Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

wäre. Er Hube in früherer Zeit der Deutschen gebothenen De- 
müthigungen gedacht und eS für an der Zeit gehalten, daß 
Deutschland solche Attentate räche. (Beifall.) Spanien sei 
nur zu helfen gewesen, wenn man die für Herstellung einer 
staatlichen Ordnung gesinnten Elemente Spaniens anerkenne. 
Deutschland habe dies gethan und mit ihm die meisten euro 
päischen und überseeischen Mächte. Rußland werde von den 
spanischen Verhältnissen weniger berührt; Deutschland hatte 
dies zu achten, wie eS jede Anstcht einer auswärtigen Macht 
achte, besonders einer solchen mit der eS seit einem Jahrhun 
dert in inniger Freundschaft lebe. Wenn die Pfeile des Por- 
rednerS gegen diese Freundschaft gerichtet sind, dann gehen sie 
fthl, wir stehen darüber thurmhoch. DaS Fiasko das ich ge- 
macht haben soll, kann ich ruhig tragen. 
Der Borredner berührte auch .daS Kissinger Attentat und 
nannte Kullmann einen verrückten Menschen; ein solcher war 
Aullmann nicht. Sie wollen keine Gemeinschaft mit Kullmann: 
daS begreife ich, aber er hält sich fest an Ihren Rockschößen. 
Ich fragte ihn: Weßhalb wollten Sie mich tödten da ich Ih- 
nen doch nichts that? Er antwortete: „Wegen der Kirchenge- 
fetze und Sie haben meine Kraetion beleidigt!" Ich fragte: 
Welches ist Ihre Fraction? Er antwortete: Die „CentrumS- 
fraction". (Hört! hört! Großer Lärm.) Stoßen Sie Kull- 
mann zurück, er gehört doch zu Ihnen! (Stürmischer Beifall 
rechts und links. AuS dem Centrum „Pfui:") Der Präsident 
bezeichnet solche Rufe als unparlamentarisch. Fürst Bismarck 
fährt fort?: Solche Rufe zu rügen wie sie ein Abgeordneter 
auf der zweiten CentrumSbank ausstieß, steht mir kein Recht 
zu, aber der Ausdruck „Pfui" ist ein Ausdruck des Ekels und 
der Verachtung und diese Gefühle sind auch mir nicht fremd, 
aber ich bin zu höflich dieselben auszusprechen. (Anhaltender 
Lärm). Windthorst (Meppen) bemerkt: Fürst Bismarck habe 
in seiner nach dem Kisftnger Attentat vom Balcon seiner 
Wohnung gehaltenen Rede die Parolle für die Angriffe auf 
daS Centrum gegeben, er thue Unrecht die Parteien gegertei- 
nander zu Hetzen, man treibe ohnehin einem Kriege zu. Kürst 
Bismarck weist diesen Borwurf zurück, erinnert an die Hetze- 
reien der ultramontanen Partei, welche Vorgänge wie daS 
Kisftnger Attentat provocirten und schließt: Wollte ich die 
Hälfte dessen glauben was die ultramontane Presse gegen 
mich sagt, wer weiß was ich thäte! LaSker erklärte, die AuS» 
lassungen WindthorstS, welche zum Kriege heytcn, seien eines 
Volksvertreters unwürdig; er wird wegen dieses Ausdrucks vom 
Präsidenten zur Ordnung gerufen. Hierauf wird nach uner- 
heblicher Debatte die EtatSberathung fortgesetzt und werden 
alle zur Berathung stehenden Etatspositionen genehmigt. 
Frankreich. In der französischen Nationalversammlung ist 
am 3. Dezember die Botschaft Mae-MahonS verlesen worden; 
dieselbe besagt: „In dem Augenblick wo Sie im Begriffe ste- 
hen Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, hat die Regierung die 
Pflicht, Ihnen eine Darlegung der allgemeinen Lage deS Lan 
des zu geben, und bin ich Ihnen auch die loyale Kundgebung 
meiner eigenen Gesinnungen schuldig. Während Ihrer Abtve- 
senheit bin ich bemüht gewesen, die doppelte Aufgabe der Be- 
festigung deS Friedens und der Ausrechterhaltung der Ord 
nung gewissenhaft zu erfüllen. Keine innere Verwicklung stellte 
sich dem Werke der Reorganisation, welchem wir uns widmen, 
hemmend entgegen. Meine Regierung verabsäumte nicht, durch 
Wort und That den festen Entschluß zu bekräftigen, alle 
Verpflichtungen treu zu halten und alle Verträge streng zu er- 
füllen. Diese Politik, welche Sie immer gebilligt, und in wel- 
cher wir beharrt haben, hat unsere Beziehungen zu den aus 
wärtigen Mächten täglich vertrauenswürdiger gestaltet. Keine 
dieser Mächte zweifelt heut an unfern ansrichtigen Wünschen, 
mit allen feste, friedliche und freundfchaftlichliche Beziehungen 
zu unterhalten Wie ich aber meine Pflichten gegenüber der 
