UltramonLane, 8 Fortschrittler, 2 Mitglieder der deutschen Reichs-
Partei, 8 Sozialdemokraten, 1 dänischer und 1 partikularistischer
Kandidat.
Die A. A. Ztg. knüpft an die stattgefundenen Wahlen
folgende Betrachtungen:
Zum zweitenmal seit dem Bestehen deS Deutschen Reiches
sind die deutschen Männer vor die Wahlurne getreten Nach
einem heißen Schlachttage sind wir zu einem Morgen erwacht,
an dem nicht von vornherein eine freundliche Sonne uns mild
und segenverheißend begrüßt.
Es ist ganz zweifellos ein in seiner Idealität großartiger
Gedanke, daß die bloße Existenz als Glied des Staats allen
einzelnen Staiksangebörigen ein gleiches Recht bei Bildung
der Volksvertretung einräumt. Aber wie gestaltet sich dieser
in seiner Idealität großartige Gedanke in der der flachsten
Nüchternheit verfallenen praktischen Durchführung? Die Unter-
schiede, die wahre Bildung und rohe Unwissenheit, der woHl-
erworbene Besitz und selbstverschuldeter ProletariSmuS, die em
siges Streben auf den Pfaden des Handels, sowie der Indu
strie, und engherziges Krämerthum, sowie spießbürgerliche Ge-
werbSgebundenheit begründen — alle diese Unterschiede sollen
an dem entscheidenden Tage der Wahl als nicht bestehend er-
achtet werden. Der Mann, der in vollstem Verständnisse dessen,
was er will und thut, in treuester Pflichterfüllung seinen Wahl
zettel zur WMume bringt, wird in dieser seiner Wirksamkeit
paralysi^ durch den nächstbesten Straßenlungerer, der nicht lesen
und schreiben gelernt hat, der bei Weitem nicht den Umfang
und die Zwecke des Reiches kennt, dem aber irgend ein Agitator
zur rechten Zeit noch einK Zettel (vielleicht unter Bezahlung
für daS Abgeben) in die Mmd drückte
■ t ■ ,
Oesterreich. Vora r l'b e r g. Der Verein der Berfas-
sungssreunde hat lt. Feldkjtcher Ztg; in einer außerordentlichen
Hauptversammlung in Bregenz am 11. Jän 1874 unter An-
derm solgende Resolution ^betreffend die Arlbergbahn be«
schlössen:
„In Erwägung, daß der Vorarlberger Landtag mit JO ge
gen 8 Stimmen abgelehnt hat, eine Petition um Erbauung
der Arlbergbahn an daS hohe Haus der Abgeordneten des
ReichsratheS zu richten;
in Erwägung, daß dieser Beschluß geeignet ist, die günstige
Erledigung eines mit den ersten Bedingungen der patres*
Wohlfahrt eng verflochtenen Anliegens zu gefährden;
in Erwägung, daß ein großer Theil der Bevölkerung Vor-
arlbergs, vor Allem der zahlreiche Handels- und Gewerbestand
eine solche durch die verfassungsgegnerische Partei veranlaßte
Haltung deS Landtages auf das entschiedenste perhorreSzirt,
beschließt der Verein der Verfassungsfreunde in Vorarlberg:
Der VereinSvorstand wird beauftragt, eine Eingabe an daS
hohe HauS der Abgeordneten zu richten, in welcher die in den
vorstehenden Erwägungen bezeichnete Sachlage auseinanderge-
setzt und neuerdings die dringende Bitte gestellt wird, das hohe
HauS der Abgeordneten möge der schon in der VI Session
bes ReichsratheS am 22 Mai 1872 eingebrachten Regierungs
vorlage — den Bau einer Lokomotiv-Eisenbahn von Innsbruck
nach Bludenz betreffend — seine Zustimmung ertheilen."
Nach neueren Mittheilungen haben auch mehrere Stadt-
und Landgemeinden Petitionen in diesem Sinne beschlossen.
Auch wurde .ein Antrag von Redakteur Heim und 10
Genossen eingebracht, dahin gehend, der^Verein möge eine Pe-
tition an daS Abgeordnetenhaus richten um Aufhebung der
Zeitungs- und Kalenderstempel und jder Jnseratensteuer In
der Begründung hob der Antragsteller sehr richtig hervor: x
Die Jnseratensteuer sei nicht nur drückend namentlich für
den kleinen Geschäftsmann und den minder bemittelten Private
mann, sondern auch ungerecht, denn während z B. bei einem
Inserate, daS einen Werth von einer Million betreffe, die Steuer
30 kr. betrage, müsse die arme Dienstmagd , die eine Stelle
suche, der Bauer, der ein Klafter Holz oder einen Gegenstand
im Werths von 2 fl. zum Verkaufe ausbiete, ebenfalls 30 kr.
