Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

wunden Stellen mit Eichenrindenpulver oder dem Pulver von 
verkohltem Leder, als nützlich empfohlen. 
Anders aber verhält es sich bei der letztbeschriebenen hochgradi- 
gern Form des KlauenweheS^ bei diesem ist nicht nur Pharma- 
zeutische, sondern auch chirurgische Hilfeleistung notwendig. 
Wenn sich daher der Klauenschmerz bei einem Thier inner- 
halb 14, höchstens 21 Tagen, während welcher Zeit die gut- 
artige Form der Klauenseuche vollkommen zu genesen pflegt, in 
dem einen oder andern Fußende nicht verliert oder wohl gar 
erhöht, mithin daS Thier immer hinkt, dann tst eS an der 
Zeit, daö betreffende Fußende genau zu untersuchen und findet 
tnan, daß der obwaltende Schmerz nicht bloß von zwischen die 
Horn- und Fleischsohle eingesenkten Unreinigkeiten (Steinen) 
herrührt, sondern daß derselbe in einer stark angeschwollenen 
Balle, oder in den in der Hornkapsel eingeschlossenen Gebilden 
seinen Sitz hat; dann ist eS höchste Zeit einen Sachkundigen 
beizuziehen und den in der Tiefe liegenden Krankheitsproduk 
ten (Eiter, Jauche) den nöthigen Abfluß zu verschaffen, wenn 
man nicht carieS Desorganisation der in der Hornklaue be- 
findlichen Gebilde und Abzehrung deS Thiers gewärtigen will 
(Schluß folgt.) 
Verschiedenes. 
* „Wie man im Jahr 1819 von Eisenbahnen dachte." — 
Ein merkwürdiges Exemplar der englischen wissenschaftlichen 
Zeitschrist Quarterly Review befindet sich unter GlaS u. Rah- 
wen im Söuth-Kenstngton Museum zu London. Dasselbe ist 
auS dem Jahre 1819 datirt und enthält ein Urtheil über das 
damals neu aufgetauchte Projekt, eine Eisenbahn mit Dampf- 
betrieb anzulegen, mit der man zweimal so schnell als mit der 
Post befördert werden könnte. Dieses Urtheil lautet: „Wir find 
ilicht die Befürworter phantastischer Projekte, welche sich auf 
nützliche Institute beziehen. Wir verspotten die Idee einer Eisen- 
bahn als praktisch unausführbar! Gibt eö etwas Lacherlicheres 
und Absurderes, als daS Projekt eines Dampfwagens, welcher 
zweimal so geschwind gehen soll als unsere Postwagen! Eher 
ließe sich erwarten, daß man sich im Artillerie-Laboratorium zu 
iVoolwich mittelst einer Congreve'schen Rakete befördern laßt, 
als. durch die Gnade einer doppelt fo schnell als unsere Post- 
wagen laufenden Locomotive!" 
* Straßburg, 4. Nov. Wie die „Straßb. Ztg." be- 
richtet, ist der ungarische Honved-Husaren-Lieutenant Lubo- 
witS, welcher die Wette eingegangen ist, den Weg von Wien 
nach Paris auf ein und demselben Pferd, der A. v Bauerle 
gehörigen Halbblutstute „Cadarve", in vierzehn Tagen zurück- 
zulegen, gestern Nachmittags hier eingetroffen. Hiesige Mit- 
glieder des RennvereinS und deren Damen, welche sich für 
den Sport besonders interessiren, haben den Reiter in Kehl 
begrüßt und demselben ein Bouquet überreicht, welches als 
sprechendes Wahrzeichen deS - bisherigen Erfolges sofort nach 
Wen befördert wurde. Die gestrige Tour ging über den Knie- 
bis, und eS erfolgte der Aufbruch früh Morgens von Freu- 
denstadt Den Weg durch Bayern legte LubowitS in seiner 
Honvedum'form zurück, waS ihm zum Behufe einer rascheren 
Bedienung auf den Zwischenstationen von Nutzen war. Da 
er heute die französische Grenze betritt (sein Weg geht durch 
daS Breuschthal über Schirmeck nach Raon l'Etape und Lun6- 
ville), so trägt er jetzt Civilkleider. Sein ganzes Gepäck besteht 
aus einem zweiten Hemd und einem Regenmantel. Auf der geftri- 
gen Reife passirte dem Reiter das Unglück/ daß fein Pferd in 
einen Knochensplitter trat. Thierarzt Jmlin, dessen Hilfe bei 
diesem unliebsamen Anlaß in Anspruch genommen wurde, war 
in der Lage daS entstandene Uebel mit Hilfe eines eingelegten 
MetallsplitterS zu heben, und hat die Zuversicht ausgesprochen, 
daß der kleine Zwischenfall keine unangenehmen Folgen nach 
sich ziehen werde. LubowitS, welcher, um die Wette zu ge- 
Winnen, am nächsten Montag 10 Uhr Vormittags an der 
Barrisre du Tröne in Paris eintreffen muß, hat heute einen 
Vorsprung von 20 Meilen auf die zu durchlaufende Strecke 
von 195 Meilen. Er wird also, wenn das letzte Drittheil 
der Reise so gut abläuft wie bisher, die Wette gewinnen. Die 
pro und contra durch den Unionklub in Wien und den Lon- 
doner Jockey-Klub eingegangenen Wetten entziffern sich auf 
die Summe von 3 Mill. Franken. DaS rechtzeitige Eintref 
fen in Straßburg hat ihm bereits den Betrag von 15 000 fl. 
