Weiber und Kinder mitsammt den Munizipalbeamten in einen
untern Raum hinabstürzten. Zum Glück kamen die weiften
mit leichten Quetschungen davon; immerhin sind einige schwere
Verwundungen und Todesfälle zu beklagen.
Frankreich. Die Nationalversammlung hat am t5. d.
für den durch den Deputirten Perier eingebrachten Antrag
deS linken Zentrums, welcher die definitive Konstituirung der
Republik unter der 7jährigen Präsidentschaft von Mac Mahon
verlangt, mit 345 gegen 341 Stimmen die Dringlichkeit, d. h.
die sofortige Überweisung desselben „an den konstitutionellen
Ausschuß beschlossen. Diese schwache Mehrheit erregt gerechten
Zweifel, ob der prinzipielle Entscheid wirklich praktische Gestalt
gewinnen werde. Als ein gutes Zeichen ist eS immerhin zu
betrachten, daß der in gleicher Sitzung der Nationalversamm-
lung gestellte Antrag von Larochefoueauld (französischer Bot-
schafter in London) auf Herstellung der Monarchie mit Mae
Mahon als Generalstatthalter und dessen Zuweisung an die
VerfassungSkommission verworfen wurde. Die Minister haben
sich an der bezüglichen Debatte nicht, betheiligt, indem sie die
Nationalversammlung allein die Herrin ihrer Entscheidungen
sein lassen und aus einer Dringlichkeitsfrage keine KabinetS-
frage machen wollten.
'Die Mehrheit, welche die Republikaner erlangten, ist ver-
schwindend klein und noch ist der Vorschlag des linken Zen
trums nicht angenommen Nicht alle Deputirten waren M-
wesend. Die Möglichkeit ist Durchaus nicht ausgeschlossen,, daß
die Mehrheit sich noch verschieben könnte ; gewiß M daß. eö
die Gegner der Republik nicht an Anstrengungen werden fehlen
lassen, um die alte Kammermehrheit wieder herzustellen. Ge-
lingt aber der Plan des linken Zentrums doch, so muß daö
Ministerium fallen. Hat eS sich bis jetzt auch um die Nieder-
lagen in der Kammer nicht bekümmert, so könnte es, da kein
einziger Republikaner in ihm vertreten ist, doch nicht die Ge-
schäste einer definitiven Republik leiten.
Doch sei dem, wie ihm wolle — die Ereignisse drängen
mit Macht zur Vereinfachung deö Kampfes, zum Verlässen der
bisherigen Art der Kriegführung und zum Entscheid über die
kurze aber inhaltschwere Frage: Republik oder Kaiserthum.
Rouher und Gambetta repräsentiren zwei Systeme in der
schärfsten und unversöhnlichsten Gestaltung. Rouher ist daö
Kaiserreich mit dem Säbel in der Faust, Gambetta die Republik,
welche ihrerseits die Waffe gegen Jeden kehrt, welcher sich gegen
dieselbe auflehnt. Sie vertreten beide die Thatkraft und find
deshalb stets die ultima ratio ihrer Partei.
Gambetta umschwebt noch immer der Glanz deS nationalen
Heroismus, und wenn er gegen das Kaiserreich auftritt, so
tritt zugleich der heldenmüthige Widerstand der Nation seit
Sedan aus der Vergangenheit hervor. Da mißt sich der kläg
liche Egoismus, welcher den Fall deS Vaterlandes verschuldete,
mit der Spannkraft des französischen Geistes und der Auf-
Opferungsfähigkeit der Nation. Gambetta hat den Imperialisten
in der Kammer Donnerworte entgegengeschleudert, von welchen
sich die Männer vom 2. Dezember und vom 2. September
kaum mehr erholen werden.
Spanien. Die amtliche Madrider Zeitung vom 18. d.
meldet, eS seien 12,000 Karlisten unter dem Oberbefehl deS
Infanten Don Alfonfo bei Alcora (Provinz Valencia) von
den Regierungötruppen geschlagen worden, wobei der Infant
Heinrich von Bourbon (ein Sohn des verstorbenen OheimS
der Exkönigin Jsabella) gefallen sei. — Vom nördlichen Kriegs-
schauplatz wird gemeldet, daß dieKqrlisten sich bei Monte Jurra
konzentriren und alle in der Umgegend von Estella vorgefundenen
Lebensmittel, Wagen und Pferde mitgenommen haben.
, * • i
''' >
Volkswirthschaftliches.
Der Weinstock! «nb der Wein. (VI.)
Der Schnitt des WeinstoSs und seine Erziehung.
