Liechtensteinische
Vaduz, Freitag
Nr. 18.
den 23. Mai 1873.
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Vaterländisches.
Vaduz, den 20. Mai. Zufolge höchsten Auftrages Sei-
ner Durchlaucht wurde die Einberufung des diesjährigen or-
deutlichen Landtages auf Grund des .8 92 der VerfassungS-
urkunde für den 29 Mai anberaumt.
Die wichtigste BerathungSfrage wird natürlicher Weife
wieder unser Rheinschutzbau werden. So lange unser „Vater
Rhein" nicht einigermaßen sicher gestellt ist, treten sonst noch
so wichtige Vorlagen vor dieser brennenden Lebensfrage in den
Hintergrund.
Wichtiger, als allenfallsige Berathung über Bauart, Sy
steme :c. wird wohl die finanzielle Frage punkto Beschaffung
von Geldmitteln werden.
Denn dieS ist der nervus rerum unserer kritischen Lage.
DaS Ländchen ist zu klein, als daß eS selbst große Opfer er»
tragen könnte, und zudem hat unsere Bevölkerung in diesem
Kriege auf Leben und Tod schon fast Unglaubliches geleistet.
Die Gemeinden müssen ziemlich entlastet werden, sonst birgt
der neue Schutzbau am Rheine in einigen Jahren den Ruin
von manchem sogar behäbigen Mittelbürger in sich. Freilich,
eS gilt den Kampf auf Leben und Tod und unser Militär-
kontingent besteht aus Rheinsoldaten, und im Kriege muß
mancher für das Vaterland sein Leben lassen. Aber wenn es
irgendwie möglich ist, so sollten alle Mittel und Wege ange-
strengt werden, daß die Opfer möglichst gering werden, und
das kann nur durch theilweise Entlastung der Gemeinden ge-
schehen, beziehungsweise durch neue unverzinsliche Anlehen.
Unser durchlauchtigster LandeSfürst hat uns in großmüthigster
Weife schon eine bedeutende Summe unverzinslich gegeben,
möge sein edler Sinn, einem thätigen, braven Völkchen zu
helfen, noch weiter spenden, bis unser großes Werk, das wilde
Element zu bezwingen, der Vollendung naht.
Hat unser Volk die Aussicht, daß uns weiter geholfen
wird, und werden in Folge dessen die Gemeindeleistungen etwas
reduzirt, dann wird jeder rechte Bürger mit Freuden' wieder
seine Arbeit aufnehmen.
Andere Staaten beginnen mitunter wegen kleinlichen
KabinetSintriguen Krieg und dann bekämpft der Mensch den
Menschen mit Kugel und Schwert; unser Kampf gilt dem
wilden Elemente und unser Patriotismus in diesem Kampfe
heißt Selbsterhaltungstrieb.
Wir stehen mitten in diesem Kampfe und haben noch man-
chen harten Strauß durchzumachen, bis der Sieg unser ist;
aber wir müssen siegen, wenn uns einerseits unser durchluuch«
tigster Landesfürst weiter hilft und andererseits die Bevölkerung
Liechtensteins ihren regen Eifer und ihre Thätigkeit weiterhin
bewährt. Wenn dieser Sieg einmal unser ist, dann darf
Liechtenstein auch ein Siegesfest feiern und unsere Wacht am
Rhein in voller Freude singen: „Lieb Vaterland magst ruhig
sein."
Unser Landesfürst wird sich dann das schönste und dauerndste
Monument errichtet haben, eS ist dieS das Denkmal deS Dan-
keS in dem Herzen seiner Bevölkerung, daS mehr ist, als ein
Denkmal von Stein, und fortlebt in künftigen Generationen.
Möge unser Wunsch in Erfüllung gehen und unsere lange
und schwere Arbeit ein lohnendes Resultat erzielen.
Das walte Gott!
Politische Rundschau.
Deutschland. Der preußische Handelsminister Jtzenblitz
hat die nachgesuchte Entlassung erhalten und ist nun Achen-
Feuilleton.
Meister Martin, der Küfner, und seine Gesellen.
Novelle von E. T. A. Hoffmann.
(Fortsetzung.)
Und als sie dies Lied ausgesungen hat, legt sie das Kind
leise und behutsam auf das Deckbette nieder, und die welke,
zitternde Hand auf seine Stinte gelegt, lispelt sie unverständliche
Worte, aber das ganz verklärte Antlitz der Alten zeigt wohl,
daß sie Gebete spricht. Nun sinkt sie nieder mit dem Kopse
auf die Bettkisfen, und in dem Augenblicke, als die Amnte das
Kind fortträgt, seufzte sie tief auf: „Sie ist gestorben!" —
„Das ist," sprach Paumgartner, als Meister Martin schwieg,
„das ist eine wunderbare Geschichte, aber doch sehe ich gar nicht
ein, wie das weissagende Lied der alten Großmutter mit Euerm
starrsinnigen Vorsatz, Rosa nur einem Küpermeister geben zu
wollen, zuhammenhängen kann." „Ach," erwiederte Meister Martin,
„was kann denn klarer sein, als daß die Alte, in dem letzten
Augenblick ihres Lebens von dem Herrn ganz besonders erleuchtet,
mit weissagender Stimme verkündete, wie es mit Rosa, sollte sie
glücklich sein, sich fügen müsse. Der Bräutigam, der mit dem
blanken Häuslein Reichthum, Glück, Heil und Hort in's Haus
bringt, wer kann das anders sein, als der tüchtige Küper, der
bei mir sein Meisterstück, sein blankes Häuslein gefertigt hat?
In welchem andern Häuslein treiben würzige Fluchen, als in
dem Weinfaß? Und wenn der Wein arbeitet, dann rauscht und
summt es wohl auch und Plätschert, das sind die lieben Engelein,
die in den Fluchen auf- und abfahren und lustige Liedlein singen.
Ja ja! — keinen andern Bräutigam hat die alte Großmutter
gemeint, als den Küpermeister, und dabei soll es denn auch
bleiben." „Ihr erklärt," sprach Paumgartner, „Ihr erklärt, lieber
Meister Martin, die Worte der alten Großmutter nach Eurer
Weise. Mir will Eure Deutung nicht recht zu Sinn, und ich
bleibe dabei daß Ihr Alles der Fügung des Himmels und dem'
Herzen Eurer Tochter, in dem der richtige Ausspruch verborgen
liegt, lediglich überlassen sollt." „Und ich," fiel Martin unge-