eingetragen. Trotzdem erklärte derselbe: er habe nicht Lust 
die Reise noch einmal zu machen, da das Kunststück höchst an- 
strengend sei. 
Die gute alte Tante. 
Humoreske 
von 
Stanislaus Graf Grabows ki. 
(Fortsetzung.) 
Jetzt war ihm aber wirklich daö Herz vor Aerger u.Zorn 
geschwollen; auf dem Flure draußen murmelte auch er einen 
Fluch zwischen den zusammengebissenen Zähnen und ging dann 
mit ingrimmigem Blicke jschnurstrackS nach seiner Kasematte. 
Der gesattelte Schimmel stand vor derselben schon an Fried- 
rich'S Hand. 
„Und wenn es sich um meine Seligkeit handelte, ich reite 
dennoch nach BomSfeloe!" sagte Rohrbach zu sich selbst. „Ich 
bin kein dummer Junge mehr und lasse mich von dem alten 
Pedanten nicht als solchen behandeln! — Ist er nicht recht 
gefcheidt? — Jeden Augenblick könnte der Feind vor den Tho- 
ren stehen? — Wäre mir jetzt gerade recht, aber leider liegt 
G. an die fünfzig Meilen von der österreichischen Grenze ent- 
fernt, u. ich habe noch nie gehört, daß die Weißröcke Sieben- 
meilenstiefeln besäßen. Mag daraus werden, was da will — 
ich muß Emma sehen und sprechen! sHat man denn sein Herz 
verkauft, wenn man sich mit Mühe u. Roth durch die Klippen 
aller Examina'S und den Kommißdienst bis zum Lieutenant 
herausgearbeitet hat?" — 
Er kleidete sich schnell um, bestieg trotzig seinen Schimmels 
der sofort die Sporen zu fühlen bekam, u. ritt dem FestungS- 
thore zu. Unterwegs begegnete er noch einem guten Kamera- 
den, dem er sein Schicksal anvertraute und ihn ersuchte, ^ihn 
mit Unwohlsein zu entschuldigen, wenn etwa eine unvorherge 
sehene und ^sehr .unwahrscheinliche Dienstliche .Nachfrage nach 
ihm eintreten sollte. 
„Machen Sie .sich lieber keine Ungelegen Helten, Rohrbach!" 
warnte der Andere. 
„Zum Teufel auch! ich werde jetzt ebenso grob und rück- 
sichtSloS wie der Alte!" 
Dem Schimmel wurden noch einmal die Sporen eingesetzt, 
und er flog mit seinem Reiter fast den abschüssigen Weg zur 
Stadt hinab. v 
Allmählig beruhigte sich unser Lieutenant in der frischen 
Luft und begann im Hinblicke auf den Empfang in BomS- 
felde wieder zu lächeln; er verließ die Garnison nicht zum er- 
sten Male ohne Urlaub, u. eS war ihm dafür noch nie etwas 
besonderes passirt. Daö Benehmen des Generals empörte ihn 
auch derartig, daß er demselben recht gerne eine Nase drehte. 
In seinen Erwartungen für Bomöfelde hatte er sich nicht 
^ verrechnet; der alte Herr, ein noch sehr stattlicher und rüstiger 
Mann, freute sich unendlich, ihn wiederzusehen, u. mehr noch 
vielleicht seine drei Töchter, von denen Emma dle älteste, und 
die jüngste noch ein allerliebster fünfzehnjähriger Backfisch war. 
Alle hatten den munteren Lieutenant v. Rohrbach gerne, zumal 
sein Besuch Abwechselung in daS einförmige Landleben brachte; 
Niemand zweifelte auch mehr an seinen Absichten auf Emma 
und gratulirte aufrichtig und herzlich diesen Beiden dazu; es 
fehlte nur noch an der Gelegenheit zur öffentlichenMerlobungS- 
erklärung; einverstanden war man allerseits damit. Emma selbst
	        

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