auf eine Weile auf guten Erfolg hoffen, da blies ein böser
Geist dem Herrn Salmeron die Marotte inö Ohr, die TodeS-
strafe abzuschaffen, sogar in der Armee abzuschaffen, während
mitten im Bürgerkrieg diese selbe Armee auS Rand und Band
gegangen war und zur Wiederherstellung der Disziplin die
aKerstärkstsn Mittel nothwendig waren; und als dieser Marotte
nicht willfahrt wurde, zog er sich grollend zurück. Nun aber
fiel die Hauptlast der Regierung auf die Schultern Castelar's
und dieser unterzog sich der furchtbaren Last mit einer wahr-
Haft heroischen Hingebung. Es mag jetzt nachfolgen, was da
—will, die Geschichte wird diesem einer bessern Nation würdigen
-Manne das Zeugniß ertheilen, daß er nicht nur bis zum letz-
ten Augenblick der reine Charakter und der glänzende Redner
blieb, als den ihn alle Welt bewunderte, sondern daß er auch
von Tag zu Tag mehr Staatsmann wurde und namentlich in
den letzten Monaten des Jahres 1873 Alles that, was einem
Menschen möglich war, um die Republik zu retten und durch
die Republik die Ordnung im Land wiederherzustellen. Das
begriffen nun die in den unseligen Bund mit den Communisten
gerathenen Anhänger SalmeronS nicht, sonst hätten sie es nicht
gewagt, in der ersten diesjährigen Cortes-Sitzung der Regie
rung Castelar'S ein Mißtrauensvotum zu ertheilen. Erst als
Genera! Pavia mit bewaffneter Macht in daS Haus der spa>
nischen Volksvertreter einbrach und die Versammlung auflöste,
ersuchten sie den geschmähten Präsidenten der Republik, das
Ruder wieder zu ergreifen; doch zu spät, sie hatten ihm und
sich selbst schon den Boden unter den Füßen entzogen. DaS
Aufhören der spanischen Republik wird nur mehr eine Frage
von ganz kurzer Zeit sein. Solche Verheerungen können ent-
stehen, wenn politische Kinder mit Zündhölzchen spielen.
Ueber die Vorgänge in der genannten CorteSsitzung macht
ein Berichterstatter der „Times" folgende nähere Mittheilungen:
Am 3 Januar herrschte in Madrid große Aufregung, weil sich
mit großer Schnelligkeit das Gerücht verbreitete: falls Castelar
geschlagen werden und Pi y Margall zur Bildung eines Mini-
steriums schreiten sollte, werde die Armee ein Pronunciamento
veranstalten. Es bildeten sich indessen keine Zusammenrottun-
gen in der Nähe des Sitzungssaales der CorteS, weil auf Be<
fehl deS CivilgouverneurS selbst die kleinsten Gruppen durch die
in der Nähe deS Gebäudes in starken Abtheilungen aufgestellte
Bürgerwehr sofort zerstreut wurden. Gegen 3 Uhr traten die
CorteS unter dem Vorsitze SalmeronS zusammen, und Castelar
verlas die bereits durch den Telegrafen bekannte Botschaft, die
von allen Parteien kalt aufgenommen wurde. Sennor OliaS
von der Rechten beantragte ein Dankesvotum, welchem Sennor
Santamaria mit dem Antrage, die Vorfrage zur Abstimmung
zu bringen, entgegentrat. Darauf nahm Castelar daS Wort,
um in kurzen und beredten Worten anzukündigen, daß die Re
gierung sofort zurücktreten werde, wenn die Vorfrage in Er-
wägung gezogen werde. Seine Worte wurden von der Gallerie
mit lautem Beifall empfangen, aber Salmeron erhob sich, um
mit bitteren Worten das Verfahren deS Kabinets zu tadeln.
Abermals trat nun Castelar auf zu der Erwiederung, daß die
Regierung sich immer noch für die Aufrechterhaltung der Ord
nung verantwortlich erachte. Im übrigen erneuerte er die
Drohung mit dem Rücktritt des Ministeriums; schließlich zog
Santamaria seinen Gegenantrag zurück und daS HauS ver
tagte sich gegen 7 Uhr. Gegen 11 Uhr trat die Versamm
lung wieder zusammen, und Salmeron griff die Politik der
Regierung als antirepublikanisch an. Castelar antwortete mit
einer glänzenden Rede, in welcher er die Politik deS Ministe-
riumS als republikanisch im besten Sinne, freilich nicht demo-
kratifch und sozialistisch, darstellte. Seine Allianz mit den Ra-
Vitalen erklärte er als nothwendig, um das Land gegen die J»t-
transigenten zu schützen, welche den RepublikaniSmuS zerstörtet,
indem ste die Reaktion veranlaßten. Mit den bisherigen Cor-
teS erklärte er jede Regierung für unmöglich, da kein Minist^-
rium sich mit denselben acht Tage halten könne. DaS DankeS-
Votum für die Regierung fiel in der Abstimmung mit 100 ge-
gen 120 Stimmen durch. Sennor Castelar reichte nun formell
die Entlassung deS KabinetS ein, und die Sitzung wurde sus-
pendirt, um ein neues Ministerium zu bilden. Palanca ward
zum Präsidenten gewählt. Plötzlich aber drang gegen 7 Ubr
Morgens General Pavia mit einer starken Militärmacht in das
Gebäude ein, und ließ durch seinen Adjutanten den Präsiden
ten benachrichtigen, daß die Versammlung sich aufzulösen habe.
