Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

nfrtgen (Deutschland) eine Kollekte einzuleiten. Ein Vorhaben, 
daS wir auf's wärmste begrüßen. 
Politische Rundschau. 
DeM^kand. Bei seinem Besuche in Kiel am 20. Scp- 
tember hielt der Kaiser an Bord der „Grille" eine Geschwa- 
derschau ab, besichtigte daS Panzerschiff „Kronprinz" und nahm 
auf der SchiffSwerfte Ellerbeck die Taufe der Panzerfregatte 
„Friedrich der Große" vor. DeS Kaisers Taufspruch lautete: 
„Ich taufe dich mit dem Namen des großen Königs I Trage 
ihn mit Ehren in fremde Meere, in fremde Welttheile!" Bei 
"der Tafel im Hotel Bellevue trank der Kaiser auf daS Wohl ' 
der Marine und deö Landes wo er sich befinde. Der Admi- 
ralitätS-Chef Stosch dankte, und versprach: die ReichS-Seewehr 
werde eine würdige Schwester des HeereS werden. 
Ueber die Reisen deS deutschen Kaisers wirst die „Prov. 
Corr." einen sehr befriedigten Rückblick, nicht nur weil Kaiser 
Wilhelm wieder einen bewundernSwerthen Grad körperlicher 
Rüstigkeit an den Tag gelegt hat , sondern auch weil er auch 
dießmal nur wohlthuende Wahrnehmungen und Eindrücke von 
seiner Reise zurückbringt. Die Heerschauen, denen der Kaiser i 
selbst beiwohnte, zuerst die Manöver des Gardekorps, dann! 
die Reiterüaungen bei Burg in Sachsen und bei Müncheberg 
in Brandenburg, dann die Inspektionen deS 11. Armeekorps 
in Hessen und des 10 Armeekorps in Hannover, endlich die 
Besichtigung der Flottenabtheilung in Kiel haben ebenso wie 
die Uebungen im königlich sächsischen Armeekorps, welchen 
Prinz Friedrich Karl auf Einladung deS Königs von Sachsen 
beiwohnte, und die Truppenbesichtigungen in Süddeutschland 
seitens des Kronprinzen, den Beweis geliefert, paß zwischen 
allen Theilen deS deutschen HeereS ein Wetteifer in der all 
seitig tüchtigen Ausbildung und Leistungsfähigkeit stattfindet. 
Aber außerdem, sagt die „Prov. Korr.", habe Kaiser Wilhelm 
auch Gelegenheit gehabt sich davon zu überzeugen, daß die 
Herstellung deS deutschen Reiches nicht bloß eine äußerliche 
Thatsache geblieben, sondern eine wahre Herzensbefriedigung 
geworden ist, welche auch für unser engeres Baterland den 
Uebergang alter Zustände in die neuen Verhältnisse erleichtert 
hat. Der gemeinschaftliche Kampf für Deutschland unter Preu 
ßens Führung hat den neuerworbenen Landeötheilen die Zu- 
sammengehörigkeit mit dem preußischen Staate lieb und Werth 
gemacht; denn der neue Ruhm Preußens ist auch der ihrige 
geworden, und der unter Kaiser Wilhelms Führung erstrittene 
Sieg hat die Sehnsucht aller befriedigt, die Sehnsucht nach 
einem wieder geeinigten Deutschland. Die Reise des Kaisers 
ist in so fern gewissermaßen zu einer Fortsetzung der Sedan- 
Feier geworden und Hai derselben eine schöne Ergänzung ge- 
geben. 
Der Vizepräsident deS HauseS der Abgeordneten, Reichs- 
tagSabgeordneter Dr. Friedenthal, ist durch eine k. KadinetS- 
ordre vom 19. d. M. zum Minister für Lanvwirthschaft er 
nannt und am 20. d. M. in das StaatSmimsterium einge- 
geführt worden. 
Oesterreich. Die Nordpolfahrer sind am 25. d. M. Abends 
in Wien eingetroffen. Stundenlang vorher waren sämmtliche 
zur Nordbahn führende Straßen von einer ungeheuren Men- 
schenmenge besetzt. Der Vice-Admiral Pöckh an der Spitze zahlrei- 
cher Marine-Offiziere, Generale und andere Offiziere, sowie der 
Bürgermeister an der Spitze deS Gemeinderaths empfingen die An- 
kommenden. Das Publikum brach in einen unbeschreiblichen Ju- 
bel aus. Unter fortwährenden Hochrufen und Hüteschwenken 
der zahlreich Versammelten bestiegen die Nordpolfahrer die Wa 
gen, welche durch die wogende, begeisterte Volksmasse nur 
schrittweife vorwärts konnten. Die am Bahnhofe anwesenden 
zahlreichen Abordnungen von Korporationen Oesterreich-Un- 
garnS schloffen sich dem Zug an. Von dem glänzenden groß- 
anigen Empfang gerührt, dankten die Führer der Expedition 
unaufhörlich der zurufenden Volksmenge. 
