Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1873)

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wieder zu sehen suchen. Ich wohne in dem Hotel 
Ueberlegen Sie sich die Sache, denn eS bandelt sich um die 
Zukunft Ihres KindeS. Ich gebe Ihnen drei Tage Bedenkzeit." 
Die arme Mutter dachte über den seltsamen^ Antrag nach, daS 
ganze Städtchen sprach von dem Kinderfägfer uir er hatte 
zehn andere Kinder sehr wohlfeil haben 'können; die schöne 
Obstverkäuferin aber erklärte ihm, als er nach Ablauf der drei 
Tage wieder bei ihr erschien: „Ich würde- eine Sünde zu lhun 
glauben, die mir der liebe Gott niemals verzeihen könnte, wenn 
ich mein Kind für schnödes Gelb hingäbe." Der Engländer 
ließ sich so leicht nicht abweisen; er stellte der Krau Himmel 
und Hölle vor, Alles vergeblich. Endlich sagte er: „Ich wette, 
daß ich Ihr Kind doch erhalte, denn ich muß es haben. Ich 
habe mich über Sie erkundigt, Sie gleichen meiner Jenny, — 
ich biete Ihnen meine Hand und Ihr Sohn soll meinen ver- 
storbenen ersetzen. Ich bin frei und reich und stelle nur die 
einzige Bedingung, daß Sie den Namen Jenny annehmen und 
Ihren kleinen Sohn da William nennen wollen." Diesen 
Vorschlag überlegte sich die junge Wittwe um Vieles reiflicher 
und sie brauchte nicht drei Tage, um zu einem Entschlüsse zu 
gelangen. Sie sagte Ja und ist jetzt die schöne gefeierte Lady M. 
Ein Reporter deö Pariser „Figaro" hatte eine Unterredung 
mit Hrn. Tomaso Arago, einem der geretteten Passagiere des 
„Nortfieet", und dieser theilte ihm einige Details aus dem 
Schiffbruche mit. Unter den Schiffsmatrosen befand sich auch 
cm Reger von herkulischer Gestalt, welcher Dienste bei dem 
Kapitän KnowleS verrichtete. Zu wiederholten Malen wollte 
der Reger seinen Herrn bewegen, sich in einem Kahne zu retten. 
Da sich Knowles schließlich nicht mehr dieser Ergebenheit seines 
Dieners, die ihn entehrt hatte, erwehren konnte, richtete er den 
Revolver auf den Versucher. Auf daS hin warf sich der Reger 
in das Meer. Wahrend dieses vorging, hatte ein Ingenieur, 
NamenS Karl Ktllik, sein, Notizbuch hervorgeholt und fing zu 
rechnen an. „Karl," fragte ihn Arago, „was machst du da?" 
— „Laß mich gehen," erwiderte KiUik ernst, „ich überrechne 
mem Vermögen und mache mein Testament." Der Ingenieur 
ist zu Grunde gegangen. Herzzerreißend war der Abschied zwi- 
scheu dem Kapitän und seiner Krau, mit der er erst seit einem 
Monat verheirathet war. „Mary," sagte er, „du mußt in das 
Rettungsboot steigen; Gott sei mit dir, ich habe dich sehr ge- 
liebt." — „Lap mich bei dir bleiben!" schrie die junge grau 
und warf sich in die Arme ihres Mannes. Der Kapitän druckte 
sie an leine Brust und sagte dann mit gepreßter Stimme: 
„Schnell, Mary, tn das Boot, das Schiff sinkt unter. Ver 
giß mich nte!" — Nun gab er zwei Malrosen ein Zeichen, 
daß sie die Frau in das Boot tragen sollten und sagte, sich 
gegen einen Offizier wendend: „Unser Loos ist ein sehr hartes !" 
Und weiters sprach er kein anderes Wort, als die kaltblütigsten 
Befehle. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schadler 
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Amtliche Anzeigen. • 
Currende 
an alle Ortsvorstande. 
Mit dem heurigen Jahre wird daS liechtensteinische Koch- 
salz beim k. k. Hauptzollamte Feldkirch in kleineren Fässern an 
die Parteien abgegeben, alS dies in den früheren Jahren der 
Fall war. 
Hiedurch erscheint eine Herabsetzung des Salzgeldaufschtages, 
welcher bei. der hiesigen Landeskasse per Faß eingehoben wird, 
gerechtfertigt. 
Dieserwegen wird der Salzaufschlag von nun an von 9 fl. 
auf 8 fl. 20 kr. herabgesetzt und wurde die fürstliche Kassen- 
Verwaltung angewiesen, jenen Parteien, welche sich durch die 
zollamtliche Vollste auszuweisen vermögen, daß sie Salzfässer 
bezogen, deren Nettogewicht 450 Pfund nicht überschreiten, auf 
Verlangen die zu viel eingehobene Gebühr von 80 kr. per Faß 
zurückzustellen. 
Im Uebn'gen bleiben die Bestimmungen deS RegierungS- 
de'kreteS vom 14 Januar 1871 aufrecht 
F. L. Regierung 
Vaduz, am 12. März 1873. 
Nichtamtliche Anzeigen. 
Für Auswanderer und Reisende. 
Regelmäßige, solide «nd billige Spedition mittelst 
Post-, Dampf- und Segelschiffen 
nach allen Tbeilen von 
Uorä- & Südamerika & Australien 
durch die konzessionirle Generalagentur von Awilchenbart in 
Basel, Zentralbahnhofplatz Nr 12. 
Agent für Tirol und Vorarlberg I. Schauer, Inhaber 
der Expreß Eompagnie in Feldkirch. m lg 
Plenarversammlung des löbl. Lesevereins 
in Vaduz 
Samstag, den 22, Abends 8 Uhr im Vereinslokale. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 14. März. 
Der halbe Metzen 
beste 
mittlere 
geringe 
fl 
kr. 
fl 
kr. 

fl. 
kr. 
Korn 
4 
10 
4 

3 
90 
Roggen .... 
3 
— 
2 
90 
2 
80 
Gerste 
2 
90 
2 
80 
2 
70 
Türken .... 
2 
80 
2 
70 
2 
60 
Hafer 
1 
60 
1 
50 
1 
40 
Thermometerstand nach Reaumur in Vaduz. 
| Monat 
Morgens 
7 Uhr 
MillaqS 
12 Uhr 
AbendS 
6 Ubr 
Witterung. 
März 12. 
+ 3 
+ HV2 
+ 9 
bedeckt; Födnstürm 
13- 
+ 2% 
+ 6% 
+ 5'/, 
„ etwas Regen 
.. 14, 
+ 3 % 
+ 6»/, 
+ 3 
gemischt 
15. 
+ 3 
+ 9% 
+ 5'/2 
n 
„ 16. 
+ 6 Vt 
+ 14 
+ 7% 
„ ; Löh» 
.. 17 
+ 8 
+ 14% 
+ ll'/2 
bedeckt; Föhnst. 
u 1®' 
+ 11 
+m 
+ 12 
- »0. 1 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
19. März 100 fl. Silber 108.— 
20-Frankenstücke 8.69 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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