Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

schen Regierung wollen in der neuen Organisation die Vor- 
bereitungen zu neuen schlimmen Thaten deS Reichskanzlers 
sehen, und zur Beruhigung der Zweifler, welche sich durch der- 
gleichen Gerede auS dem Gleichgewichte bringen lassen, mag 
die Mahnung etwas beruhigendes haben, daß die deutsche Re- 
gierung gute Gründe hat, jeden Mann, den sie überhaupt 
aufbringen kann, verwendbar zu machen. ES liegt durchaus 
keine Notwendigkeit vor uns nach der Voraussetzung unbe- 
friedigten Ehrgeizes nmzusehen, wenn wir nur die natürliche 
Lage Deutschlands ins Auge fassen. Diese Erwägungen waren 
an und für stch schon genügend, die Befürchtungen vor deut- 
schen AngriffSgelüften zu zerstreuen. Allein" der Kaiser hat es 
nicht für unnöthig erachtet der Verdächtigungen zu gedenken, 
welche der deutschen Politik angeheftet worden sind. Seine 
Erklärung, daß der Gedanke, die vereinte Macht des Reiches 
zu anderem Zwecke als zur Vertheidigung geltend zu machen, 
ihm fernliege, muß als eine bestimmte Erwiderung auf die 
Gerüchte aufgefaßt werden, welche in letzterer Zeit so hart- 
näckig bezüglich der deutschen Politik in Spanien und anderöwo 
ausgestreut worden sind." 
Montenegro. Aus Cetinje und Danilorgrad bringt ein 
Korrespondent der A. A. Ztg. über den blutigen Vorfall von 
Podgoricza, den wir schon in der letzten Nummer erwähnt 
haben, folgende nähere verbürgte Mittheilungen: Am 19. Okt. 
wurde in Podgoricza, einem türkischen Grenzstädtchen, das an 
Markttagen von den benachbarten Montenegrinern gut 
besucht wird, der angesehene und begüterte Mohamedaner 
Jusuf Mucho Krnjitsch von einem Christen auS Kutsch, also 
keineswegs, wie gewisse Blätter meldeten, von einem Montene* 
griner, sondern von einem türkischen Unterthanen ermordet. Den 
Mord führte Peter Jvanow im Einverftändniß mit seinem 
Bruder auS, und die Ursache und die Veranlassung zu dieser 
That ist in der tödtlichen Feindschaft die zwischen Mörder und 
Ermordetem herrschte, zu suchen. Jusuf Krnjitsch beklelüete 
nämlich vor einiger Zeit im Dorf Türkisch Kutsch die Wurde 
eines Kaimakam. Als solcher verfolgte er — auS bisher noch 
unbekannten Gründen — den Kutscher Einwohner Peter Iva- 
now nnd dessen Familie. Einmal ließ er eS geschehen, daß 
feine eigenen Dienstleute den Peter Jvanow überfallen und 
durchhauen konnten, ohne daß er in der Eigenschaft eweS 
Kaimakam gegen die Schuldigen eine Untersuchung eingeleitet, 
geschweige denn eine Bestrafung derselben angeordnet hätte. 
Ein andermal wieder ließ Jusuf Krnjitsch den Peter Jvanow 
auS dessen eigenem Hause jagen und bemächtigte sich dessen 
EigenthumS unter einem gesetzlichen Vorwand. Peter Jvanow 
verließ mit seinem Bruder das Dorf, nicht aber ohne vorher 
dem Jusuf Krinjitsch Rache geschworen zu haben. In Pod- 
goricza nun bot sich ihm die ganz erwünschte Gelegenheit und 
Peter Jvanow führte seinen Schwur aus indem er den eben 
am Marktplatz inmitten der angesehensten Podgoriczaer Mo- 
hamedaner stehenden Jusuf Krnjitsch von rückwärts überfiel 
und ihn ermordete. Peter Jvanow wurde aber sogleich von 
den anwesenden Türken niedergestreckt. ES entstand nun auf 
dem Marktplatz Lärm und allgemein hieß eS: ein Montene- 
griner habe den Jusuf Krnjitsch ermordet. Kaum hatte sich 
diese Lüge unter den Podgoriczaer Muhammedanern verbreitet, 
alS man auch schon seitens derselben blutige Wiedervergeltung 
an den Wehrlosen, am Markt und in den Gaffen befindlichen 
Montenegrinern auszuüben begann. Die fanatisirten Moham 
medaner kannten in ihrer Wuth keine Grenzen. Man fiel 
über alles her, was nur montenegrinisch war, auf Greise, aus 
Jünglinge, ja sogar auf Weiber. Nur der Archimandrit (Abt) 
deS Klosters von Piperi konnte sich reteten, alle andern Mon- 
tenegriner, deren man habhaft werden konnte, wurden theilS 
erschlagen, theilS verwundet. Zum Glück war eö kein Markt- 
tag da sich sonst der türkische Fanatismus noch mehr Opfer 
geholt hätte. ES sind im ganzen etwa 17 Montenegriner todt 
