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gene bei Tag den Wunsch äußert, einen Gang auf der Terasse
zu dachen, von der man unleugbar eine herrliche Aussicht ge»
nießt, sieht er sich sogleich von zwei Beamten oder Agenten
umgeben die erheiternd sind wie daS Institut, welchem sie an-
gehören. Seine Mahlzeiten bezieht der Marschall und sein
Sohn ans der Kantine, womit genügend gesagt ist, daß sie
die frugalsten von der Welt sind. Der Marschall erträgt alles
das mit stoischer Geduld; aber seinem Freund Billette wurde
eS zu viel und er ist, wie wir vernehmen, soeben in Paris ein>
getroffen, um den HH. de Broglie und Baragnon vorzustellen,
wie es in dem Fort St. Margarethe zugeht. Die Marschallin
Bazaine hat Paris noch nicht verlassen und bewohnt noch immer
ihr kleines Hotel in der Avenue d'J^na. Es besteht kein Dämpf-
schiffverkehr zwischen Cannes und der St. Margarethen-Insel;
Frau Bazaine würde sich auf einige Fischerbarken angewiesen
sehen, die bei dem in der jetzigen Jahreszeit herrschenden Mi-
stral auch nur selten die Ueberfahrt unternehmen könnten. Sie
warlet also resignirt, bis ihr Gemahl eine größere Räumlich-
feit angewiesen erhält, als die gegenwärtige, in der er nicht
einmal seine Bücher unterbringen kann.
Spanien. Aus Madrid wird die Einnahme von Cartha-
gena gemeldet. Endlich! Die Belagerung hat zwar nicht so
lange gedauert, wie diejenige von Troja, aber doch ein volles
halbes Jahr Mitte August 1873 wurden die ersten Operationen
gegen die Stadt eingeleitet, aber erst am 4 November wurde
die vollständige Einschließung der Festung von der Seeseite ge
meldet s das ernstliche Bombardement auf die Stadt selbst wurde
erst vom 27. November an eröffnet, nachdem die fremden Ge-
sandten die Stadt'verlassen hatten Was sich in dieser langen
Zeit in den Mauern Carthagena's zugetragen hat, wird erst
iy diesen Tagen vollständig aufgeklärt und das Räthsel gelöst
werten, wie es möglich war, daß ein Hause Abenteurer so
lange einer kriegsgeübten Flotte Widerstand leisten konnte.
Z^de^falls mußten die Belagerten Mehrend der Blokade mehr-.,
fach Gelegenheit gehabt haben, sich neu zu verproviantiren und
unter General Lobo sind einige Jnttrmezzo's vorgekommen, wie
die Kohlenfahrt nach Alicante, die jedenfalls viel zur Verlänge-
rung des Belagerungszustandes beigetragen haben. Wie der
Telegraph meldet, hat sich die edle Junta der Stadt Cartha-
gena auf die Schiffe begeben, und sich auf diesem im spanischen
Kriege bereits nicht mehr ungewöhnlichen Wege zu retten ver-
sucht, zwar nicht in sympathischer Gesellschaft, denn auf dem-
selben Schiffe, wie die „Bäter der Stadt" befanden sich auch
die während der Belagerung losgelassenen Jnsaßen des Zucht-
Hauses, denen um den Preis verzweifelter Gegenwehr die Frei-
heit geschenkt worden war DaS Schiff, die „Numancia,"
von welchem schon wiederholt die Rede gewesen war, wurde
nach einem Gefecht mit der spanischen Flotte gefangen und
zwar mit der Junta an Bord.
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Verschiedenes.
* Maschinen- statt Pferdebahnen. Für Deutsch-
land, welches in vielen seiner großen Städte Pferdebahnen an*
legt, dürste eS von Interesse sein, zu erfahren, daß man. sich
in England mit dem Gedanken beschäftigt, auf diesen Bahnen
hie Pferde abzuschaffen und durch Maschinen zu ersetzen, nicht
durch Lokomotiven, die ihr Bedenkliches haben, sondern durch
Maschinen, deren bewegende Kraft, wie bei unsern Taschen-
uhren, in einer Stahlfeder von entsprechender Stärke bestehen
soll. An den Ausgangs- und Endpunkten der Fahrt würde
das Uhrwerk durch stehende Dampfmaschinen aufgezogen wer-
den, und da die Stahlfabrikanon so weit gediehen ist, um Fe-
dern jeder beliebigen Stärke erzeugen zu können, dürsten den
Versuchen anscheinend keine unüberwindlichen Schwierigkeiten
im Wege stehen.