Steuer bezahlen.
Für den Antrag erhebt sich die ganze Versammlung.
Schweiz. In Bern hat am 8. Januar die Überreichung
des Beglaubigungsschreibens von Seite des neuen französischen
Botschafters an den Bundespräsidenten stattgefunden Die
Freundschaftsv rsicherungen. welche bei dieser Gelegenheit zwi-
schen den Vertretern der Schweiz und Frankreichs ausgetauscht
worden sind, tragen vollständig den Charakter der bei solchen
Anlassen üblichen Redensarten Nur eine Stelle in der Er-
wiederung des Bundespräsidenten Schenk auf die Ansprache
deö Grafen Cbaudordy, dahin lautend: „Die Schweiz geht in
manchen Dingen ihre eigenen, von denjenigen anderer Staaten
verschiedenen Wege; sie wacht mit Eifersucht über diesem ihr
wie allen größeren und kleineren Völkern zustehenden Recht
unabhängiger Ordnung ihrer innern Angelegenheiten" — ist
wohl nicht ohne Bezug auf etwaige franMsche Interventions-
gelüste in dieselbe eingewoben worden. Bemerkenswerth ist auch
die außerordentliche Kürze der ganzen Zeremonie, welche in
Rücksicht auf die Botschafter würde des Grafen Ehaudordy im
Beisein des gesammten Bundeörnths stattfand: in zehn Minuten
war die ganze Feierlichkeit vorüber. ,
Frankreich Die französische MinisterkrisiS ist durch ein
Vertrauensvotum, zu welchem sich die Majorität der Natio
nalversammlung herbeiließ beseitigt und die Minister haben
sämmtlich ibr Entlassungsgesuch wieder zurückgenommen
Der „Gaulois" kann über die Beförderung des Mar
schalls Bazaine nach seinem Haftorte und über seinen Aufent-
halt daselbst folgendes weitere berichten: Wahrend der Eisen-
bahnsahrt war der Marschall, wenn auch als Gefangener, doch
wie eine hochstehende Persönlichkeit behandelt worden. Er saß
bequem in einem Salonwagen und hatte die hohe Genugthu-
ung^ seinen Knaben undZ-seinen treuen Ex-Adjutanten und
Freund, den Oberst Billette, an seiner Seite zu haben Gegen
12 Uhr Nachts in Antibes angekommen, wurden die Reisen-
den von einem bereitstehenden Boot aufgenommen, welches sie
an Bord deö Aviso-Dampfers „LeRobuste" brachte, und dieser
legte nach einer Fahrt von anderthalb Stunden aus^der St.
Margarethen-Insel vor Anker. Der Marschall war fürchterlich
müde; namentlich klagte er über die Stöße, welche er während
des letzten Theils per Eisenbahnfahrt empfunden hätte. Der
kleine Paco hatte sich etwas ängstlich gezeigt, als er das Boot
besteigen sollte; die Schmäbrufe mit welchen die Reisenden von
den Demagogen von An^bes empfangen wurden, ließen sie
vollkommen ruhig: „Wie es scheint" sagte der Marschall ge-
lassen, „kennen mich diese Leute nicht sehr gut, denn sie bilden
sich ein, ich wäre hieher geschafft worden, weil ich Menschen
umS Leben gebracht hätte." Da der für den Marschall be-
stimmte Pavtllon nichis weniger als fertig ist, so wurde der
Gefangene mit seinem Sohne in dem einzigen Zimmer unter-
gebracht, das von der Wohnung des ehemaligen Kommandan
ten des Forts noch disponibel war. Die Stelle dieses Platz«-
kommandanten war nämlich gleichzeitig mit der Aufhebung der
FestungSgeneralstäbe abgeschafft worden; die übrigen Räumlich-
ketten hatten sich aber die neuen Gefängnißbeamten angeeignet,
ohne Zweifel um ihren Schutzbefohlenen besser überwachen zu
können, den sie denn auch jeden Abend um ö Uhr gewissen-
Haft unter Schloß und Riegel nehmen. Wenn wir recht ge-
lesen haben, so sprachen gewisse Blätter von Orangen- und
Myrthen-Wäldern, in welchen der ehemalige Marschall von
Frankreich auf einem KieSsande einherwandeln sollte, der dem
Fuße einer Herzogin schmeicheln würde. Diese Schilderungen
machen der Einbildungskraft des Reporters alle Ehre; die
Wahrheit aber, daß der Marschall keine andere Haftpromenade
hat, alS die Terrasse des FortS St. Margarethe, welche mit
grausam holprigen Ziegeln gepflastert ist. Wenn der Gefan-