Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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Spiritusbrandunglück heimgesucht werden, für das eS keine 
Assekuranzen gibt. Es ist höchst traurig, wenn man verninmt, 
wie in einigen Gemeinden und besonders in Schaan, Branrt- 
wein oder vielmehr zum größten Theile importier und modi- 
fizirter verdünnter Spiritus verbraucht wird, und wie mancher 
früher ordentliche junge Mann das Opfer einer Leidenschaft 
geworden ist, die sehr schnell angewöhnt, aber äußerst schwierig 
abgewöhnt werden kann. Bei den ungeheuren Arbeiten, die 
diesen Winter am Rheine geleistet wurden, und bei dem Um- 
stände, daß letztes Jahr sozusagen kein inländisches Getränke 
in Folge völliger Mißernte produzirt wurde, war es zwar 
vorauszusehen, daß auslandische Getränke nothwendig impor- 
tirt werden mußten, und da für die Arbeiter der Wein für 
den gewöhnlichen Gebrauch zu kostspielig kam, mußte er zum 
Schnapse greifen. Durch die bedeutende Billigkeit deS einge 
wanderten Schnapses jedoch wurde eben mancher versucht, über 
das Maß zu trinken und das ist eben das Betrübende. Wir 
wollen zwar hoffen, daß ein gutes Obst- und Weinjahr wieder 
manchen Gefallenen zum edlen ächten Landqetränke bekehren 
werde und dem Einreißen dieses so gefährlichen Nebels der 
natürlichste Damm gesetzt werde. Könnte man aber nicht auch 
vorbeugen, wenn man den ausländischen Schnapslieferanten, 
die ihre Waare im Fürstenthume absetzen, eine hohe Gewerbe- 
fieuer auflegen würde? Mancher, der jetzt durch die Billigkeit 
verlockt über die Schnur haut, würde durch die hiedurch be- 
dingte Preiserhöhung bedachtiger und vielleicht vor dem Falle 
gerettet. Jetzt hat das Uebel noch keine bedeutenden Dimen 
sionen angenommen, und gerade um so leichter, wenn auch 
noch so schwer, könnte man dagegen Mittel treffen. Die 
Kanzel und die Sonntagsschule könnten in dieser Hinsicht auch 
vieles Ersprießliche wirken. Principiis obsta, sero medicina 
paratur, d. h. dem Anfange widerstehe, sonst wird das Milte! 
zu spät bereitet. 
Vaduz, 22. April. Nach den neuesten Nachrichten sind 
sämmtliche 27 Personen, welche, iwie wir schon letzthin melde- 
ten, aus unserer Nachbargemeinde Sevelen nach Amerika aus- 
gewandert sind, beim bekannten Schiffbruche deS Atlantic zu 
Grunde gegangen. 
Politische Rundschau. 
Zu den in der letzten Nummer unseres BlatteS mitgetheilten 
Notizen über eine allenfallsige Kriegsverwicklung Italiens mit 
Frankreich wollen wir noch einige Muthmaßungen, wie solche 
von angeblich wissenden Leuten in verschiedenen Zeitungen auf- 
gestellt werden, nachtragen. AlS BemerkenSwerthestes lesen 
wir die Angabe, der deutsche Reichskanzler erwarte mit Be-, 
stimmtheit, daß der Präsident der französischen Republik einen 
Meister ein klein wenig an feinen Bauch drückte, als wolle er 
ihn umarmen. Man schied fröhlich und gilter Dinge. 
Was sich hieraus weiter in Meister Martin's 
Haus begab. 
Es traf sich, daß der Nathsherr Iakobus Baumgartner, um 
zu seiner Behausung zu gelangen, bei Meister Martin's Haus 
vorbeigehen mußte. Als Beide, Paumgartner und Martin, nun 
vor der Thür dieses Hauses standen und Paumgartner weiter 
schreiten wollte, zog Meister Martin sein Mützlein vom Kopf 
und sich ehrfurchtsvoll so tief neigend, als er nur vermochte, 
~ sprach er zu dem Nathsherrn: „O, wenn Ihr es doch nicht 
verschmähen wolltet, in mein schlechtes Hans auf ein Stündchen 
einzutreten, mein lieber, würdiger Herr! — Laßt es Euch ge- 
fallen, daß ich mich an Euern weisen Reden ergötze und erbaue." 
„Ei, lieber Meister Martin," erwiderte Paumgartner lächelnd, 
„gern mag ich bei Euch verweilen, aber warum nennt Ihr Euer 
Haus ein schlechtes? Ich weiß es ja, daß an Schmuck und kost- 
Itcher Gerätschaft es keiner der reichsten Bürger Euch zuvor- 
Handel mit Italien suche, um durch ein „militärisches Ma- 
növer" feinen erbleichenden Nimbus aufzufrischen. 
