Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

— 155 — 
am 17. Juni vom Treibeis auf kleinere Eisfelder gekommen 
sind, die weitern Arbeiten waren äußerst mühsam. Die Boote 
mußten über kleine Felder getragen, dann wieder auf Schlitten 
gelegt werden, der Proviant mußte immer von einem auf ein 
anderes Boot geschafft werden. Hundert Fuß vorwärts auf 
dem Eise, dann hundert Fnß im Wasser, hierauf wieder auf 
daS Eis, so daß wir nur sehr langsam südwärts kommen 
konnten. Zudem herrschte Südwind, der die Frucht der Arbei- 
ten wieder vernichtete die wir mit so unsäglichen Mühsalen 
gewonnen; wir wurden durch diesen Wind wieder nach Nor- 
den getrieben, so daß wir am 15. Juli wieder nur 8 See, 
meilen vom „Tegetthoff" entfernt waren. Endlich trat gün- 
ftige Witterung und Nordwind ein. Es wurden große Wacken 
aufgefunden. Das Eis war, statt lose, in Feldern. Eine 
große Strecke konnte mit Booten und Schlitten zurückgelegt 
werden. 
Am 7. August fühlten wir auf dem Eis eine schwankende 
Bewegung — für uns, als sicheres Zeichen der offenen See, 
eine hocherfreuliche Wahrnehmung — die uns mit besten Hoff- 
nungen erfüllte. Bis zu 77^ 48' mußten wir unö noch durch 
Treibeis durcharbeiten. Am 15. August fanden wir offenes 
Wasser, ließen mit Freude die Schlitten zurück und erschossen 
die Hunde. Langsam verloren wir die weißen Linien des Pack- 
eiseS aus dem Auge. Die Mannschaft, in zwei Partim ge- 
theilt, ruderte bei fortwährender Windstille Tag und Nacht, so 
daß täglich 40 Seemeilen zurückgelegt wurden. Am zweiten 
Tage wurden die hohen Berge von Nowaja-Semlja sichtbar. 
Wir hatten noch für vierzehn Tage Lebensmittel. Es wurde 
etwaS Proviant auf dem Lande zurückgelassen, und dann wur- 
den die südlichen Buchten durchsucht, um norwegische Fischer 
zu finden. Wir suchten in Matotschkin-Skar und an den 
BarnetS-Jnseln vergebens; niemand wurde gefunden. Die 
Lage gestaltete sich trostlos. NachtS trat frischer Wind ein, 
die See ging hoch, wir wurden bis auf die Haut durchnäßt und 
erstarrt, hatten keinen trockenen Faden mehr am Leibe, fanden 
keinen Schlaf und konnten kein Feuer anmachen. Zu rudern 
war unmöglich. Trotz der entsetzlichen Lage verloren wir den 
Muth nicht. Wir hatten in unserer entsetzlichen Lage nach 
langem vergeblichen Bemühen nur noch die Hoffuung russische 
LachSfischer zu finden, und beabsichtigten, wenn wir solche 
nicht treffen sollten, am 28. August unsere Richtung nach dem 
weißen Meere zu nehmen. Glücklicherweise war die AuSführ- 
ung dieser Absicht nicht mehr nothwendig. Wir sahen endlich 
nach 27 Monaten wieder das erste fremde Gesicht; zwei ruf- 
ßsche Fischer zeigten sich in einem Boote. Sie waren ebenso 
erstaunt wie wir, und theilten mit uns was ste hatten. Hier- 
auf steuerten wir zu ihrem Schooner und mit diesem trafen 
wir am A. Septembers Vardöe ein." 