* Der unterseeische Tunnel, schreibt der Pariser „Figaro,"
durch welchen man die Küsten von England und von Frank-
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reich zu verbinden hofft, ist nicht mehr eine bloße Chimäre.
Eine Kommission, bestehend aus politischen Persönlichkeiten, Ab-
geordneten oder Generalrathen deS Pas de Calais, und auS
Männern der Wissenschaft, ist bei Hrn. de Clereq, Abgeordne-
ter dieses Departements, zusammengetreten, daß der Bau eineS
unterseeischen Tunnels zwischen Frankreich und England von
Staatswegen für ein gemeinnütziges Unternehmen erklärt werde.
Von diesem Beschluß bis zur Ausführung mag der Weg noch
weit fein; aber eS wäre ein Werk, welches dem 19. Jahrhun
dert und den beiden Nationen, die es unternehmen zur Ehre
gereichte.
* Um ein recht wohlschmeckendes Rauchfleisch herzustellen,
wird das zu räuchernde Fleisch dem frisch geschlachteten Thiere
warm entnommen, sogleich in einem zuvor bereiteten Gemenge
von 1 Theil gepulverten Salpeter und 32 Theilen Kochsalz
gehörig herumgewälzt, dann überall mit so viel Rogg^leie
bestreut, als irgend daran hängen bleiben will, und enW^der
unmittelbar, oder in eine einfache Lage von Druckpapier einge-
wickelt, in den Rauch gehängt. Die Kleie hält die brenzlichen
Bestandtheile des Rauches ab und verhütet zugleich^MaS allzu
starke Austrocknen des Fleisches durch die Wärme. ** Das auf
diese Weise dargestellte Rauchfleisch besitzt eine denr stark ge-
räucherten Lachs ähnliche Farbe , es schmeckt bei weitem ange-
nehmer als das in gewöhnlicher Weise bereitete, und konservirt
sich auf lange Zeit.
Feuilleton.
In der Zwischeu-Etage.
Ein Drama unter „kleinen Leuten." Bon R. *B,
Auf einem vornehmen stillen Platze einer großen Hauptstadt'
des-Mordens stand ein aristokratisch abgesondertes Haus von ei^
genthümlicher Bauart. Es hätte nur zwei Stockwerke, ein Hat-
terre und eine erste Etage, beide hatten hohe stylvolle Fenster
mit Spiegelscheiben und reichem Gardinenschmuck dahinter. Zwischen
diesen beiden Etagen befand sich jedoch eine dritte, eine Reihe
schmälerer und nur halb so hoher, meist kahler Fenster. Dies,
waren die Wohnungsräume der Dienerschaft, die Gesindestuben,,
die Borrathskammern, die Küche u. s. w. Es bestand ein höchst
auffallender Gegensatz zwischen den stolzen, lichtvollen, eleganten
nnd heiteren Fensterreihen, welche die Herrschaft ankündeten, und
den halbdunklen kleinen, etwas ödM Quadraten, die der Bedie-
nung gehörten. Ein aristokratischer Fuß der unteren oder oberen
Regionen verirrte sich selten in diese Zwischen-Etage und selbst
die Herrin des Hauses, die alte Gräfin Skjöland, hatte vielleicht
schon seit Iahren diese Räume nicht besucht. Und doch lebten
daselbst Menschen, ebenso bewegt von den Neigungen, Leidenschaf-
ten, Hofsnungen und Resignationen, wie in den kostbar geschmück*
ten Herrschaftsgemächern. \
Da nun also „Helden und Heldinnen" nicht nur auf den,
parketirten Fußböden einherschreiten und echt menschliche, interes»
sante Begebenheiten auch in dem Halbdunkel einer Zwischen-Etage
sich abspielen, so sei es mir erlaubt, meine verehrten Leser auch
einmal in diese Region zu führen.
Die Gräfin Skjölauo war eine alte steinreiche Wittwe. Sie
führte ein großes Haus und hatte, weil sie das für eine Aristo-
kratin angemessen hielt, ein gewisses vornehm patriarchalisches
Gefühl für ihre zahlreiche Dienerschaft. Diese befand sich bei
ihrer Herrschast vortrefflich, es ging ihr materiell durchaus nichts
ab ; allein eine nähere Beziehung der Gräfin au dieser. Menschen-
klaffe, etwa einmal eine freundliche Frage zu stellen bei irgend
einem Unglück, das diese Personen betraf, noch anders als durch ein.
schweigsames vornehmes Geldgeschenk teilzunehmen, vermied die
alte Dame sorgfältig, als ob sie sich durch solche Vertraulichkeiten
für ewig zu beschmutzen fürchte. Es waren daher, wie schon