Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

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FottS Samte Marguerite entfernte. ES begann Nacht zu 
werden, der Nachen fuhr an einer sehr steilen Stelle der Znsel 
an und mußte dort allem Anscheine nach etliche Stunden war, 
ten. In welchem Augenblick genau die Entweichung stattfand, 
läßt sich noch nicht bestimmen. Gewiß ist, daß fast zur glei- 
chen Stunde am Horizont ein Schiff bemerkt wurde und in 
Sicht blieb, ohne während einer ziemlich langen Zeit vorwärts 
zu kommen. Der Exmarschall, der ohne Zweifel, um jeden 
Verdacht abzulenken, sich einen Theil des AbendS mit den Ge- 
fängnißoirektor unterhalten hatte, konnte fein Gemach ver- 
lassen und die Barke erreichen, ohne bemerkt zu werden." Weiter 
ist nun in dem Bericht des „Soir" deS KnotenstrickS erwähnt, 
den man inmitten dem Felsen fand und an dem man Blut- 
spuren gefunden habe. Jedenfalls müsse es bei der stürmischen 
See den Flüchtlingen große Anstrengungen gekostet haben, um 
den Dampfer zu erreichen, der noch ziemlich weit von der In 
sel hielt. Die Flüchtlinge werden wohl auS der kleinen Barke 
zunächst in daS ihnen von dem Dampfer entgegengeschickte Boot 
hinüber genommen worden sein, daS wohl mit tüchtigen Ru- 
derern besetzt und somit da stürmischen See gewachsen war 
Der Verwandte, in dessen Begleitung nach den Havaö'fchen 
Berichten die Marschallin am Sonntag AbendS die Insel ver- 
ließ, um „eine Spazierfahrt auf dem Meere zu machen", soll 
ein junger Mexikaner, Antonio Alvarez de Rull, gewesen sein. 
WaS daS Seil betrifft, daS zur Flucht Bazaine'S gedient haben 
soll, so nimmt man an, dasselbe werde viel eher roth ange- 
strichen als mit Blut befleckt gewesen sein, und daß die Sache 
nur dazu dienen sollte,, um auf falsche Annahmen zu führen. 
Die Untersuchung wird wohl Licht in die Sache bringen. 
Spanien. Ueber die Frage der Anerkennung der spa- 
nischen Republik laßt die deutsche „Provinzial-Korrespondenz" 
sich folgendermaßen vernehmen: 
„Die Stellung der europaischen Großmächte zur spanischen 
Republik ist seit Kurzem zum Gegenstand amtlicher diploma- 
tischer Unterhandlungen gemacht worden. Im Angesicht der 
Gräuel, durch welche die unter karlistischer Fahne kriegführend 
den Banden die angeblich von ihnen vertretene Sache derRe- 
ligion und deS KönigthumS schänden und den Abscheu derge- 
sitteten Welt hervorrufen, hat die ReichSregierung sich veian- 
laßt gefunden, in einem an ihre Vertreter bei den emopajschen 
Mächten gerichteten Rundschreiben die Gründe zu entwickeln- 
welche unter den obwaltenden Umstanden eine ungesäumte An- 
erkennung der gegenwärtigen Regierung Spaniens befürwor, 
ten. Obwohl unbestreitbar die völkerrechtswidrige Erschießung 
deS ehemaligen preußischen Hauptmanns Schmidt und die da 
durch hervorgerufene Erregung der öffentlichen Meinung in 
Deutschland den Anstoß zu dem jüngsten Schritt d^r deutschen 
Politik gegeben haben, so liegt derselben doch jeder Gedanke 
einer Einmischung in die innern Angelegenheiten Spaniens 
fern. Wenn die Reichsregierung die Absicht kund giebt, in 
Gemeinschaft mit den europaischen Machten ihre bisher nur 
offiziösen Beziehungen zur Republik Spanien in ein regelmaßi- 
geS völkerrechtliches Verhältnis umzuwandeln, so offenbart sich 
darin tatsächlich die Achtung vor der Selbstständigkeit und 
der Unabhängigkeit deS spanischen Staateö. 
Die deutsche Politik hat bei Behandlung der spanischen 
Angelegenheiten den Wunsch, der Sache der Ordnung in jenem 
unglücklichen Lande und den Interessen deS europaischen Frie- 
denS einen Dienst zu leisten. Wenn die übrigen europäischen 
Mächte'sich den Absichten der Reichsregierung anschließen, so 
wird 1>aS einmüthige Auftreten Europas schon unmittelbar eine 
moralische Wirkung ausüben, die geeignet sein dürste, zur 
Beruhigung der öffentlichen Meinung beizutragen und die 
Aussicht auf Beendigung deS Bürgerkrieges in Spanien naher 
zu rücken." 