(Frei bearbeitet mit Verwerthung von Studien aus Mohr'S
und BaboS Schriften.)
An keiner Pflanze wird soviel geschnitten, gezwickt, gebogen
und dem natürlichen WachSthume Gewalt angethan, wie dem
Weinstocke. Bereits in jeder Weingegend können wir «ine an-
der« Behandlung desselben sehen. Beim Durchlesen der Schriften
anerkannter Fachmänner finden wir öfters ganz verschiedene
Angaben über die Erziehung und den Schnitt deS WeinftockeS.
ES kann auch hier derselbe Zweck auf mänigfaltige Art erzielt
werden; doch führen spezielle Verhältnisse jeder Gegend —
Klima, Bodenart —so wie auch die Sorte der Weinrebe selbst
zur Wahl der Schniitart. Im Süden wird das alte Holz
hoch gezogen und die Traube reist im luftigen Laubdache ; im
Norden, wozu wir auch unser Rheinthal rechnen, wird der
Stock kurz gehalten, damit die Trauben näher am erwärmenden
Boden hängen und weniger von den kalten Windströmungen be-
rührt werden.
Die einjährige Trag rede, welche immer und überall
zurück gekürzt wird, erkivet eine vetschiedeijärtige Behandlung,
auf welche die Form deS ©lockt» aüb Sie SorIe der Rebe
rncht geringen Einfluß Äehmen^Mer will Kit Sicherheit ent
scheiden, was .nun da das Beste ist?- Kurze oder lange Schenkel
und Zapfen (Traghölzer) BorM, Ausleger und Streckreben
werden m verschiedener Weise aUsgebiiiiben Allein die viel«
jährige Erfahrung der Wemzüchter hat in den einzelnen Gegenden,
wo die Kultur des WeinftockeS, wie bei uns, vorangeschritten
ist, bereits entschiedet An den» Bestehenden und meist Er-
probten darf nur mit Vorsicht und auf Grundlage bewährter
Versuche etwaS geändert Werden. Die speziellen Verhältnisse
bedingen einen gewissen Schnitt, der «tn vielen Orten durch
Jahrhunderte lange Erfahrung festgeMt ist. In manchen
Gegenden blieb aber auch bei der Kultur des WeinftockeS das
Fehlerhafte eben so lange kleben, namentlich dort, wo nicht in«
telligente Weinbergbesitzer mit dem Beispiele vorangingen. Ein
gelungener Versuch, von dessen Vortheil der Rebmann mit
eigenen Augen sich überzeugen kann, findet leicht Eingang und
fördert mehr alS schriftliche und mündliche Belehrung.
Bevor wir näher auf raS Beschneiden dir Rebe eingehen,
wollen wir die Ursachen deS Schnittes in Betracht
ziehen. Wir werden dabei andere Eigenschaften deS WeinftockeS
näher kennen lernen und damit auch die Gründe, welche die
ein« oder die andere Art deS Schnittes bedingen.
a. Die Ursachen des Schnittes.
Der Weinstock zeigt im Laufe des ZahreS in Bezug auf
Säftebewegung große Unterschiede. Im Frühjahr beginnt bei
zunehmender Wärme der Saft zu steigen — eS ist das Erwachen
der Rebe aus ihrem Winterschlafe. Tritt Föhnwind mit warmen
Nächten hinzu, so beginnt dieser Prozeß bei unS leider meistens
zu frühzeitig. — Die abgeschnitten« Rebe wird am Schnitt«
naß, läßt tropfenweise Wasser ausfließen — sie weint Es ist
ein Zrrthum zu glauben, daß diese Saftverluste dem Rebstocke
von großem Nachtheile seien. Der Ueberfluß deS SasteS, welcher
im Frühjahre in so großem Vorrathe in den Saugwurzeln an-
gehäuft ist, um auch alle abgeschnittenen Zweige zu füllen und'
Hunderte von Augen in üppige Trieb« zu verwandeln, diese
Ueberfülle fließt ab. Die Wunde trocknet ein und vernarbt.
ES bleibt genug Saft zurück, um die wenigen ftehen.gelaffenen
Augen reichlich zu speisen; diese schwellen nun an und treiben
in grüne Ruthe» aus. Die Kraft, womit die Rebe den Saft
in die Höhe treibt ist sehr bedeutend. Bei keiner Pflanze ist st«
so groß und die herausgequollene Feuchtigkeit so reichlich, als
gerade im Weinstocke. Bei einer treibenden Rebe ist die Ent«
Wicklung der Aug?» um so größer, je näher sie am oberen Ende