Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

1. Das Vieh läuft nicht mehr so viel und soweit umher, 
hat in Folge dessen mehr Ruhe und erspart an körperlichen 
Beftandtheilen, welche Ersparnisse eS zu Fleisch, Fett und Milch 
verwenden kann. 
2. Der Boden der Alp wird mehr geschont, alS dieses 
bei der gegenwärtigen Hebung der Fall ist, die von Natur 
feuchten Stellen werden nur bei ganz trockener Witterung, die 
steilen Abhänge, welche unter dem Tritt der Thiere bedeutend 
leiden, bei einem mittleren FeuchtigkeitSzustande befahren und 
überhaupt niemals zu stark in Anspruch genommen. 
3. DaS WachSthum der Alpenpflanzen nimmt einen regel- 
mäßigen ruhigen Gang. Die abgeweideten Bezirke bleiben 
Wochen lang unberührt und ihre Vegetation kann sich gut er- 
holen. 
Nicht so bei der regellosen Weidewirtschaft, da müssen 
immer die beliebtesten Pflanzen herhalten und die unschmack- 
haften bleiben verschmäht, bis die Roth das Eisen bricht, dann 
haben die letzteren aber auch einen großen Theil ihreS NahrungS- 
wertheS eingebüßt. — 
Neben einer geregelten Abhütung deS VieheS ist ferner 
die Lage der Sennhütten und Stallungen als ein für die Alp- 
wirthschaft bedeutender Umstand sehr in Betracht zu ziehen. 
Die meisten unserer Alpen liegen an Abhängen und ha- 
ben theilweise eine sehr bedeutende Ausdehnung (3—4 Stun- 
den von der untersten Grenze bis zum Grat). Häufig liegt 
auf dem Letzteren noch hoher Schnee, während im tiefftgelege- 
nen Theile der Alp bereits ein saftiges Gras zur Alpfahrt ein- 
ladet; nach und nach erwacht das Pflanzenleben in der mitt- 
leren und oberen Region, bis Mitte August der Grat nicht nur 
schneefrei ist, sondern' auch eine kurze doch sehr würzige Weide 
bietet. 
Eine Eintheilung deS AlpengebieteS nach verschiedenen Re- 
gionen ergibt sich somit nach dem Gange deS Pflanzenwachs- 
thumS von selbst und einer geregelten. Alpwirthschaft bleibt da- 
her nur noch übrig, nach diesem Fingerzeige der Natur den 
Alpbezirk in drei verschiedene Staffeln oder Läger einzutheilen, 
auf welchen das Vieh in der entsprechend günstigen Periode 
deS WachSthumS zu verbleiben hat und die Alpgebäude errich- 
tet werden sollen. Weil man jedoch nicht immer die geeigne- 
ten und geschützten Plätze für die Alpgebäude in den verschie- 
denen Lägern zur Verfügung hat, so muß man sich oft mit 
einer Sennhütte in dem unteren Theile der Alp begnügen. 
Allein in diesem Falle sollten doch in den obern Regionen 
zum allerwenigsten an geeigneten Stellen Melkplätze für das 
Vieh eingerichtet werden, denn eS ist offenbar vortheilhafter, 
wenn die Alpknechte die leeren Milchgefäße bergauf und die 
gefüllten bergab tragen, als wenn im andern Falle die ganze 
Viehheerde den öfters 3—4 Stunden in Anspruch nehmenden 
Weg vom Grat über steile Abhänge bis zu der im untern 
Theile der Alp liegenden Sennhütte getrieben werden muß. 
Die Nachtheile, welche das Vieh durch die Strapazen solcher 
unnützer Märsche erleiden muß, liegen aus der Hand und sind: 
Vermehrter Verbrauch an körperlichen Beftandtheilen und 
Verminderung des Milchertrages. 
Vaduz, den 15. September. (Viehpreise). Aus dem 
Berneroberland berichtet man über den Erfenbacher Viehmarkt, 
den ersten und bedeutendsten der oberländischen Herbstmärkte, 
welcher am 6. Sept. begann: Droben im Simmenthal mochte 
von den Mannen daS Jahr etwas ängstlicher erwartet worden 
sein als frühere Jahre, und eö stellte sich auch heraus daß die 
Preise ziemlich zurückgegangen waren, besonders für Durch- 
fchnittSwaare. DaS eigentliche echte Simmenthalerzuchtvieh 
hat dagegen seinen Ruf nicht umsonst erworben, und die Käu- 
fer stellten sich zu diesem Zwecke schon wochenlang vor dem 
Markt ein. ES wurde am Markt selbst sehr viel verkauft; 
schöne Rinder wurden verkauft zu 700 — 900 Francs und 
darüber, gute Stiere zu 500—800 Francs, Kühe zu 500 
—700 Francs. Per Bahn sind bei 200 Waggons mit durch- 
schnittlich 7 Insassen abgeführt worden, Montag allein über 
90 Waggons. Zu Land wurde weniger abgeführt als früher, 
weil leider der Landwirth in der nähern Umgebung wegen 
der schwachen Futterernte sich einschränken muß. 
