Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

barunter deS Kapitäns Gemahlin, gingen dabei verloren. 
Sämmtliche nördliche Flüsse sind gewaltig angeschwollen und 
mußte die Schifffahrt auf ihnen vorläufig eingestellt werden. 
Geringer als an der Küste und auf der See waren die Ver 
heerungen zu Lande Im Sheffield ward ein Wanderer in 
"der Nähe der zugigen Viktoria-Station von dem Winde in 
die Lüfte gejagt und schwer zugerichtet. Einen andern schleu 
derte der Sturm durch daö Schaufenster eines Ladens hindurch 
und fügte ihm gefährliche Verletzungen zu. Die Menge der 
umgestürzten Kamine, eingeblasenen Fensterscheiben und zer 
trümmerten Laternen in Sheffield und anderwärts übersteigt 
jede Berechnung Der irische Postzug kam hinterwärts Ban- 
gor, als er gegen Bodargan zu eine leichte Erhebung erklomm, 
Don der Wucht deS Sturmes zum Stehen und konnte nur 
durch ganz außerordentliche Anstrenguugen vom Rücklause ver- 
hindert werden. ES begann der Orkan im Norden Irlands 
gegen 1 l Uhr NachtS, erreichte die nordöstliche Küste von Eng- 
land gegen 2 Uhr Morgens und war von schweren Regen- 
gössen und mitunter Schneefällen (auf dem Grampian) be- 
gleitet. 
* Elastisches GlaS. Ein neuer GewerbSzweig, die 
Anfertigung elastischen GlaseS, wird demnächst in der Welt 
erscheinen. Die .Erfindung gehört einem Hrn. de la Bastie 
zu Mez In Frankreich und dem Ausland hat man Patente 
darauf genommen; die Gesellschaft hat sich zu Bourg mit 
Hülfe einiger' Freunde konstituirt, welche dem Erfinder ihre 
Kommandite angetragen haben; der Bau der Hochöfen rückt 
rasch vorwärts. Man darf sich daher der Hoffnung hingeben, 
die Produkte schon diesen Winter im Handel zu erblicken. Die 
Experimente, welche mit diesem neuen Produkte am Bahnhofe 
von Poutd'ain angestellt wurden, haben, wie von dort geschrie- 
ben wird, ein befriedigendes Ergebniß gehabt. Bastie'S ela- 
stischeS GlaS ist nur 3 Millimeter dick und widersteht dem 
Fälle eines Gewichts von 100 Gramm aus einer Höhe von 
mehr als 5 Metern. Wird eS mit Kraft auf den Boden ge- 
worfen, so springt eS zurück, ohne zu zerbrechen, und gibt 
dabei einen Ton von sich, wie ein Meiallblatt; ferner wieder- 
steht es der intensivsten Hitze. Man siebt, wie vielfach dessen 
Anwendung in der Industrie sein wird. Man will eS erst 
zu HauShaltungSzwecken verwenden und Kupfer und Eisen mit 
Bortheil hierdurch ersetzen. 
* Der originelle Professor Ernst Moritz Arndt in Bonn, 
welcher noch im hohen Greisenalter täglich seine Vorlesungen 
hielt, brachte in seinem Kollegium über Geschichte mitunter 
drollige Stückchen zum Vortrag „Wie, meine Herren," sagte 
er eines TageS, „wie werden sich die verschiedenen Nationali- 
täten in dem Augenblicke offenbaren, wo ihnen beim Trtn- 
ken von ungefähr eine Fliege ins Weinglas fällt?" Allge- 
meine Stille. 
„Ich will eS eS Ihnen sagen," antwortete der Professor 
lachend, „der Italiener schüttet ohne Zaudern daS ganze GlaS 
sammt der Fliege auS; der Franzose schüttelt daS GlaS so 
lange, bis der halbe Inhalt mit dem Jnsekt herausfließt; der 
Engländer schnitzt sich mit großer Gemüthöruhe zwei Spän- 
chen und fischt damit den ungeladenen Gast aus dem köstli 
chen Naß, trinkt aber dann unbedenklich weiter; der Deutsche 
nimmt die natürliche Zange zweier seiner Finger und hebt 
das unglückliche Thierchen heraus, um es wo möglich am 
Leben zu erhalten; der Russe aber macht den kürzesten Prozeß: 
er verschluckt den kleinen Braten als willkommene Gratiszugabe 
zugleich mit dem Saft der Reben." 
