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Nachbarlandes auszudehnen. Das Verhältmß Deutschlands zu
der neuen Regierung Frankreichs werde sich einzig nach der
Haltung bestimmen, welche dieselbe bezüglich der Erfüllung der
vertragsmäßigen Verpflichtungen beobachte. Der Artikel de-
zweifelt, daß die der neuen französischen Regierung zugeschrie<
denen konfessionellen Gesichtspunkte erfolgreich in Frankreichs
auswärtiger Politik zur Geltung gelangen sollten; unter allen
Umständen dürfe Deutschland mit völliger Sicherheit und Ruhe
auf die ncue Entwicklung der französischen Verhältnisse blicken.
Oesterreich. Es sind Gerüchte im Umlauf, daß in Folge
der Börsenkatastrophe auch mehrere Erzherzoge, darunter der
jüngste Bruder des Kaisers, bedeutende Verluste erlitten haben.
Ueberhaupt wird versichert, daß die Hofkreise sich stalk am
Börsenspiel betheiligten
Die „Neue Freie Presse" konstatirt die Besserung der
Physiognomie deS Geldmarktes und sagt: daß man maßgeben-
derseitS bemüht sei, die fortgesetzten Exekutionen durch die Be-
schaffung eineö auSgiebt'gen AuShülfSfondS zu verhindern.
WaS Spanien betrifft, so sollen Oesterreich, Deutschland
und Rußland jetzt übereingekommen sein, in demselben Augen-
blicke, wo die konstituirenden KorteS der faktisch bestehenden
RegierungSform die rechtliche Weibe geben, die formelle Aner-
kennung der neuen Ordnung der Dinge auszusprechen.
Frankreich. Die Ereignisse in Frankreich nehmen gegen
wärtig das Hauptinteresse aus dem politischen Weltmarkt in
Anspruch. Wir haben bereits in der letzten Nummer die Ent-
Wicklung dieser politischen KrisiS mitgetheilt.
Heir Thiers ist von dem politischen Schauplatz nun ab-
getreten. Er nimmt den Ruhm mit sich, seine Pflicht in vollstem
Maße erfüllt zu haben.
^Wohl nie hat ein Staatsmann die Leitung eines großen
Staates unter gleich großen Schwierigkeiten übernommen, unter
denen Herr Thiers die Regierung Frankreichs am 17. Februar
1871 angetreten hat, und wohl nie hat ein Staatsmann in
so kurzer Zeit gleich große oder nur annähernd große Erfolge
errungen, wie Herr Thiers in den neun Vierteljahren seiner
Präsidentschaft. Als er die Regierung übernahm, war die
Hälfte Frankreichs vom Feinde besetzt, die Armee theils in
Gefangenschaft, theilö außer Stand, daS Feld zu behaupten,
die Verwaltung.deS Staates aus Rano und Band, die Finanzen
ein Ding, von dem man nicht wußte, ob eS überhaupt wieder
in ein organisches Leben zmückgerufen werden könne; denn
abgesehen von einer alle bisherigen Voistellungen übersteigenden
Kriegeentschädigung waren tiefe vom Kriege geschlagene Wim«
den zu heilen. Niemand mochte damals wohl sagen, ob fünf,
ob zehn Jahr erforderlich seien, bis geordnete Verhältnisse in
der Staatswirthschaft wiederhergestellt sein würden. Kaum
hatte Thiers sein Amt angetreten, als der Kommune-Aufstand
in Paris ausbrach — ein Aufstand, der an Gefährlichkeit alle
frühern Aufstände, an denen die französische Geschichte doch
keineswegs arm ist, übertraf. Der Aufstand wurde niederge-
worfen und dadurch der Armee das verlorene Selbstvertrauen
wieder verschafft, ein nicht geringer Gewinn. Unermüdlich ar
beitete nun Herr Thiers an der Befreiung des Landes von den
fremden Truppen. Jnnechalb kaum eines IahreS brachte er zwei
Anleihen zu Stande, die durch ihren Erfolg, wie durch ihre
Höhe alle bisherigen Anleihen überragten. Der Abzug der
deutschen Truppen konnte bestimmt in'S Auge gefaßt werden
und bald ein Vertrag zu Stande kommen, der denselben um
zwei volle Jahre früher festsetzte, als ursprünglich stipulitt
worden war. Das Verdienst für diese Erfolge gebührt aus»
schließlich Herrn Thiers; daS Vertrauen, welches doch eine
sehr wesentliche Voraussetzung jenes Vertrages war, ist ein
höchst persönliches, mit Herrn Thiers verbundenes gewesen.
Wie daS Zustandekommen, namentlich der zweiten großen An«
leihe, daS Werk deS Herrn Thiers war, so ist eS auch sein
Werk, daS Gleichgewicht im Staatshaushalt wiederhergestellt
zu haben.