Votkswirthschaftliches. 
Der Weinstock und der Wein. (X.) 
Behandlung des Weinstocks im Sommer. 
(Fortsetzung und Schluß ) 
Um diesen Zweck zu erreichen, will Mohr und Kecht, daß, 
an den Zuchtruthen keine Geitze ausgebrochen und kein Zurück« 
kürzen der Triebe stattfinden soll, damit auch noch gleichzeitig 
Stock und Wurzelwerk sich besser kräftigen, wie beim Schnitt 
schon näher erörtert wurde. 
Allein diese Regel können wir aus dem Grunde nicht be- 
solgen, weil schon im Monat August auch ein regelrecht an- 
gelegter Weingarten einer Wildniß gleich sehen würde, was 
wohl dem Gedeihen der Frucht bedeutenden Abbruch thun 
müßte Nicht selten erreichen die Ruthen von stark treibenden 
Reden im Laufe deS SommerS eine Länge von tl) und selbst 
biS 20 Fuß Die Rebstocke flehen zu eng — es 'fehlt an 
Platz und wir sehen uns gezwungen das „Abzipfeln" der 
Zuchtruthen vorzunehmen, damit'Luft und Sonnd bessern Zu 
tritt zum untern Theile des SrockeS erhalten und die Sonnen- 
strahlen erwärmend den Boden treffen können. Diese Arbeit 
sollen wir jedoch nicht zu frühzeitig vornehmen, sondern erst 
wenn die Triebe weit über die Stickel hinaus reichen und zu 
hängen anfangen. Schwache Zuchtruthen werden gar nicht 
geköpft Die Befürchtung, daß die untern Hauptaugen an 
den Ruthen austreiben, fo wie die Gipfel weggebrochen und 
die Geitzen entfernt sind, ist unbegründet Wir brechen daher 
die Seitenty'ebe der Zuchtruthen zugleich mit jenen an den Trag- 
ruthen, also vor der Blüthe auS. 
Beim Abzipfeln der Zuchtrnthen aber (Ende Juli und 
Anfangs August) gebrauchen wir die Vorsicht und lassen am 
obern Ende ein paar Geitzen stehen, welche sofort rasch antrei- 
ben. DaS Austreiben der untern Augen wird dadurch mehr 
verhindert. Es geschieht nun oft, daß die zu Oberst an der 
Ruthe befindii den Hauptaugen auch ' austreiben und da die- 
selben befruchtet sind, auch blühen, so daß wir Ende August 
— nach dem Lumeilzinieb — unS nochmals veranlaßt sehen 
diese Trtebe abzukneipen, damit daS Holz besser auSreift. 
Wer übrigens Bedenken tragt, daß durch daS Abzipfeln 
und Ausbrechen die Hauptaugen zum Antreiben gebracht wer- 
den, der „entspitze die Geitzen bloß auf 2—3 Knoten Länge. 
So klug die Kecht'schen Regeln sonst ausgedacht sein mö- 
gen, so muß doch jedem Rebmanne gleich einleuchten, daß man 
nur in seltenen Fallen bei schwach treibenden Reben, die in 
magenn Grunde stehen die Zuchtrnthen ungeköpst wachsen las- 
fcn kann und zwar aus Mangel an Raum im Weinberge. 
Die untern Geitzen müssen aber immer ausgebrochen, das ne- 
benstebende Hauptauge soll jedoch nach gemachter Andeutung 
vor dem Antreiben bewahrt werden. 
Es braucht kaum mehr erwähnt zu werden, daß an den 
gekappten Fruchtruthen die Geitzen steißig ausgebrochen werden 
sollen, und daß eS bei diesen gar keine Bedeutung hat wenn 
die Hauptaugen auch austreiben, welche dann ebenfalls zu ent- 
fernen sind, damit alle Säfte den Trauben zu Nutzen kommen. 
Wir glauben hier noch anführen zu müssen, daß man am 
Weinstocke drei spezielle Triebperioden unterscheidet: den Früh- 
! i n g S - I o h a n n i - uud La urenz itrieb. 
Das L ä u b e l n fallt in den Maientrieb, daS V e r b r e - 
chen vor den Johannitrieb und auf das erste Abzipfeln, 
wenn eS vor dem Laurenzitrieb geschehen muß, hat ein Zu- 
rückköpfen der obern Geizen oder Nachtriebe zu erfolgen, 
damit die Herbstsonne daö Ausreifen von Holz und Frucht 
besser befördern kann; 
Das Aufbinden der Ruthen am Stickel oder am Draht- 
geländer ist eine leichte selbstverständliche Arbeit, sowie auch daS 
Bearbeiten und Anflokern deS BodenS. 
Nachdem wir nun die Hauptgrundzüge deS Schnit-
	        

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