Schweiz. Der internationale Postkongreß in Bern hat 
die Transittaxe folgendermaßen festgestellt: für ein Kilogramm 
Briefe 2 Frcs., für ein Kilogramm anderer Korrespondenzob- 
jekte 25 Centimes. Betragt die Transitlinie 750 Kilometer, ' 
so tritt die doppelte Taxe ein. Der Postkongreß genehmigte 
ferner eine Seetransittaxe bei mehr als 300 Seemeilen Tran- 
sitlinie jedoch für ein Kilogramm nicht über 6 FrcS. 50 C. 
für Briefe und 50 C. für andere Korrespondenzobjekte. 
Spanien. Nach einem Madrider Telegramm vom 20. d. 
M. hat die Nordarmee ihre Operationen wieder ausgenommen. 
Die Divisionen Laserna, MorioneS und EeballoS führten eine 
gemeinsame Marschbewegung auS. Die Carlisten zerstören in 
der Umgegend von Estella daS Besitzthum der Bewohner. 
England. .„Die Begeisterung," schreibt die ,> Times," 
„urner welcher daö Panzerschiff „Friedrich der Große" in Kiel 
vom Stapel gieng, erscheint unS als ein gesundes und viel- 
verheißendes Zeichen für die deutsche Nationalität. England 
wird daS letzte Land sein, welches ein solches Schauspiel mit 
eifersüchtigen Empfindungen ansehen würde. Die Deutschen 
auf dem Festland sind uns nur sehr wenig entfernter verwandt 
als zur Zeit, da unsere Vorfahren vor mehr als tausend 
Jahren jene Niederungen verließen, welche eben eaö interes- 
sante Schauspiel mit angesehen haben. Und wenn die Natur 
und der Laus der Ereignisse uns in so weit günstig gewesen 
sind, daß sie unS ein bemerkenSwertheS Uebergewicht zur See 
verschafften, so können wir um so eher mit Ruhe zusehen, wie 
andere unter.einander um den Vorrang im kleinen wetteifern. 
ES ist nicht der mindeste Grund vorhanden, warum wir mit 
weniger Beifall die Fortschritte zur See bei einer Macht sehen 
sollten, deren festere Eonsolidirung zu Land wir fort und fort 
mit Befriedigung beobachten. Wir freuen uns sogar zu bemer- 
ken, daß ein solcher Fortschritt die Sorge vermindert, welche bei 
der Lage des neuen Reiches auf dem Festland unvermeidlich ist. 
ÜLir wünschen Deutschland dauernd sicher gestellt zu sehen, da 
wir glauben, daß die erfolgreiche Lösung einiger unserer eigenen 
socialen Fragen.zum großen Theil von seiner herzlichen mora- 
lischen Unterstützung abhängt. ES ist nichts Geringes, an un 
serer Seite eine der Mehrzahl nach protestantische, aber duld- 
same Nationalitat zu sehen, welche zu gründlichem constitutio- 
nellem Fortschritt hinneigt, von Interessen geleitet wird, welche 
den unseren sehr ähnlich sind, und eine dem entsprechende Po- 
litik verfolgt. Wir schauen uns vergebens anderswo nach ei 
ner solchen moralischen Stütze auf hinreichend breiter Grund- 
läge um, daß sie von Wichtigkeit für das Gleichgewicht euro 
päischer Macht wäre. Vielleicht können wir sogar eine prak- 
tische Lehre von den Anstrengungen ableiten, welche die Deut- 
schen machen, um die Bedeutung ihrer Flotte zu erhöhen. Die 
deutsche Flotte scheint unS, wir wissen nicht recht wie, aber 
auf eine im Verhaltniß' zur unfrigen außerordentlich sparsame 
Art verwaltet zu werden. Sie scheint unS im Verhaltniß zu 
ihrer numerischen Stärke besser ortzanisirt und weniger kostspie« 
lig bemannt. Es ist wahrscheinlich, daß Deutschland eine 
Classe von besser geschulten und leitsameren Seeleuten bietet 
als England, und daß der verhältnißmäßig geringe Umfang 
des Bedarfs für die Kriegsflotte ein starkes Angebot zurückläßt, 
auf welches man eventuell zurückgreifen kann. Bei unS fehlt 
es gerade in diesem Punkte gar sehr. So groß unsere Flotte 
auch ist, so muß sie doch um ein volles Drittel verstärkt wer- 
den, sobald ein Augenblick kottunt, wo es gilt, die Bemannung 
zu completiren. Woher sotten aber die Mannschaften kom- 
men? Wie sollen sie ausgebildet werden? Deutschland hat eine 
im Verhaltniß kleine, aber vollbemannte Flotte. Sie ist bei all- 
dem doch spärlich bemannt, allein wir dürfen überzeugt sein, 
daß alle Mittel angewandt werden, die Seeleute in allen mo- 
dernen Künsten deS Offensiv- und Defensiv-KriegeS durchaus
	        

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