* Beim Hafendamme zu HastingS wurde dieser Tage ein 
neuer Rettungsapparat auf die Probe gestellt. Derselbe be- 
steht darin, daß die Bänke und Rudersttze deS Bootes mit ei- 
nem Korküberzuge versehen wurden. Schlägt das Boot um, 
so schwimmen diese Sitze, welche unbefestigt sind und lose aus- 
liegen, über dem Wasser, und liefern dadurch eine Menge vor 
r 
trefflicher RettungSplanken. Der Versuch ergab die erhofften 
Resultate. Eine Anzahl luftiger Londoner setzten sich in das 
Boot. Dasselbe wurde unversehens umgeworfen, überfalle 
retteten sich perfekt auf den Bänken von Korkholz. ES waren 
alles Leute, die auch schon mit Korkzapfen umzugehen gelernt 
haben. 
Die gute alte Tante. 
Humoreske 
von 
Stanislaus Graf G^rabowski. 
(Fortsetzung.) 
Er war auch nicht viel szu Hause, wie alle jungen Lieu- 
tenantS; der Dienst war schwer und nahm ihn genügend in 
Anspruch, und da von gesellschaftlichem Familienleben nicht 
viel die Rede war, brachte er seine freien Stunden im Kasino 
mit den Kameraden zu. Auch die Stadt, die andere Genüsse 
bieten konnte, blieb gewissermaßen ein verschlossenes Paradies 
für die Offiziere der Festung, denn der Kommandant besaß die 
Marotte, die Thore allabendlich pünktlich um 9 Uhr hermetisch 
schließen zu lassen und die Schlüssel unter sein Kopfkissen zu 
legen, bis sie Morgens 7 Uhr wieder abgeholt wurden. 
Im Ganzen mußte dieses Leben einem jungen Manne bald 
erschrecklich langweilig werden u. er sich auS den engen Mau 
ern von G. fortsehnen, und nun möge man noch bedenken, 
daß Lieutenant v. Rohrbach eine unwiderstehliche Sehnsucht 
empfand, seinen Schimmel den Katzensprung nach BomSfelde 
machen zu lassen. Vor dem nächsten Sonnabende durfte aber 
davon füglich nicht die Rede sein — der Sonntag war ja 
dann dienstfrei. 
Fast sämmtliche Offiziere beklagten sich schon längst bitter 
darüber, daß ihre Kasematten-Wohnungen höchst ungesund sei» 
en; wie viel Holz man auch in den großen Kachelofen stecken 
mochte — und die königliche Lieferung war reichlich — so er 
wärmten sich die großen Räume doch 'nicht vollständig', und 
während man in der Nähe besagten OsenS beinahe braten 
konnte, lief in der Nähe der Fenster daS Waffer von den 
feuchten Wänden herab. Selbst für die kräftigsten jugendlichen 
Konstitutionen mußten solche Wohnungen Nachtheile haben, 
ging eS doch so weit, daß unter den Möbeln die hölzernen 
Dielen faulten und sich auf ihnen und an den Mauern ein 
recht hübscher PilzwuchS bildete. 
WaS halfen dagegen aber alle Klagen und Beschwerden, 
die schon seit langer Zeit vorgebracht wurden? — eS waren 
eben keine anderen Wohnungen für die jüngeren Herren Offi- 
ziere da. Der Kasernen-Inspektor zuckte die Achseln, denn er 
wohnte mit seiner Familie in einem ganz hübschen trockenen 
Hause, die verschiedentlichen Inspektionen ergaben weiter nichts, 
als daß diesem großen Uebelstande nicht abzuhelfen sei, u. dem 
Kommandanten wagte Niemand mit dergleichen Geschichten u. 
Bitten um Abhilfe zu kommen: letztere wäre wohl möglich ge- 
wesenj, wenn man Mauern und Fußböden vielleicht ordentlich 
cementirte oder die Beamten und älteren Offiziere in ihren ge» 
sünderen Wohnungen ein bischen enger zusammenrücken fließ, 
um für die Lieutenants Platz zu machen, die eS in dieser Be- 
ziehung viel schlechter wie die Soldaten hatten. 
Der alte Verdruß blieb indessen und die Lieutenants hat- 
ten häufig recht ernstliche, aber auch ganz erfolglose Fehden 
mit dem gleichmütigen Kasernen-Inspektor und Ingenieur-Of 
fiziere vom Platz. 
Noch niemals hatte sich ein hier garnisonirender Lieutenant 
einer so sichtlichen Gunst deS Höchstgebietenden erfreut wie der 
Lieutenant v. Rohrbach; der Alte unterhielt sich jedesmal auf 
Parade mit ihm, reichte ihm die Hand u. protegirte ihn offen-
	        

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