Politische Rundschau. 
Oesterreich. Kaiserreise und wieder Kaiserreise — daS ist 
so ungefähr der Hauptinhalt aller derjenigen Blätter welche 
unö gegenwärtig auS der österreichisch-ungarischen Monarchie 
zugehen. Wie ungemein genau und ausführlich sich die Zei- 
tungen über dieses Thema instrukren und ergehen, dürste schon 
daraus ersichtlich sein daß man bereits jetzt langathmigen Be- 
trachtungen über die weiteren Reisen deS Kaisers vom 12. 
bis 26. Sept. begegnet. Dabei wird jedes kurze Wort das 
der Monarch gelegentlich einer an sich vielleicht unbedeutenden 
Vorstellung von Personen spricht auf der Goldwage hin und 
her abgewogen und wegen einzelner Aeußerungen die auf daS 
kirchliche Gebiet überstreifen liegen bereits die verfassungstreuen 
und ultramontanen Blätter im Streit. 
Die Freude über die glückliche Heimkehr der kühnen Oester- 
reicher welche im Jahre 1872 zur Erforschung deS nördlichen 
TheileS der Erde auszogen, ist bereits eins so große geworden, 
daß man gern darüber daS gegenwärtig ohnehin wenig Jnter- 
esse bietende politische Getriebe vergißt. Bereits wird in 
österreichischen Blättern daS Projekt in Anregung gebracht 
den glücklich Erretteten bei ihrer Rückkehr einen möglichst fest- 
lichen Empfang zu bereiten. In Wiener Bürgerkreisen ist 
außerdem die Idee aufgetaucht den Nordpolfahrern durch ei- 
nen Ehrensold die Anerkennung und Dankbarkeit der Stadt 
Wien auszudrücken, wobei man sich der Erwartung hingibt 
daß auch andere österreichische Städte diesem patriotischen Bei- 
spiele folgen werden. 
In den Blättern herrscht nur eine Stimme der Freude und 
herzlichsten Theilnahme, und mit einem nicht zu verkennenden 
Stolz preisen dieselben daS Gelingen der Expedition als ein 
Ereigniß, das mit goldenen Lettern in das Buch des RuhmeS 
einregistrirt zu werden verdient, und sicherlich . auch in diesem 
Sinne eingezeichnet werden wird. So ruft das „N. Wiener 
Fremdenblatt": „AuS der Eiswüste, aus Sturm und Frost, 
auö Drang und Noth und Entbehrung heraus, haben unsere 
wetterharten, todeömuthigen LandSleute — ein einziger aus 
genommen — das Leben gerettet: daS ist das Wichtigste, daS 
ist daS Freudigste. Auch wenn sie sonst nichts heimbringen 
würden, als die Erzählung der ausgestandenen Mühseligkeiten 
auch dann dürften und müßten wir jubeln, daß sie, die viel- 
fach schon verloren Geglaubten, unsern Kontinent wieder be- 
treten haben. Die Leiden sind überstanden! Oesterreichs Name, 
bisher unbekannt in der Geschichte der Nordpolfahrten, prangt 
in glänzenden Lettern. Kaiser Franz Josephs Name ist dem 
nördlichst gelegenen der bis jetzt bekannten Länder der Erde 
gegeben worden :e." Die TageSpresse versteigt sich in ihrem 
Jubel über daS große Ereigniß sogar zu dem Ausspruch: 
„Wer die telegraphische Odyssee liest, der wird, ohne in über- 
mäßige patriotische Begeisterung, ohne in allzu laute An- 
preisung deS Vaterländischen zu verfallen, willig eingestehen, 
daß unsere Nordpolfahrer daS Höchste geleistet, was von Men- 
schen gefordert oder auch nur erwartet werden kann." 
Belgien. Wie dem „Bund" mitgetheilt wird, werden die 
Ergebnisse des kriegsrechtlichen Kongresses in Brüssel von allen 
Großmächten nicht als „Konvention" aber als „Deklaration" 
angenommen und damit zur Richtschnur für künftige Kriegsfälle 
werden. Diese „Deklaration" hat schon alS formale Beschränk- 
ung der rohen Gewalt, welche bisher den Krieg beherrschte, 
einen gewissen Werth; sie ist ein Stück kodifizirten internatio-
	        

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