Freilich hat Herr Thiers eS nicht vermocht, dem Staate
Einrichtungen für die Dauer zu schaffen Diese Aufgabe über-
stieg seine Kräfte. Der Zwist unversöhnlicher Parteien hinderte
daS Zustandekommen dauerhafter Zustände. Thiers ist in seinen
Bemühungen daran gescheitert, wie jede andere Kraft in Frank-
reich schon längst daran gescheitert wäre.
Sein Nachfolger, Marschall Mac Mahon, Herzog von
Magenta, hat die Hinterlassenschaft angetreten. Er ist durch
und durch Soldat, aber kein Staatsmann, wie er sich bei
der Entgegennahme der Präsidentschaft auch selbst ausdrückte.
Von seiner Pflichttreue ist zu erwarten, daß er die Republik
erhalten wird, wie er sie überkommen.
Seine Botschaft an die französische Nationalversammlung
lautet:
„Meine Herren Volksvertreter!
Von der Nationalveisammlung zur Präsidentschaft beru-
fen, habe ich ohne Verzug die Ausübung der Befugnisse übe:-
nommen, die Sie mir anvertraut, und ein Ministerium ernannt,
dessen Mitglieder alle aus ihren Reihen hervorgegangen sind.
Ich war dabei von dem Gedanken durchdrungen, dem daS
Kabinet selbst in seinen Handlungen stets Folge geben wird,
zu jeder Zeit auf das Genaueste Ihrem Willen gemäß zu ge-
horchen. Das Recht der Majorität ist die Regel aller pa«la-
mentarischen Regierungen, und hauptsächlich in Anwendung zu
bringen in unfern gegenwärtigen Institutionen, wo die Exeku-
tivgewalt nur eine Delegation der Nationalversammlung ist,
der allein die wirkliche Autorität zukommt. Mit Hülfe deS
Landes und deS glorreichen Mannes, dessen Stelle ich ein-
rings umher rauschten die düstern Bäume des fernen Waldes.
Da zogen Friedrich und Reinhold hinab, spielend und singend,
und hell und klar, wie auf leuchtenden Schwingen, wogten die
süßen Töne ihrer sehnsüchtigen Lieder durch die Lüste. Im Nacht-
lager angekommen, warf Reinhold Laute und Reisebüudel schnell
ab und drückte Friedrich stürmisch an seine Brust, der auf seinen
Wangen die brennenden Thränen fühlte, die Reinhold vergossen.
Wie die beiden jungen Gesellen, Neinhold und
Friedrich, in Meister Martin's Hause aufgenommen
wurden.
Als am andern Morgen Friedrich erwachte, vermißte er den
neuerworbenen Freund, der ihm zur Seite sich auf das Stroh-
lager geworfen hatte, und da er auch Laute und Reisebündel nicht
mehr sah, so glaubte er nicht anders, als daß Reinhold ans
ihm unbekannten Ursachen ihn verlassen und einen andern Weg
eingeschlagen habe. Kaum trat Friedrich aber zum Hause hinaus,
als ihm Reinhold, Reisebünd'el auf dem Rücken, Laute unterm
Arm, ganz anders gekleidet als gestern, entgegentrat. Er hatte
die Feder vom Baret genommen, das Schwert abgelegt und statt
des zierlichen Wamms mit dem Sammetbesatz ein schlichtes Bür-
gerwamms von unscheinbarer Farbe angezogen. „Nun," rief er
fröhlich lachend dem verwuuderten Freuud entgegen, „nun, Bru-
der, hältst Du mich doch gewiß für Deinen wahren Kumpan
und wackern Kameraden! — Aber höre, für einen, der in Liebe
ist, hast Du tüchtig genug geschlafen. Sieh' nur, wie hoch schon
die Sonne steht. Laß uns gleich fortwandern." — Friedrich war
still uud in sich gekehrt, er antwortete kaum auf Reinhold's Fra-
gen, achtete kaum auf seine Scherze. Ganz ausgelassen sprang
Reinhold hin und her, jauchzte und schwenkte das Baret in den
Lüften. Doch auch er wurde stiller und stiller, je näher und
näher sie der Stadt kamen. „Ich kann vor Angst, vor Beklom-
menheit, vor süßem Weh nicht weiter, laß uns hier ein wenig
ruhen." So sprach Friedrich, als sie schon beinahe das Thor
von Nürnberg erreicht hatten, und warf sich ganz erschöpft nieder
in das Gras. Neinhold setzte sich zu ihm und sing nach einer
Weile an: „Ich muß Dir, mein herziger Bruder, gestern Abend
recht verwunderlich vorgekommen sein. Aber, als Du mir von