Rationalversammlung und dem Lande auffasse, will ich Ihnen 
heute schon sagen. Ich habe die Gewalt nicht angenommen 
um den Bestrebungen irgend einer Partei zu dienen; ich ver- 
folge nur daS Werk der Vertheidigung der Gesellschaft und 
der nationalen Wiederherstellung. Zur Erfüllung dieser Auf- 
gäbe rufe ich mir, ohne mich ausschließend zu zeigen, jeden 
von gutem Willen, alle diejenigen zu Hülfe, deren persönliche 
Eigenschaften stch vor den gebieterischen Anforderungen der 
Gegenwart und vor der geheiligten Sache des Vaterlandes 
verneigen, und ich wünsche lebhaft, daß mir der Beistand 
keines derselben fehlen möge; ich nehme ihn für mich in An- 
spruch im Namen von Frankreich, dessen Wohlfahrt und Größe 
ich ganz allein im Auge habe. Auf alle Fälle wird mich nichts 
in Erfüllung meiner Aufgabe entmuthigen. Am 20. Novem- 
ber 1373 haben Sie mir im Interesse des Friedens, der Ord- 
nung. und öffentlichen Sicherheit auf sieben Jahre die vollzie 
hende Gewalt anvertraut; dasselbe Interesse macht eS mir zur 
Pflicht, nicht von dem Posten zu desertiren, auf den Sie mich 
-gestellt haben, und denselben bis zum letzten Tage mit uner- 
schütterlcher Festigkeit und gewissenhafter Ehrfurcht vor den 
Gesetzen zu behaupten." Die Botschaft betont sodann die Ver- 
besserung der wirtschaftlichen Lage des Landes in Folge der 
reichlichen Ernte, welche die industrielle Thatigkeit wieder be- 
lebt. Die Ausfuhren deS JahreS 1874 werden diejenigen deS 
IahreS 1873 erreichen. Der den öffentlichen Arbeiten gegebene 
Impuls wird die Anstrengungen der nationalen Arbeit unter» 
stützen. Der Finanzminister wird Gesetzentwürfe vorlegen, die 
bestimmt sind, Verbesserungen m der Finanzverwaltung zu ver- 
wirklichen und die fiskalische Gesetzgebung zur Verhütung von 
Betrügereien zu vervollständigen. Ein Spezialbericht über die 
Finanzlage wird die Mittel zur Deckung des im Budget 1874 
verbliebenen Defizits auseinandersetzen. . Die Botschaft besagt 
ferner: „Während ich einige Departements bereiste, habe ich 
überall wahrgenommen, daß sich mit der Liebe zur Ordnung 
und dem Wunsche nach Frieden und Sicherheit daS Verlan 
gen vereinigte, daß durch die von Ihnen als unerläßlich an- 
erkannte Organisation der vollziehenden Gewalt, wie sie auS 
den Gesetzen vom 20. November 1873 hervorging, die Kraft 
verliehen werde, deren sie zur Erfüllung der ihr anvertrauten 
Sendung benöthigt. Fortgesetzt durch verderbliche Docmnen 
aufgeregt, verlangt daS Land von Ihnen, daß der Gang der 
Regierung gesichert und durch Maßregeln weiser Vorsicht die 
regelmäßige Ausübung der öffentlichen Gewalten gewährleistet 
werde. Ich hoffe, daß Sie in Berathung dieser so wichtigen 
Fragen ein Einverstänvniß erzielen werden. Ich werde jede 
Verantwortung ablehnen und mich jeder Einmischung enthal- 
ten. Meine Regierung aber wird eS an ihrer Pflicht nicht 
fehlen lassen." 
China. Heber den Sturm, der am 22. bis 23. Sept. 
in Hongkong wüthete, schreibt ein dort wohnender Zuger, Jul. 
Kaiser, dem Zuger „BoltSbl.": Der fürchterliche Sturm war 
ein Ereigniß, wie dasselbe selten vorkommt. Der Barometer 
fiel schon Nachmittags stark, .und in Folge dessen ließ ich am 
Abend Alles verschließen und festmachen. Gegen zehn Uhr 
RachtS brach der Orkan loS. ES ist mir unmöglich, Ihnen 
einen Begriff in Worten zu geben über die entfesselte Wuth 
deö SturmeS. Unser großes HauS bebte und von außen war 
ein scheußliches Geheul vom Meere her in allen Tonarten, 
dazwischen ein Zerren, Schmettern und Gekrach, daß es furcht 
bar war. — Der Barometer fiel von 10—2 Uhr NachtS um 
einen ganzen Zoll. Große Angst bemächtigte sich aller leben- 
den Wesen, die nur gefühlt, aber nicht ausgesprochen werden 
kann; von Schlafen war keine Rede. Endlich gegen Morgen 
gab der Sturm nach und der Tag fing an zu grauen — aber 
Verwüstung bot stch dem Auge dar! Zusammengestürzte und 
abgedeckte Häuser., zerrissene und umgeworfene Bäume, die 
Häuser am Hafen waren 6 Schuh hoch mit Wasftr ange- 
füllt. Ein großes amerik. Schiff lag mit allen Masten über
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.