DaS deutsche Reich werde dieS nicht zugeben und benutze 
den Anlaß, mit Italien die intimsten Beziehungen anzuknüpfen. 
Anderseits soll die Petersburgerreise Kaiser Wilhelms und Bis- 
marks Deutschland sichern Rücken von Seite Rußlands schaf- 
fen. Wie dieS geschehen soll, darüber sind die Ansichten ver- 
schieden. Die Einen glauben, daß Rußland ein Beschwichti- 
gungSrezept in Gallien oder Rumänien erhalte Andere zie 
hen umgekehrt aus dem allerdings auffallenden Umstände, daß 
Deutschland und Oestreich ringsum auch gegen Rußland ihre 
Festungen verstärken, nur sich selbst gegeneinander nicht, den 
Schluß, daß ein engeS Bündniß zwischen Deutschland und 
Oesterreich bevorstehe. Zwischen England und Rußland ist 
wieder Span, da die Engländer bemerken, daß Rußland sie 
gefoppt hat und Khiwa nicht bloß züchtigen, sondern erobern 
will, indem eS mit größern Truppenmassen gegen das Khanat 
zu Felde zieht, während es vorgab, nur einige Bataillone zu 
brauchen. Der Khan von Khiwa hat mittlerweile Rußland 
volle Genugthuung gegeben. Es wird sich nun zeigen, ob 
Rußland keine Eroberung beabsichtigt. 
Die deutsche Regierung läßt in den occupierten Provinzen 
Frankreichs noch vor der Räumung genaue topografische Kar- 
ten aufnehmen. Die Deutschen nehmen vielleicht eine genauere 
Generalstabskarte des französischen Kriegsschauplatzes mit, als 
Frankreich selbst sie besitzt. 
Schweiz. Die Anfangs August in Zürich stattfindende 
Ausstellung schweizerischer Thiere soll nach der „N. Z Z " 
einen Bärenzwinger mit einem Bären, einen Wolf, einen Luchs 
und noch 17 Arten anderer Raubthiere enthalten. DaS 
Hundegeschlecht wird mit 28 Arten, auch mehrere Katzenarten 
vertreten sein; Nagethiere 16 Arten, Kaninchen 8 Arten; 
der Park enthält Hirsche, Rehe und Gemsen. Es folgen die 
Hauptrepräsentanten der schweizerischen Viehracen, inländische u. 
ausländische Ziegen und Schafe, unter den Dickhäutern Wind- 
und Mastschweine. Ein Terrarium beherbergt die verschiede« 
nen Arten von Molchen, Kröten, Eidechsen, Nattern, Vipern 
u. s. w., und das Aquarium enthält eine größere Zahl von 
Glaskasten mit Wassert Hieren, Schnecken, Muscheln, mit 23 
Arten inländischer Fische, im Weitern 8 Kasten Forellen in 
ihren verschiedenen EntwicklungSperioden vom Ei bis zum auS- 
gewachsenen Exemplar. Hieran schlösse sich die große Sipp- 
schaft von Vögeln. Von Adlerarten sind 6 vorgesehen, für 
welche geräumige Pavillons erbaut werden müssen. In pas-- 
senden Zwischenräumen und in kleinen Käfigen würde das 
zahlreiche Heer der kleinen Vogel untergebracht und Sumpf- und 
Schwimmvögel in die WasserbassinS verpflanzt. 
thut! Habt Ihr nicht erst vor kurzer Zeit den schönen Bau 
vollendet, der Euer Haus zur Zierde unserer berühmten Reichs- 
stadt macht, und von der inner» Einrichtung mag ich gar nicht 
reden, denn deren dürfte sich ja kein Patrizier schämen." 
Der alte Paumgartner hatte Recht, denn wie man die hell 
gebohnte, 'mit reichem Messingwerk verzierte Thür geöffnet hatte, 
war der geräumige Fluß mit sauber ausgelegtem Fußboden, mit 
schönen Bildern an den Wänden, mit kunstvoll gearbeiteten 
Schränken und Stühlen, beinahe anzusehen wie ein Prunksaal. 
Da folgte denn auch Jeder gern der Weisung, die, alter Sitte 
gemäß, ein Täfelchen, das gleich neben der Thüre hing, in den 
Bersen gab: 
Wer treten will die Stiegen hinein, 
Dem sollen die Schuhe fein sauber sein 
Oder vorhero streifen ab, 
Daß man nit d'rüber zu klagen Hab'. 
Ein Verständiger weiß das vorhin, 
Wie er sich halten soll darin. 
Der Tag war heiß, die Luft in den Stuben jetzt, da die
	        

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