Stürmischer Beifall folgte diesem Vortrage, den die Ver- 
sammlung mit gespannter Aufmerksamkeit und lebhaft ergriffen 
von den Schilderungen der erduldeten Leiden aufgenommen 
hatte. Hierauf betrat Payer die Tribüne und schilderte seine 
Entdeckungsreise in das neuentdeckte Land. Oberlieutenant 
Payer wurde ebenfalls mit Händeklatschen begrüßt. Er de- 
monstrirte seine Mittheilungen nach einer nach seinen Angaben 
angefertigten, aproximativ richtigem Polarkarte, und ging gleich 
in medias res: „Ende August 1873 haben wir durch Nebel 
Land gesehen. Ob daS ein Kontinent sei, ob eine Insel, hier- 
auf wußten wir ein halbes Jahr lang keine Antwort zu ge- 
den. Wir sahen hohe weiße Mauern und schwarze Punkte; 
ob das Inseln waren, ob kontinentale Gletscher, wußten wir 
nicht. "ES war für unS ein großes Glück, daß die Befürch 
tungen in Betreff einer zweiten Ueberwinterung keine Bestäti- 
gung fanden, und die Besorgniß nicht eintraf, daß wir weiter 
nördlich in unbewohnte Räume getrieben würden. Der Win- 
ter verlief ruhig. Vom 9. März bis zum 4. Mai konnten drei 
Schlittenreisen gemacht werden, deren größte 30 Tage gedauert 
hat, um daS Land zu erforschen und aufzunehmen. Die E&* 
pidition bestand aus sechs Zugkräften, fünf Matrosen, Lieute- 
nant Orel und drei Hunden. Aus Wien waren Schlitten 
englischen Systems mitgenommen worden, welche massiv ge- 
baut waren und 20 Zentner Tragkraft hatten. Sie wurden 
mit 16 Zentnern belastet. Die Ausgabe der Expedition be- 
stand darin: die höchste Breite, die möglich, zu erreichen. DaS 
Land dehnte sich aber unübersehbqr auS, und hohe Gebirge 
hemmten die Aussicht und verschlossen den Durchgang. Drei- 
mal wurde auf dem Lande gesucht die Berge zu übersteigen 5 
hiebe! entdeckten wir einen 100 Meilen langen Sund, welcher 
Austria-Sund benannt wurde und nach vorn in ein 80 Mei- 
len breites Becken verlauft; derselbe theilt die entdeckten Län- 
dermassen in zwei große Komplexe, in das Zichy-Land und 
daS Wilczek-Land und enthält zahllose Eilande. Ob der insu- 
lare Charakter in dem ganzen Gebiete vorwalte, war nicht be- 
stimmbar. Bei dem größeren Lande wurde die Ostgränze selbst 
von den hohen Spitzen auS nicht gesehen. Die Gestein-For- 
mation zeigt eine Verwandtschaft mit Ostgrönland, ja theilt 
weise eine auffallende Wiederholung der dortigen Formationen. 
Ob wir daS Archipelland des Nordpols vor uns hatten, ließ 
sich nicht bestimmen, nur die Thatsache konstatiren, daß sein 
Charakter verschieden ist von dem in Spitzbergen und Nowaja- 
Semlja, sowie jedem anderen arktischen Lande. Man gewinnt 
nicht den Eindruck eines Alpencharakters, sondern sieht sich 
wiederholende Plateaux mit steilanstcigenden säulenartigen Fel- 
sen, welche an Abessinien erinnern. DaS Gestein ist Dolerit 
in schematischen Etagen gelagert. 
(Schluß folgt.) 
Verantwortlicher Red'atteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schadler. 
Nichtamtliche Anzeigen. 
Gute Fässer, 
von Eichenholz und mit Eisen gebunden, von 16 bis 30 
Viertel, find billig zu kaufen in Vaduz beim 
- Kirchthaler. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 25. Sept. 
Der halbe Metzen 
beste 
mittlere 
geringe 
. . ... 
fl 
kr. 
fl 
kr. 
fl. 
kr. 
Korn 
3 
40 
3 
15 
3 
05 
Roggen .... 
2 
80 
2 
60 
2 
50 
Gerste 
0 
70 
2 
50 
2 
30 
Türken .... 
2 
80 
2 
50 
2 
20 
Hafer 
1 
70 
1 
60 
1 
50 
Thermometerstand nach Reaumur in Badnz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Sept. 23 
+13 
+21 
+I8V2 
hell; Föhnst. 
„ .24 
+ 14V 4 
+19 
+ 16 
fast hell 
„ 25. 
+12% 
+18 
+15% 
hell 
» 26. 
+ 9 
+16 
+15 
tr 
. 27. 
+10 
+19 
+16% 
tt 
. 28. 
+ 12 
+19% 
+17% 
tt 
„ 29. 
+ 14% 
+ 19% 
+16 
halb hell 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
30. Sept. Silber 103.40 
20-Frankenstücke 8.77 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.