geblieben, darunter befanden sich auch sehr angesehene Stam- 
meSoberhäupter und sonstige Repräsentanten - der vornehmsten 
montenegrinischen Familien, wie z. B Rade Bofchkowitfch aus 
Bjelopawlitsch, drei Wasowitsche, Mitar Duletitsch auS Ljubotin, 
Toman Botschitsch auS Zargartscha und Labud Raznatowitsch 
auS Ceklin. Die Nachricht von diesem Vorfalle verbreitete 
sich schnell in Montenegro. DaS Volk gerieth in furchtbare 
Aufregung, die sich übrigens leicht erklären läßt. Kaum er- 
hielt die Regierung von Cetinje Kunde von den blutigen Vor- 
fällen (zuerst kam ihr dieselbe von Danilorgrad) als sie auch 
schon an sämmtliche Serdare (KreiSvorsteher) die Weisung er 
gehen ließ, alles mögliche zu versuchen, damit stch die allge- 
meine Aufregung lege. Man befürchtete eben den Ausbruch 
eines AufstandeS. Fürst Nikolaus selbst versprach Genugthu- 
ung von der Pforte fordern zu wollen. Den türkischen Un- 
terthanen, die sich zu dieser Zeit auf montenegrinischem Gebiet 
befanden, gab man bis zur Grenze militärisches Geleite, da 
man bei der Aufregung die im Volke herrschte, und die immer 
mehr und mehr zunahm, daS äußerste befürchten mußte. Der 
Kaimakam von Podgoricza verfaßte indessen über die Ange- 
legenheit einen lügenhaften Bericht, in welchem er u. a. angab, 
daß Jusuf von,7 Montenegrinern überfallen und getödtet wor- 
den den er an den montenegrinischen Gouverneur von Dani- 
lovgrad, sowie an den Pascha von Skutari sandte. Die Mo- 
hamedaner konnten aber nicht ruhen. Kaum hatten sie mit 
den Montenegrinern an Ort und Stelle aufgeräumt, als sie 
sich auch schon auf den Weg nach Zeta machten um hier an den un- 
.schuldigen christlichen Bewohnern ihre Wuth auszulassen. Ei- 
nige Christen, welche montenegrinische Mützen trugen, sowie 
einige christliche Weiber wurden niedergemacht und einige Häu- 
ser angezündet. Die christliche Bevölkerung floh in die Ge- 
birge um den wuthentbrannten und bereis mordlustigen Mo- 
hammevanern auszuweichen. Der Gouverneur von Skutari 
-erschien sogleich in Podgoricza um die Sache zu untersuchen.. 
Fürst Nikolaus richtete indessen an die Pforte eine Note, in 
welcher er strenge Untersuchung der ganzen Angelegenheit, und 
dem entsprechend die Einsetzung einer auS türkischen und montene 
grinischen Mitgliedern bestehenden Untersuchungskommission 
forderte, und zugleich den Wunsch äußerte, daß zu den. Ar- 
beiten dieser Kommission auch die Vertreter der fremden Mächte 
beigezogen werden. In wie ferne die Pforte diesem allerdings 
gerechtfertigten Verlangen des Fürsten Nikolaus Gehör zu 
schenken bereit ist, wird vorzugsweise von der Stellung abhan- 
gen, welche die Mächte gegenüber der ganzen Podgoriczaec 
Angelegenheit eingenommen haben. 
Verschiedenes. 
* Am 20. und 21. Oktober wurde Großbritanien und 
Irland von einem wüthenden Sturme heimgesucht, der an Hef- 
tigkeit den Orkan, welcher im Januar 1866 durch daS Land 
fegte« weit übertraf. Da er in den Telegraphendrähten, welche 
nach Norden führen, eine Verheerung anrichtete, so läßt sich 
die Ausdehnung deS Unglücks bis jetzt nur zum Theile über- 
sehen/ Aber auch so ist die Liste des Unheils schon groß ge- 
nug. London selbst blieb von schwereren Unfällen glücklicher- 
weise verschont. In der Nachbarschaft deS Smithfelder Marktes 
ward ein Mann durch den Sturz einer baufälligen Mauea 
begraben und auf der Themse wurden mehrere Dampfer auf 
den Sand geworfen, da die Ebbe mit ungewohnter Schnellig- 
feit eintrat. Auf dem Humber riß stch daS neue Bessemer- 
Salonschiff von seinem Ankerplatze los und lief auf den Grund, 
ohne sich großen Schaden zuzufügen. Bei Ardrossan an der 
Westküste von Schottland warf der Sturm den Schrauben- 
dampfer, Chufan, der von Glasgow nach Shanghai bestimmt 
war, gegen einen Felsen und spaltete ihn buchstäblich tn zwei 
Theile, von denen der eine hangen blieb, der andere aber in 
den See hinaus gewaschen wurde. 12 bis 14 Menschenleben,
	        

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