Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Liechtensteinische 
Zweiter Jahrgang 
Vaduz, Freitag 
Nr. 45. 
den 6. November 1874. 
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werden franeo erbeten an die Redaction in Vaduz. 
Vaterländisches. 
Vaduz, 4. Nov. Seine Durchlaucht der Landesfürst qe- 
ruhte unterm 8. Oktober dem neuen Sanitatsgesetze und Impf- 
gefetz seine Sanktion zu ertheilen und den Med. Dr. Schlegel 
für die erste laufende AmtSperiode zum LandesphysikuS zu er- 
nennen. 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Am 29. v. MtS. wurde der deutsche Reichs- 
tag vom Kaiser eröffnet Die Thronrede hob zunächst die 
Wichtigkeit der für den Reichstag bestimmten Vorlagen her- 
vor: die Gesetzentwürfe über die Gerichtsverfassung, das Zi- 
vilverfahren, das Kriminalverfahren und das Konkursverfah 
ren, das Landsturm-Gesetz, daS Gesetz über die militärische 
Kontrole der Beurlaubten und über die Naturalleistungen für 
daS Militär im Frieden. Bereits seien auch die ersten Schritte 
geschehen, um die Einheit des bürgerlichen Rechtes herbeizu 
führen. Bezüglich des Bankgesetzes bemerkte die Thronrede, 
dass bestehende Rechte nur soweit beschränkt werden sollen, als 
eS das mit der Aufrechthaltung der Metallzirkulation verbun- 
dene öffentliche Interesse erheische, und daß eine spätere auf 
Erfahrungen über den Goldumlauf fußende Gesetzgebung an- 
zubahnen sei. Nach Erwähnung deS Zivilstandgesetzes und 
deS in Bern zu Stande gekommenen Weltpostvereins-Vertrages 
schloß der Kaiser seine Rede mit folgenden Worten: „Die Be- 
Ziehungen zu allen fremden Negierungen sind friedlich und 
wohlwollend; in der bewährten, mich mit den Herrschern mäch- 
tiger Reiche verbindenden Freundschaft liegt die Bürgschaft für 
die Dauer deS Friedens, für welche ich Ihr volles Vertrauen 
beanspruchen darf. Mir liegt jede Versuchung, die geeinte 
Reichsmacht anders als zur Vertheidigung zu verwenden, fern; 
gerade diese Macht setzt meine Regierung in Stand, ungerech- 
ten Verdächtigungen ihrer Politik gegenüber zu schweigen und 
gegen Uebelwollen und Parteileidenschast, woraus Verdächti 
gungen entspringen, erst dann Stellung zu nehmen, Wenn ste 
zu Thaten übergehen; dann weiß ich, daß für die Rechte und 
die Ehre deS Rechtes jederzeit die gesammte Nation und deren 
Fürsten mit mir einzutreten bereit stnd." 
Kullmann ist zu 14 Jahren Zuchthaus, und nach erstan- 
dener Strafe zu 10 Jahren Entziehung der bürgerlichen Rechte 
und Stellung unter Polizeiaussicht verurtheilt worden. 
Derselbe vernahm sein Urtheil anscheinend ohne Bewegung. 
Als Milderungsmomente wurden bei der Urtheilsverkündigung 
seine Jugend und schlechte Erziehung betont. Kullmann ver- 
zichtete auf das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und 
wurde sodann unter starker Eskorte in die Frohnfeste zurück- 
geführt. 
Graf Arnim ist nach Hinterlegung einer Kaution voD 
100000 Thlr. seiner Haft entlassen worden. 
Schweiz Die Rechnung über die zwölfte Baukackpagne, 
abgelegt vom Rheinbaubureau, ergiebt, daß in diesem Jührfc 
eine Summe von Fr. 1,040.748 72 verwendet worden ist. 
wovon Fr. 796 320'48 auf neue Bauten, Fr. 151.315 aüf 
bestehende Wuhren, Fr. 53 807 09 auf Dammbauten und 
30.6 l4 17 auf die Verwaltung kommen. In allen zwölf 
Baujahren stnd zusammen Fr. 8,441.646.12 ausgegeben woi> 
den, woran der Bund Fr: 2,800 000 beiträgt. 
England. Die deutsche Thronrede wird von den engli 
schen Blutern aller Farben beifällig aufgenommen. Die „TimeS" 
bringt über dieselbe unter andern» folgende bemerkenswerthe 
Aeußerungen: 
„Die erste Pflicht der Generation, welche Einheit und nq- 
tionale Unabhängigkeit gewonnen hat, ist die Vertheidigung 
derselben gegen alte und neue Feinde und die unversehrte 
Überlieferung der Errungenschaften auf die Nachwelt. Diese 
zweite Phase in der deutschen Umwälzung hat nun begonnen, 
und wir müssen einem Zeitraum rastloser Thätigkeit der Äe- 
gierung und Gesetzgebung entgegensehen. Reform der Staats- 
einrichtungen muß Schritt halten mit kräftiger Verwaltuni 
und Bewaffnung, denn die Nation muß aller heimischen F^s- 
seln ledig sein, um die ganze Stärke gegen einen ausländischen 
Feind richten zu können, und so ist auch hinwiederum Sicher- 
heit vor Angriffen nothwendig um die neue Organisation im 
Innern zu vervollständigen. WaS die militärischen Gesetze 
anbelangt, so liegt denselben der hier bereits angedeutete Ge- 
danke zu Grunde, daß Deutschland vorderhand noch nicht an 
Nuhe denken dürfe. Auf der einen Seite steht eine Nation 
voll Rachedurst, aus der andern ein Militärreich, das durch 
zufällige Verwandtschaft mit Deutschland alliirt ist, mögliches- 
weise aber nicht immer mit ihm dieselben Wege gehen wirb. 
Die Franzosen wittern Bismarck überall und treiben ihren 
Argwohn bis zur Abgeschmacktheit. Aus der andern Seite 
glauben die Deutschen fest, daß Frankreich hereit sei, den letzten 
Franken, der dem eigenen Volke erpreßt oder vom Ausland 
geborgt werden kann, an einen neuen Krieg mit Deutschland 
zu wenden, und daß die französische Regierung außerdem je- 
den Preis für eine Allianz zu .zahlen willig sei. DaS ist ein 
Gegenstand, den wir nicht weiter als nothwendig berühren 
möchten, denn man mag ihn behandeln wie man will, er itjfc 
geeignet zu beunruhigen; allein ein Entwurf, wie die Or- 
ganisation des Sandsturmes bedarf der Erklärung, unv die- 
jenige, welche wir gegeben haben ist nicht nur die beruhigendste, 
sondern aüch die vernünftigste. Die Frage, waS mit der ge- 
waltigen Streitmacht, welche Deutschland organisirt, geschehen 
solle, wird verschiedentlich beantwortet.. Die Gegner der deut-
	        

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