Weise Kenntniß vqn
dem Verschließen des Geldes gehabt haben konnte, gab die Grä
fin das Kammermädchen an. Es Hot sich aber dem. Kommissär
nicht 'die geringste Handhabe, gegen Lisetse einzuschreiten. , -
Ein sehr unheimlicher gedrückter Ton gegenseitigen Mißtrauens
herrschte jetzt in der Zwischen-Etage; die alte Gräfin zeigte ein
sehr mürrisches, verdrießliches Gesicht,
Ein derartiger Ausfall war für die Gräfin jedoch nicht so
bedeutend, als daß sie ihr Vorhaben deswegen aufgegeben hätte.
Die alte Dame schickte nach einigen Tagen neue fünfzehnhundert
Gulden nach Innsbruck und war etwas überrascht von der
Schnelligkeit, mit welcher die Angelegenheit des Jägers expedirt
worden zu sein schien, denn kaum konnte nach ihrer Berechnung
das Geld angekommen sein, da mußte man sich auch sofort hin-
gesetzt, den Freilassungsschein des Jägers geschrieben und abgesendet
haben. Mit freudestrahlendem Gesicht brachte Friedrich der Grä-
fin das unter seiner Adresse angekommene Schreiben aus Inns-
brück, welches seine Freilassung enthielt; jetzt ward ihm auch mit-
getheilt, daß die Gräfin ihn losgekauft habe. Seinen Dank lehnte
eine Stillschweigen gebietende Handbewegung der Herrin ab.
(Fortsetzung folgt )
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber : vr. Rudolf Schädler.
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 30. Jänn.
Der halbe Metzen
beste
mittlere
geringe
fl.
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
Korn .....
4
50
4
40
4
30
Roggen ....
3
50
3
40
3
30
Gerste
2
90
2
80
2
70
Türken . . . .
1 3
—
2
90
2
80
Hafer |
1
80
1
70
1
60
Thermometerstand nach Reaumnr in Vaduz.
Monat
Morgens
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witterung.
Jänn. 28
2
+ 1
— 2
fast ganz trüb; Sch
29.
— 5
+ 1
- 1
fast trüb.
v 30.
— 4*/ 2
- %
- 154
hell.
„ 31.
— 1
+ 2%
+ v 2
J / 4 hell; Schnee
Februar 1.
0
+ 3
+ 1
bedeckt; schneit
O
n ""
- %
+ 3
+ 1
halb hell.
„ 3.
- Vi
+ 3
+ 1
trüb.
Telegrafischer Kursbericht von Wien.
4. Februar Silber 107.10
20-Frankenstücke 9.04
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.