Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

Liechtensteinische 
Vaduz, Freitag 
Nr. 14, 
den 25. April 1873. 
liechtensteinische Wochenzeitung erscheint jeden Freitag. Sie kostet für das Inland ganzjährig 2 fl., halbjährig l fl.lv kr. sammt 
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werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Die Weltausstellungen. 
(Schluß) 
Eine sehr schöne Lichtseite der Weltausstellungen besteht 
auch besonders darin, daß sie Nationen einander näher brin- 
gen, die Ecken und Schroffheiten zwischen denselben ausgleichen, 
Vorurtheile von Völkern gegen Völker tilgen und sie so dem 
Ziele der Civilisation, der allgemeinen Brüderlichkeit, entgegen- 
führen. Fügen wir nunmehr noch hinzu, daß die Prämiirung 
auf einer Ausstellung dem Aussteller einen vorteilhaften Nim 
bus verleiht, daß ferner an den Ausstellungsort viel Geld wan- 
dert, so glauben wir die Vortheile ziemlich aufgezählt zu haben. 
Zu den Nachtheilen gehört vor Allem, daß die Industrie- 
ausstellungen nicht das wirkliche Bild der gewerblichen Thätig- 
keit eines Landes geben; denn erstens sind die Gewerbe, UM 
zum zweiten auch die Länder ungleich vertreten. Sodann wich 
immer der Bezirk deö Ausstellungsortes selbst vorwiegend ver^ 
treten sein, trotz aller Verkehrsmittel. DaS Bild verliert jedoch 
noch mehr an Treue, daß die Ausstellungen, wie sie eben sind, 
zwar zeigen, was die Industrie leisten kann, aber nicht, waS 
sie wirklich leistet. Sie sind nämlich weit mehr Kunstausstel 
lungen, wie GeWerbeausstellungen. In dem an und für sich 
löblichen Eifer, es dem Concurrenten zuvorzuthun, sucht jeder 
Produzent den andern zu überbieten an Kunststücken und an 
Luxus. Dadurch wird der einzelne Produzent öfters zu Anstren- 
gungen verlockt, die weit über seine Mittel gehen. 
Dem Angeführten zu Folge überwiegen die Vorzüge sicher- 
lich die Nachtheile. Es sind Reformen nöthig und zwar Haupt- 
sächlich darin, daß eine strenge Grenzlinie zwischen Kunstwerk 
und Marktwaare gezogen werde. Ebenso folgen bis jetzt die 
Industrieausstellungen zu rasch aufeinander; hiedurch kann 
kaum irgend etwas entschieden NeueS gebracht werden, und 
wird auch die freudige Begeisterung allmählig verschwinden. 
Da die Wiener Weltausstellung immer näher rückt, so 
dürfte eS unfern Lesern nicht uninteressant sein, einige stati- 
stische Notizen, die wir dem illustrirten Katalog der Londoner 
Weltausstellung vom Jahre 1862 entnehmen, kennen zu ler- 
nen Die Gesammtzahl der Besucber von Anfang bis zum 
Schlüsse der Londoner Ausstellung v I. 1862 betrug 6,211,103. 
Die Durchschnittszahl der Besucher auf jeden Tag: 36,328; 
die größte Zahl jedoch, die an einem Tage sich im Gebäude 
zusammenfand, war 67,891. Der Gesammtboden des Jndu- 
striepalasteS unter Dach zählte 988,000 Quadratfuß. In den 
86 Klassen deS Jnduftriedepartements zählte man 26,336 AuS- 
steller. Ferner waren an dem Bau des AuSstellungSpalasteS 
zu verschiedenen Zeiten ungefähr 30,000 Handwerker und 
50,009 Taglöhner thätig, diejenigen Arbeiter ungerechnet, wel- 
che in auswärtigen Werkstätten für die Zubereitung :e. der 
Tyeile sorgten. 
Vaduz, 22. April. Der Frühling wird immer dustiger, 
noch einige Tage und der wunderschöne grüne FrühlingSflor 
ist über Flur und Wald und Berg und Thal ausgebreitet. 
Die Sonnenstrahlen fallen immer senkrechter auf die Erde 
nieder und treiben immer mehr Blüthen und Blätter und bei 
uns Menschenkindern immer mehr Schweißtropfen zum Vor- 
scheine. Hoffentlich wird unS der Würgengel „Reif" jetzt ver- 
schonen, damit im Herbste die schon geflossenen und noch fließen« 
den unzähligen Schweißtropfen durch gute Wein- und Most- 
tropfen reichlich ersetzt werden. Es ist hohe Zeit, daß wir 
wieder einmal ein recht gutes Wein- Und Obstjahr bekommen, 
/onst könnten nach und nach einzelne Gemeinden von einem 
Feuilleton. 
Meister Martin, der Küfner, und seine Gesellen. 
Novelle von E. T. A. Hoffmann. 
(Fortsetzung.) 
Dabei klopfte sich Herr Martin recht behaglich auf den dicken 
Bauch, schmunzelte mit halbgeschlossenen Augen und fuhr dann, 
da Alles schwieg, und nur Hut und wieder ein bedenkliches Näu- 
spern laut wurde, also fort: „Aber ich merk' es, ich weiß es 
wohl, daß ich mich nun noch schönstens bedanken soll dafür, daß 
der Herr endlich bei der Wahl Eure. Köpfe erleuchtet hat. — 
Nun, wenn ich den Lohn empfange für die Arbeit, wenn der 
Schuldner mir das geborgte Geld bezahlt, da schreib' ich wohl 
unter die Rechnung, den Schein: zu Dank bezahlt, Thomas 
Martin, Küpermeister allhier! — So seid denn Alle von Her- 
zen bedankt dafür, daß Ihr mir, indem Ihr mich zu Eurem 
Vorsteher und Kerzenherrn wählet, eine alte Schuld abtrüget. 
Uebrigens verspreche ich Euch, daß ich mein Amt mit aller Treue 
und Frömmigkeit verwalten werde. Der Zunft, jedem von Euch, 
stehe ich, wenn es Noch thut, bei mit Rath und That, wie ich 
es nur vermag mit allen meinen Kräften. Mir soll es recht 
anliegen, unser berühmtes Gewerk in vollen Ehren und Würben, 
wie es jetzt besteht, zu erhalten. Ich lade Euch, mein würdiger 
Handwerksherr, Euch alle, ihr lieben Frennde und Meister, zu 
einem frohen Mahle auf künftigen Sonntag ein. Da laßt uns 
frohen Muths bei einem tüchtigen Glase Hochheimer, Johannis- 
berger, oder was Ihr sonst an edeln Weinen aus meinem rei- 
chen Keller trinken wöget, überlegen, was jetzt förderfamst zu 
thun ist für unser Aller Bestes! Seid nochmals Alle herzlichst 
eingeladen!" 
Die Gesichter der ehrsamen Meister, die sich bei Martin's 
stolzer Rede merklich verfinstert hatten, heiterten sich nun auf, 
upd dem dumpfen Schweigen folgte ein fröhliches Geplapper, 
worin Vieles von Herrn Martin's Hohen Verdiensten und seinem 
auserlesenen Keller vorkam. Alle versprachen, am Sonntag zu 
erscheinen und reichten dem neuerwählten Kerzenmeister die Hände, 
der sie treuherzig schüttelte und auch wohl diesen und jenen
	        

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