Während etwa fünf Minuten ertönten laute Rufe und Pro-
teste. General SociaS und andere drohten mit Widersetzlichkeit,
allein die Offiziere erwiederten: sie würden sofort feuern lassen,
falls die Deputaten nicht gutwillig den Saal räumten. In
diesem Augenblick wurden zwei Schüsse von den Soldaten in
die Luft gefeuert, und das Haus löste sich nun unverzüglich
in großer Verwirrung auf. Die äußerste Linke beeilte sich be-
sonders, zuerst in'S Freie zu gelangen. Niemand widersetzte
sich, und eS kam daher weder zu Blutvergießen, noch zu Ver-
Haftungen. Sämmtliche Deputirte ließ man ruhig ihres Weges
ziehen. Das diplomatische Korps wurde mit der größten Höf-
lichkeit behandelt und durch einen Brigadier auS dem Haus
eskortirt, während die Truppen das Gewehr präftntirten, ehe
sie in daS Haus eindrangen.. General Pavia hatte sich deS
Ministeriums des Innern bemächtigt; um den Telegraphen in
seine Gewalt zu bringen, besetzte er die Hauptpunkte der Stadt,
besonders die Toledostraße stark mit Truppen und Artillerie,
und ritt selbst durch die Stadt, um sich zu überzeugen, daß
seine Vorkehrungen richtig ausgeführt seien Die ganze Sache
war so gut veranstaltet, daß den Jntransigenten keinerlei Mög-
lichkeit eines erfolgreichen Widerstandes geboten war. WaS
die Truppen anbelangt, so schienen dieselben einig und von
gutem Geist beseelt, befriedigende Mannszucht beobachtend. Un-
ter solchen Umständen erwartet man, daß in Madrid auf alle
Fälle keine Unruhen vorfallen werden. ES Amrde ein Befehl
erlassen, nach welchem sämmtliche Bürger, mit Ausnahme der
neuen Nationalmiliz, die Waffen abzuliefern haben. Wer dieser
Verfügung zuwiderhandelt, soll gerichtlich verfolgt werden.
Deutschland. Die Wahlen für den deutschen Reichstag
haben am 10. d. MtS. begonnen; wie im letzten, so werden
auch im neuen Reichstage 2 Parteien sich hauptsächlich feind-
selig gegenüber stehen, die liberal' Reichspartei und die Ultra-
montanen. — In der zweiten würtembergijchen Kammer han-
delte eS sich in der Sitzung vom 8. d. Mts. um die Frage
der Bestrafung der Schulversäumnisse Diese wurden nach den
früheren Bestimmungen mit kleinen Geldstrafen von 2, 3, 4
und 6 Kreuzern abgerügt, was die Leute gar nicht in An-
schlag brachten, so daß die Schulversäumnisse in einer höchst
störenden Weise überhand nahmen, und es geradezu wie ein
Loskauf vom Schulbesuch erschien. Die Oberschulbehörden, das
evangelische Konsistorium und der katholische Kirchenrath er-
griffen daher im Januar v. I. die Gelegenheit der Einführung
deS neuen Polizeistrafgesetzes und des Reichsstrafgesetzes um
statt der bisherigen mit dem jetzigen Geldwerth in gar keinem
Verhältniß stehenden Strafen das Strafminimum des Reichs-
gefetzes von % Thal er oder 24 Stunden Haft eintreten zu
lassen. Das that gut, und seitherhaben die unerlaubten Schul-
Versäumnisse fast ganz aufgehört und in Fällen wo eine DiS-
pensation begründet war, ließ man diese eintreten. Aber daS
Geschrei solcher Eltern, welche ihre Kinder lieber zu Hause zum
Viehhüten oder sonst verwendeten, als sie zur Schule gehen zu
lassen, war groß und drang selbst in die Kammer, an welche
zwei Anträge in dieser Richtung kamen: der eine von dem
Abgeordneten Völmle verlangte nichts weniger als daß die
Verfügungen der beiden Oberschulbehörden außer Kraft gesetzt
werden, da er solche für ungerechtfertigt erklärte. Der andere
Antrag von Schwandner war gemäßigter und verlangte nur
eine Regelung der Sache im Gesetzgebungswege mit minderen
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